Muriel. T.D. Amrein
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Читать онлайн книгу Muriel - T.D. Amrein страница 12
Manfred seufzte kurz auf. Weshalb ließ ihn der alte Knacker nicht einfach mit der Blondine allein. Für die hätte ich sogar was zum ins Ohr Flüstern auf Lager, dachte er grimmig. »Ja, da gibt’s nicht viel zu erzählen. Rainer hat seinen Koffer gepackt und ist von Bord gegangen. Er hat uns noch viel Spaß gewünscht, das war’s.«
»Wo genau?«, hakte Krüger nach. »Wo stand sein Wagen?«
»Sein Wagen? Ja dort an diesem Hafen, denke ich. Wo genau, weiß ich leider auch nicht. Ich kann mir diese französischen Kaffs doch nicht alle merken. Ich kann ja auch kaum Französisch.«
»Aber wenn Sie an die Stelle zurückkehren, könnten Sie sich erinnern?«, hielt Krüger fest.
»Ja, möglich. Aber das heißt jetzt nicht, dass ich mit Ihnen …«
»Natürlich nicht. Wir haben einige Fotos mitgebracht. Wenn Sie sich die bitte ansehen wollen.«
Die Blondine bleckte leicht die Zähne, während sie sich in Manfreds Richtung schob, nur mit dem Oberkörper. Den Notizblock hatte sie sich zwischen die Knie geklemmt, um die Hände frei zu haben. Elegant fächerte sie die Aufnahmen vor ihm aus.
»Erkennen Sie einen dieser Orte?«
»Moment«, sagte Manfred. Umständlich kramte er eine Brille aus dem Jackett. »Erst den Feldstecher suchen. Dann kann ich vielleicht helfen.«
»Lassen Sie sich ruhig Zeit«, beschwichtigte die Blonde. Der Kommissar jedoch ließ ein verächtliches Schnauben hören.
Passt ihm offensichtlich nicht, wenn seine Tippse mal einem richtigen Kerl begegnet, dachte Manfred höhnisch. Bildete der sich etwa ein, dass die sich auch nur eine Minute mit ihm abgeben würde, wenn sie nicht musste? Manfred griff nach einem Bild und betrachtete es genauer. »Hier könnte es gewesen sein. Möglicherweise.« Mit Absicht hielt er das Foto direkt vor der Brust, sodass sich die Beamtin noch weiter vorbeugen musste, um es ihm aus der Hand zu nehmen. Sie bemerkte offensichtlich nichts von seiner List.
»Sind Sie sicher?«
»Na, ja. Darf ich es vielleicht noch mal sehen?«
Sie lächelte. Der Kommissar schnalzte mir der Zunge. »Ich bin kurz weg. Rufen Sie mich, wenn Sie mit den Urlaubsfotos durch sind«, brummte er gereizt.
»Aber selbstverständlich, Chef!«
Der Chef schlurfte grummelnd aus dem Raum.
Manfred witterte seine Chance. Ihr würde er anstandslos jede Frage beantworten. Außer natürlich, was wirklich passiert war bei Rainers Abgang.
Michélle streckte ihm die Aufnahme wieder hin. Manfred griff danach, nicht ohne einen weiteren tiefen Blick in ihre Bluse zu riskieren.
»Aimez-vous ce que vous voyez?«, ließ die Blondine fallen.
»Perfekt«, antwortete Manfred, ohne lange zu überlegen.
»So ausgesprochen schlecht kann Ihr Französisch aber nicht sein, wenn Sie das gleich verstanden haben«, stellte die Beamtin lakonisch fest.
Manfred zuckte zusammen. »Ja, das. Das versteht doch jeder. Gefällt Ihnen, was Sie sehen? Das hört man doch dauernd«, versuchte er zu erklären. Dass seine Stimme höher klang als sonst, fiel sogar ihm selbst auf.
»Na ja. Ich würde das jetzt nicht als Lüge bezeichnen wollen«, fuhr die Beamtin fort. »Aber wozu schwindeln Sie, wenn es keine Rolle spielt?«
»Ich wollte … Das war doch keine Lüge! Ich verstehe fast alles, kann aber nicht viel sprechen«, redete er sich heraus.
Die Blonde konnte ein Grinsen nicht vollständig unterdrücken. »Und weil Sie fast alles verstehen, können Sie sich die Namen der Dörfer nicht merken?«
Eine Schweißperle löste sich von seiner Braue und brannte in seinem Auge. »Für meine Begriffe sind meine Sprachkenntnisse mangelhaft. In Französisch! Ok?« Manfred begann sich aufzuregen. Die Tusse hatte ihn glatt reingelegt.
»Ich sagte doch, dass ich das nicht überbewerten möchte«, beruhigte sie ihn, während sie ihren Notizblock wieder zur Hand nahm. »Wie sicher sind Sie jetzt mit dem Hafen?«, fragte sie weiter. »Könnte es dieser gewesen sein, in dem Herr Lau sich verabschiedet hat?«
»Ja, doch«, brummte Manfred. Seine Selbstsicherheit war deutlich angeschlagen.
»Sehr gut«, lobte die Blondine. »Damit stimmen Ihre Aussagen und die Ihres Bekannten in diesem Punkt überein.«
Beinahe wäre Manfred ein: »Natürlich sagen wir das Gleiche« herausgerutscht. Damit hätte er praktisch zugegeben, dass er sich mit Hajo abgesprochen hatte.
Die Tusse verstand offenbar ihr Geschäft. Von wegen naiv und unerfahren, eher faustdick hinter den Ohren, dachte er und nahm sich vor, auf der Hut zu sein. Für den Rest der Befragung blieb er stur bei seiner ersten Aussage. Noch einen Lapsus konnte er sich nicht erlauben. Aber beim Gedanken, dass dieses Aas gleich seinen Kumpel in die Mangel nehmen würde, wurde ihm schlecht. Wenn er selbst es kaum schaffte, ihr Paroli zu bieten … Hajo war nicht besonders helle. Besonders standhaft auch nicht – Manfred musste ihn unbedingt warnen. Dass ihm die Tusse diese Chance kaum freiwillig lassen würde, war ihm klar. Nur, wenn er ihr etwas zum Fraß vorwarf, das sie für die nächsten Stunden beschäftigte, konnte er vielleicht mit Hajo reden.
Immerhin war sein Kumpel am Mord beteiligt gewesen, nicht bloß anwesend. Manfred hatte das bewusst so eingefädelt. Erst hatte man beim Kartenspiel gemeinsam mehrere Flaschen Rotwein und ein paar Schnäpse getrunken, wie eigentlich jeden Nachmittag auf dem Boot. Auf ein abgesprochenes Zeichen hin hatten Manfred und Hajo den völlig ahnungslosen Rainer überwältigt, gefesselt und geknebelt. Manfred holte das Stück Ankerkette, das er vor ein paar Tagen zufällig gefunden hatte, aus dem Unterbau der Penichette. Er wickelte es Rainer so eng wie möglich um den Bauch und hielt die Enden fest. Damit Hajo die Ringe, mit dem ebenfalls längst bereitgelegten Vorhängeschloss, unlösbar verriegeln konnte. Hajo schwenkte kurz den Schlüssel vor Rainers Nase, bevor das Teil in hohem Bogen im Fluss landete.
Danach hatte Manfred Rainer mit der Knarre im Anschlag gezwungen an den Rand der Heckplattform zu kriechen. Dort löste ihm Hajo die Handfesseln, bevor er ihn mit einem kräftigen Tritt in die Eier ins Wasser beförderte.
Damit Rainer nicht abhauen konnte, hatten sie ihm noch vor dem Abwurf beide Heckanlegeleinen links und rechts durch die Kette an seinen Hüften gefädelt. Die ihn, auf die richtige Länge gebracht, jetzt straff hinter dem Boot in der Strömung hielten. Dadurch blieben die Seile frei von möglichen Gewebespuren und ließen sich überdies einfach von den Klampfen lösen und zurückziehen, sobald man die miese Ratte vollständig erledigt hatte. Selbstverständlich sollten die Leinen auch dazu dienen, Rainer daran zu hindern, sich seinem Schicksal zu ergeben und widerstandslos ersaufen zu wollen. Dann würden sie ihn eben wieder hochziehen. Manfred hatte sich schließlich tagelang mit der Hinrichtung des Verräters befasst.
Wehren konnte der sich inzwischen kaum noch, trotz der entfernten Fesseln. Hajo hatte ihm die Finger beider Hände, schon beim ersten Versuch sich wieder am Boot hochzuziehen, brutal zertrümmert. Genüsslich hatte er mit dem schweren Hammer, der zur Ausrüstung des Bootes gehörte, an der Kante gewartet. Festhalten konnte Rainer jetzt nichts mehr. Außerdem benötigte er ohnehin alle Kraft zum Schwimmen, mit der dicken Eisenkette um