Veyron Swift und der Schattenkönig. Tobias Fischer

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Veyron Swift und der Schattenkönig - Tobias Fischer Veyron Swift

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Nicht im Dienste Ihrer Majestät

       Harrow, 28. April, 333 Jahre später:

      »Es ist wahrhaftig an der Zeit, diesem Drama ein Ende zu bereiten«, sagte Veyron Swift, als er aus dem Küchenfenster hinaus auf die Straße blickte.

      Tom Packard blickte überrascht von seinem Frühstück auf und betrachtete seinen Patenonkel verwirrt. Veyron, schlank und hochgewachsen, mit strengen, raubvogelhaften Zügen in seinem ausgezehrten Gesicht, hielt seine Kaffeetasse in der Rechten, während er die Linke lässig in die Hosentasche gesteckt hatte. Er war ein Meister der Beobachtung, dem auf den ersten Blick Dinge auffielen, die andere selbst beim hundertsten Mal Hinschauen noch übersahen. Gerade eben war er von einem Spaziergang zurückgekehrt und hatte sich einen Kaffee geholt, um dann schnurstracks vor das Küchenfenster zu treten. Tom fragte sich, was Veyron dort draußen entdeckt haben mochte, das ihn dermaßen brennend interessierte.

      »Was für ein Drama denn? Ich kapier mal wieder gar nichts«, sagte er und gesellte sich an die Seite seines Paten.

      Seit fast zwei Jahren trug Veyron nun die Verantwortung für Tom, doch war er weder mit ihm verwandt noch konnte Tom von einem besonders innigen Verhältnis zwischen ihnen sprechen. Er mochte Veyron, aber er fürchtete ihn zugleich auch; nicht zuletzt wegen seiner vielen Flausen und dieser stets zur Schau gestellten geistigen Überlegenheit. Tom bewunderte seinen Patenonkel, er verehrte ihn, aber mehr wie ein Student seinen Professor oder ein Soldat seinen Hauptmann. Trotz aller Vertrautheit war da immer noch eine gehörige Portion Distanz zwischen ihnen, unausgesprochen, aber deutlich zu spüren.

      »Das überrascht mich nicht«, sagte Veyron und lachte spöttisch. »Deine Augen und dein Verstand sind gegenwärtig allein auf Chloe Henderson konzentriert, diese Austauschschülerin aus Connecticut. Gegenüber dem Offensichtlichen warst du ja schon immer blind. Das ist deine Schwäche.«

      Tom überging diese Gemeinheit schweigend, doch er spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen schoss, als Veyron die schöne Chloe erwähnte. Sie war neu an der Schule, und er hatte sie zum Eisessen ausgeführt – und danach zum Italiener. Er war total verknallt – aber Veyron hatte er nichts davon erzählt. Wie konnte er es also überhaupt wissen?

      »Hey! Hatten wir nicht vereinbart, dass Sie mir nicht mehr hinterherspionieren?«, beschwerte sich Tom. Er hatte das letzte Mal, als Veyron glaubte, sich als Toms Beschützer aufspielen zu müssen, noch in überaus schlechter Erinnerung.

      Veyron sah ihn nicht einmal an, als er erwiderte: »Ich dachte, wir wären uns einig, dass diese Vereinbarung für mich nicht gilt.«

      »Veyron, diese Vereinbarung existiert allein Ihretwegen! Und lassen Sie Chloe aus dem Spiel! Von Liebe verstehen Sie nämlich gar nichts.« Während er sprach, wanderte sein Blick die Straße auf und ab, ohne etwas Ungewöhnliches feststellen zu können. »So, jetzt will ich wissen, was für ein Drama Sie meinen. Ist doch alles normal«, forderte er und schaute noch einmal genau hin. Wie jeden Sonntag parkten mehr Autos am Rand des schmalen Gehsteigs als unter der Woche. Von den Nachbarn war weit und breit nichts zu sehen, und Spaziergänger verirrten sich sowieso selten in die Wisteria Road.

      »Da ist ein junger Mann, etwa Mitte zwanzig, er steht schon eine ganze Weile an der dritten Laterne von rechts vor Nummer 112. Vorhin während meines Spaziergangs habe ich ihn die Straße rauf- und runterlaufen sehen, zweifellos auf der Suche nach 111. Offenbar ist ihm noch nicht in den Sinn gekommen, auf der anderen Seite nachzusehen. Ich wollte nichts sagen, solange ich mit anderen Gedanken beschäftigt war, doch nun gehört ihm meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Geh und bitte ihn herein, Tom«, erklärte Veyron.

      Als Tom den von der Laterne fast verdeckten Mann endlich entdeckte, zuckte er nur mit den Schultern. »Er könnte auch auf seine Freundin warten«, konterte er.

      »Nein, sein Blick geht stets zu den Nummern der Häuser. Er will zu mir, ich weiß es. Also geh jetzt und hol ihn herein.«

      Tom schnaubte und trat zurück. Diese rechthaberische und fahrige Art und Weise seines Patenonkels ärgerte ihn selbst nach fast zwei Jahren noch immer so wie am ersten Tag. Mit seinen inzwischen sechzehn Jahren fand er es an der Zeit, sich diese schroffe Art der Behandlung nicht weiter gefallen zu lassen. »Nö! Gehen Sie doch selber. Sehe ich aus wie Ihr Hausdiener?«

      Veyron beachtete ihn gar nicht, sondern blickte weiterhin forschend aus dem Fenster. »Zu spät, er gibt auf«, sagte er enttäuscht, doch dann hob er überrascht die Augenbrauen. »Ah, interessant. Jetzt hat er uns gefunden. Schau nur, er kommt direkt auf uns zu.«

      Gleich darauf klingelte es. Veyron wirbelte auf den Absätzen herum und verschwand aus der Küche. Würde er dem Fremden öffnen? Nein, da hatte Tom sich wohl zu früh gefreut. Stattdessen bog Veyron ins Wohnzimmer ab. Es klingelte erneut.

      »Aha. Also wieder mal Showtime, was? Alles klar – Mr. Packard öffnet die Tür und geleitet den verzweifelten Besuch ins Wohnzimmer, wo Mr. Swift dann seinen großen Auftritt hat«, grummelte Tom. Widerwillig machte er sich auf den Weg zur Haustür, um ihren Besucher einzulassen, ehe der es sich wieder anders überlegte.

      Seit dem letzten großen Fall war Veyron dick im Geschäft. Die Leute suchten ihn als Berater in übernatürlichen Angelegenheiten auf, wenn sie sich von Geistern bedroht fühlten, von Kobolden oder gar Vampiren. Meistens steckte natürlich nichts dahinter, doch hin und wieder war auch ein echter Fall dabei. Tom erinnerte sich noch gut an den Pureberry-Mord, zu dem Veyron hinzugezogen wurde, weil die Mörder offenbar eine Gruppe Kinder gewesen waren. Die Wahrheit hatte natürlich gänzlich anders ausgesehen. Oder etwa der verzweifelte Vampirjäger Bernie Trapstone, der zu Unrecht der Ermordung einer Vampirfürstin beschuldigt und von deren rachsüchtigen Leibwächterinnen gejagt worden war. Nicht zu vergessen die verzwickte Sache mit der Hexe von Chelsea, in deren Händen sich das Schicksal ganz Elderwelts befunden hatte.

      Elderwelt …

      Wann immer Tom an Elderwelt dachte, jenes fantastische Reich, das er inzwischen schon zweimal besuchen durfte, packte ihn die Sehnsucht. Von der Welt, in der er aufgewachsen war, durch eine magische Grenze getrennt, war es für alle menschlichen Augen, Ortungsgeräte und Satelliten unsichtbar. Nur durch spezielle Durchgänge konnte man dorthin gelangen. Es geschah nicht oft, dass jemand von dieser Welt nach Elderwelt reiste, viel häufiger schienen es Kreaturen Elderwelts in diese zu schaffen. Meist ausgerechnet die von der üblen Sorte: Vampire, Kobolde, Schrate, Trolle … Dabei waren das noch die harmlosesten Monster, die Elderwelt behausten. Und dennoch war es ein Reich, in dem Träume Wirklichkeit wurden, wo so viel Schönes und Fantastisches existierte. Die Elben im Lande Fabrillian zum Beispiel oder die Zwerge auf der Insel Talassair.

      Toms bislang einziges Mitbringsel aus jener Welt war ein Schwert, das oben in Veyrons Arbeitszimmer über dem Fenster hing. Nun gut, es war nicht nur irgendein Schwert, sondern erfüllt vom Geist eines mächtigen Magiers, Professor Lewis Daring. In den vorangegangenen Abenteuern war es ihnen schon einige Male eine große Hilfe gewesen, denn es verfügte über ein paar wirklich erstaunliche Fähigkeiten. Dazu gehörte sein plötzliches Erscheinen wie aus dem Nichts, wenn man seiner Hilfe bedurfte.

      Der Gedanke an das magische Schwert ließ Tom inständig hoffen, bald wieder nach Elderwelt zurückzukehren. Seiner Meinung nach war das überfällig.

      Ihr Besucher stellte sich als Danny Darrow vor und mochte etwa fünfundzwanzig Jahre alt sein. Tom musterte ihn. Er war von durchschnittlicher Größe, braun gebrannt und durchtrainiert, das dunkle Haar mit Gel in Form gebracht. Seine Klamotten – lauter cooles Zeug – stammten aus den besten Läden Londons. Tom mochte ihn jetzt schon. Sofort bat er ihn ins Haus und führte ihn ins Wohnzimmer.

      Ganz wie erwartet lümmelte Veyron im

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