Muriel. T.D. Amrein
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Sie wand sich kokett. »Wie nett von Ihnen. Aber das kann ich doch nicht annehmen. Einfach so?«
»Aber weshalb denn nicht? Ich würde mich unbeschreiblich darüber freuen. Es ist so schön hier. Auch das Boot ist perfekt. Jedoch so ganz allein? Ihre Gesellschaft würde meinen Aufenthalt endgültig unvergesslich machen.«
Muriel gab sich geschlagen. »Wenn Ihnen so viel daran liegt. Hungrig bin ich tatsächlich.«
Danner blühte richtiggehend auf. »Nehmen Sie doch bitte kurz Platz. Ich ziehe mich rasch um.«
Muriel setzte sich brav hin. Er verschwand in der Kabine. Deutlich zu hören, dass er sich duschte. Sie nickte zufrieden. Er schien zu wissen, was sich gehörte. Sie würde zwar einiges in Kauf nehmen, um an sein Vermögen zu gelangen, aber wenn sie sich dabei nicht ekeln musste, umso besser. Wenn er sich Mühe gab, würde sie ihm seine letzten Monate genau so versüßen, wie er es verdiente und danach seine hingebungsvoll trauernde Witwe geben. Zumindest so lange, bis alles geregelt sein würde.
***
Guerin ließ es sich nicht nehmen, bei der Sichtung des Kofferinhalts von Anfang an dabei zu sein. Ähnlich wie ein Rechtsmediziner diktierte der Leiter der Abteilung Spuren seine Eindrücke in ein Aufnahmegerät: »Koffer der Marke Del Sey, Paris. Graue Hartschale, Kanten aus eloxiertem Aluminium. Größe 70 x 55 x 13 Zentimeter. Schlösser nicht verriegelt.«
Der Techniker sah kurz hoch. »Kann ich öffnen, Herr Kommissar?«
Guerin nickte zustimmend. »Bitte!«
Der Techniker rollte mit den Augen, als der Deckel aufsprang. »Das dürfte einige Zeit dauern, Herr Kommissar, bis wir damit durch sind. Wollen Sie wirklich so lange warten?«
Guerin zuckte mit den Schultern. »Bis Sie eine grobe Übersicht haben, bleibe ich.«
»Ok.« Der Techniker griff zu einer Kamera und knipste etliche Bilder. Danach klaubte er eine schwarze Brieftasche aus dem Sammelsurium im Innern des Koffers und begann, die einzelnen Fächer zu leeren und auf dem Tisch auszubreiten. Auch davon machte er Fotos. Danach beschriftete er Zettel, die den Gegenständen beigefügt wurden.
Guerin räusperte sich. »Irgendwas, womit sich der Kerl auf dem Boot identifizieren ließe oder uns sonst weiterhilft?«
Der Techniker grinste. »Zaubern kann ich nicht, Herr Kommissar! Das dauert nun mal.«
Guerin gab nach. »Ich genehmige mir einen Kaffee, dann komme ich wieder.«
»Lassen Sie sich ruhig Zeit, Herr Kommissar«, empfahl der Mann.
Als Guerin eine halbe Stunde später den Raum wieder betrat, hatte der Techniker bereits eine respektable Liste verfasst. Unter anderem war eine eckige Blechdose mit Deckel aufgeführt. Ihr Inhalt interessierte Guerin: mehrere Portemonnaies und Brieftaschen. Alle enthielten Kleingeld und weitere übliche Dinge wie Quittungen, Fotos, Heiligenbildchen und so weiter, die im Einzelnen noch nicht erfasst waren. Keine Ausweise oder Bankkarten. Gesamtbetrag aller Börsen etwa fünfundzwanzig Euro. Lose im Koffer: ein lädiertes Jagdmesser mit Horngriff, ein Medaillon mit Silberkette, ein zerfleddertes Pornoheft, mehrere Kugelschreiber, ein Notizbuch, schwarz, kaum Einträge. Eine Papierschere, Büroklammern und Gummibänder. Ein Umschlag mit einigen schwarz-weißen Fotos. Kulturbeutel eines Mannes, darin: gebrauchte Rasierklingen, Nagelpflegewerkzeug, zwei Pinzetten, Rasierwasser und ein Parfum, frische und gebrauchte Papiertaschentücher, Zahnstocher, ein Streifen Tabletten mit der Aufschrift Ibuprofen, also ein Schmerzmittel.
Der Techniker winkte ihn heran. »Das hier könnte vielleicht doch interessant sein. Eine evangelische Taufurkunde. Name des Kindes: Georg Wetzel, geboren am 26. Mai 1949, getauft am 21. August 49. Die Taufpatin hieß Dora Müller.«
Guerin runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob das was mit unserem Mann zu tun hat. Eigentlich passt der Koffer nicht zu ihm, eher die Blechdose.«
»Das ist auch mein Eindruck«, bestätigte der Techniker. »Womöglich hat er den Koffer gefunden«, er stockte. »Oder entwendet.«
»Könnte passen«, bestätigte Guerin. »Aber einige der Dinge dürften doch von ihm selbst stammen. Welcher normale Reisende würde ein solches Konvolut an unpraktischen Dingen mit sich herumschleppen?«
»Es erinnert mich an Kram, den jeder irgendwo lagert. Bloß, dass er hier in einem Koffer liegt anstatt in diversen Schubladen«, wandte der Techniker ein. »Bei Durchsuchungen finden Sie oft genau solche Mischungen.«
Guerin musste ihm Recht geben. Damit verdichteten sich die Hinweise, dass der Mann tatsächlich schon seit einiger Zeit in der Peniche hauste, offenbar unbemerkt von den Werftarbeitern.
***
Muriel schlich sich aus dem Salon der Chantal, ohne Meinrad aufzuwecken. Sie hatten nach dem Essen auf dem Boot eine Flasche Wein getrunken und locker geplaudert, bis er schließlich eingenickt war. Sie regte sich nicht darüber auf, dass ihre weiblichen Reize ihn nicht wachzuhalten vermocht hatten. Das hatte sie gar nicht beabsichtigt, und eigentlich fühlte sie sich eher erleichtert. Ob er überhaupt noch imstande war, mit einer Frau zu schlafen, würde sich bei Gelegenheit erweisen.
Für Muriel spielte es keine große Rolle. Aber es fiel natürlich leichter, einen Mann durch gelegentlichen Sex bei Laune zu halten, als durch bloße Sympathie und ihn schließlich dazu zu bringen, sie zu heiraten. Egal. Sie würde sich dem einen wie dem anderen stellen.
Er hatte auf jeden Fall durchblicken lassen, dass er nicht gern allein weiterleben wollte, ohne sie dabei ins Auge zu fassen. Er schien nicht zu erwarten, bei einer Frau wie Muriel überhaupt eine Chance zu haben. Das gab ihr Zeit, ihre Strategie genau auf ihn auszurichten, damit sie ihn perfekt vorbereitet an Land ziehen konnte. Ihn zu heiraten, wäre nur das nächste Etappenziel. Danach gälte es, ihn so schnell wie möglich unter die Erde zu bringen. Warum sich länger als nötig mit einem Kerl abgeben, der ihr außer Geld nichts zu bieten hatte? Dass sie das schaffen würde, daran zweifelte sie nicht, aber noch wusste sie nicht, wie sie es anstellen wollte. Ihr würde bestimmt etwas einfallen; wie immer. Und am Ende winkte eine deutlich fettere Beute als üblich. Muriel sah sich schon als Hausherrin durch Danners nobles Anwesen schlendern. Sie musste sich allerdings auch weitaus mehr vorsehen, denn als reiche Witwe würde sie automatisch zur ersten Verdächtigen.
***
Guerin konfrontierte den Clochard am nächsten Morgen mit den gefundenen Fotos und den Aufnahmen vom Inhalt des Koffers. Der Mann schnaubte verächtlich. »Das habt ihr mir doch untergeschoben, ihr Faschos!«
Den Taufschein hielt Guerin daraufhin noch zurück, obwohl er nicht einmal glaubte, dass das Dokument etwas mit dem Unbekannten zu tun hatte. Die Reaktion des Clochards auf den Anblick wollte er gern unverfälscht bekommen: Er musste den Kerl überraschen, und zwar bald. Allzu lange würde Guerin ihn nicht mehr festhalten können. Einzig, dass der Clochard seinen Namen nicht nennen wollte, ließ noch etwas Spielraum zu.
Guerin unterdrückte seinen Ärger darüber, dass der Typ so hartnäckig schwieg. Aber sie konnten ihm nichts nachweisen, und nicht einmal die gehorteten Portemonnaies waren ein Grund, ihn anzuklagen. Einen echten Bezug zu der gefundenen Leiche konnte Guerin daraus nicht konstruieren. Dazu benötigte er ein klares Indiz, einen Gegenstand nachweislich aus dem Besitz des Toten oder eine ihm zuzuordnende Blutspur. Auf das absolute Nonplusultra zu hoffen, die bei der Tat verwendete Pistole, erschien müßig. Aber Guerin hatte schon zuviel erlebt, um es grundsätzlich auszuschließen.