Veyron Swift und der Schattenkönig. Tobias Fischer
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Читать онлайн книгу Veyron Swift und der Schattenkönig - Tobias Fischer страница 4
Auf einmal fuhr der Unterkaufmann herum und rief: »D … d … da ist jemand! Hat also doch noch jemand überlebt?«
Martens Herz machte einen freudigen Hüpfer. Vielleicht Vanderdecken? Doch die schwarz gekleidete Gestalt am Rand des Plateaus war ein Fremder. Er stand gefährlich nahe am Abgrund. Sein Umhang, ähnlich dem von Fokke, aber leichter und luftiger, bauschte sich in der Brise, die vom Meer heraufkam. Der Wind spielte auch mit dem langen, weißen Haar, das wie dünne Fäden von seinem Haupt hing.
»Seltsam, ich hab den Kerl vorhin gar nicht gesehen«, meinte Marten halblaut.
Auch Fokke schien einigermaßen verwundert, doch ohne Furcht schritt er auf den Fremden zu. Marten wäre es lieber gewesen, der Kapitän trüge seinen Säbel. Ihm gefiel diese schwarze Gestalt gar nicht. Mit verschränkten Armen stand der Fremde auf der Klippe, sein Blick auf das Meer gerichtet, so als wären sie gar nicht da.
»Wer seid Ihr, Fremder? Ich bin Barend Fokke, Kapitän der Niederländischen Ostindiengesellschaft! Dreht Euch gefälligst um und redet!«, herrschte Fokke den Fremden an. Der reagierte gar nicht, was den Zorn des Kapitäns heraufbeschwor. Mit forschen Schritten ging er auf den Fremden zu, packte ihn an der Schulter und riss ihn herum.
Marten keuchte auf, selbst Fokke schrak zurück. Da war nichts und niemand, kein Mensch, keine Gestalt, nicht einmal ein Schatten. Die drei Überlebenden blickten verdattert drein. Marten spürte schon zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit, wie ihm im Schritt warm wurde. »Der Teufel«, wimmerte er. »Wir sind auf dem Felsen des Teufels gestrandet.«
Fokke erwiderte diesmal nichts. Selbst ihm, dem furchtlosesten aller Seefahrer, hatte es die Sprache verschlagen. Van Straten wirbelte herum Richtung Treppe – und ging mit einem Schrei zu Boden. Die schwarz gewandete Gestalt erschien direkt vor ihm. Der Fremde trug in der Tat einen weiten Umhang, schwarz wie die Nacht, und sein Gesicht war nicht zu erkennen. Lediglich zwei weiße Punkte glommen in der schwarzen Fläche, wohl die Augen dieser … Kreatur. Die Hände steckten in schwarzen Panzerhandschuhen. Alles an ihm war irgendwie schwarz. Vielleicht nur Einbildung, dachte Marten. In der Nacht spielten einem die Sinne gerne einen Streich.
»Ihr habt Euer Schiff verloren«, sagte der Fremde mit dunkler Stimme. »Und Ihr habt einen Durchgang zerstört.« Es war keine Frage, sondern eine bittere Feststellung.
»Durchgang? Wohin?«, verlangte Fokke zu wissen, als habe er ein gewöhnliches Mannschaftsmitglied vor sich.
»Von Eurer Welt nach Elderwelt«, erklärte der Fremde knapp.
Fokke verengte die Augen zu Schlitzen. Mit dieser Antwort wusste er nichts anzufangen, und so etwas machte ihn wütend. Marten wusste, dass man seinen Kapitän besser nicht herausforderte.
»Jetzt redet endlich oder seid verflucht, wenn Ihr so viel Höflichkeit nicht zeigen wollt. Wer zum Teufel seid Ihr?«, grollte Fokke ungehalten. Seine Pranken hatte er zu Fäusten geballt.
Den Fremden beeindruckte das wenig. »Ich bin der Diener meines Meisters«, antwortete er nach einem Moment angespannten Schweigens. »Ich kann Euch helfen, von hier fortzukommen und nach Hause zurückzukehren.«
Fokke lachte urplötzlich auf. Herausfordernd stemmte er die Fäuste in die Hüften. »Und wie wollt Ihr das bewerkstelligen, wenn Ihr kein Zauberer seid?«
»Ich verfüge über besondere Kräfte, genau wie Ihr, Barend Fokke«, antwortete der Schwarze.
Fokkes Lachen wurde noch lauter. »Und welche wären das? Sollen mir Flügel wachsen?«
»Seht gut her«, befahl der Schwarze, ballte die Faust und richtete sie auf van Straten, dessen Augen ängstlich hin und her huschten. Der Fremde hielt nur die Faust auf den Unterkaufmann gerichtet, ohne etwas zu sagen.
»Bi … bi … bitte«, flehte van Straten. »Was habt Ihr vor? Wollt Ihr mich umbringen? Ich bin nur ein kleiner Unterkaufmann der Gesellschaft. Ich hab nie etwas Unrechtes getan und wenn, dann tut es mir leid. Bitte, bitte tötet mich nicht.«
Der Schwarze öffnete die Faust und spreizte die Finger. »Doch«, zischte er kalt. Eine unsichtbare Druckwelle schoss aus seiner Hand heraus, erfasste van Straten und schleuderte ihn, einer Kanonenkugel gleich, über den Rand der Klippe.
Marten blieb beinahe das Herz stehen, während der entsetzte Schrei des Unterkaufmanns in der Tiefe verhallte.
»Er ist der Satan, Kapitän!«, schrie Marten und bekreuzigte sich.
Fokke blieb ungerührt. »Warum habt Ihr das getan?«
»Um meine Macht zu demonstrieren. Das ist die Simarell. Sie wird mir von meinem Meister verliehen. Auch Ihr besitzt diese Fähigkeiten – weitaus stärker und mächtiger als ich, Kapitän«, erklärte der Fremde. »Mit der Macht der Simarell könnt Ihr Euer Schiff heben und die Fähigkeit erlernen, es ohne jede Mannschaft zu steuern.«
Marten bemerkte, wie sich im Schimmer des Mondes auf dem Gesicht Fokkes die Gefühle abwechselten, Zorn und Neugier, Sehnsucht und Verlangen. Marten wusste, dass sein Kapitän weder Tod noch Teufel fürchtete und alles tun würde, um nach Hause zurückzukehren. In Amsterdam wartete eine Frau auf ihn, die er heiß und innig liebte und der er von jeder Fahrt Geschenke aus Indien und China mitbrachte.
»Ihr sagt mir wahrhaftig, ich könne mein Schiff heben und es wieder flottmachen? Es ohne Mannschaft steuern und navigieren? Nach Hause zurückkehren?«, wollte Fokke von dem Verhüllten wissen.
Marten sah in dem dunklen Gesicht weiße Zähne aufblitzen. Ihm erschien es wie ein teuflisches Grinsen.
»So ist es.«
»Was verlangt Ihr dafür als Preis?«
Der Fremde verschränkte in bestimmender Geste die Arme. »Weder Gold noch Edelsteine, keinerlei Macht, kein Land, auch sonst nichts von materiellem Wert. Nur eines will ich haben«, donnerte er.
Fokke richtete sich zu voller Größe auf. »Dann sprecht es endlich aus, verflucht!«
»Eure Seele, Kapitän. Allein Eure Seele, auf dass sie mir diene, wenn ich es verlange.«
Der Schwarze streckte seine Hand aus und wartete geduldig darauf, dass eingeschlagen wurde.
Marten starrte seinen Kapitän ungläubig an. Diesen Preis würde Fokke doch nicht wirklich zahlen, oder? Das käme einem Pakt mit dem Teufel gleich, wenn es nicht gar ein solcher war. »Kapitän«, wimmerte er, doch Fokke ignorierte ihn.
Seine Kieferknochen malmten, so sehr rang er mit der Entscheidung. Dann machte er einen Schritt auf den Fremden zu, um die angebotene Hand zu ergreifen.
Nein! Das durfte nicht sein! Marten sprang vor, um seinen Kapitän zurückzudrängen und ihm ins Gewissen zu reden. Alle Kreise der Hölle wären ihnen sicher, wenn sie diesen Bund eingingen. Eine solche Sünde würde der Allmächtige niemals vergeben. Keine Menschenseele durfte sich dem Leibhaftigen verschreiben.
Doch Fokke wollte davon nichts hören, sondern stieß ihn, seinen treuen Steuermann, grob zu Boden. Aufrecht trat er dem Dämon entgegen, schlug ein und schüttelte die gepanzerte Hand.
»Dann sei es so, in drei Teufels Namen!«