Mo Morris und die Anti-CO2-Maschine. Benedict Dana
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„Donovan besitzt eines der größten Grundstücke hier. Es liegt etwas abseits in einem unbesiedelten Inselgebiet. Wenn wir da vorne abbiegen, dürfte es nicht mehr weit sein“, erklärte Mo mit einer Geste zu einem vor ihnen abzweigenden Kiesweg, der von der geteerten Straße wegführte und sich in einer unberührten Landschaft verlor. „Er soll übrigens mehr als nur ein einfacher Naturliebhaber sein. Nachdem er sich aus seinen früheren Geschäften zurückgezogen hatte, entwickelte er einen sehr speziellen, naturverbundenen Lebensstil. Er verfolgt eine Art ganzheitlichen Ansatz, der alle persönlichen Lebensbereiche wie Ernährung, Kleidung, Architektur und so weiter umfasst. Angeblich ist er dabei auch durch alle möglichen esoterischen Philosophien inspiriert. Wenn man diversen Quellen glauben darf, übt die ländliche Lebeweise seiner irischen Vorfahren den größten Einfluss auf ihn aus. Sein privates Leben soll im krassen Gegensatz zu seiner Tätigkeit als Entwickler und Finanzier von hochmodernen Geoengineering-Anlagen stehen. Er selbst liebt das einfache, natürliche Leben, während er einen großen Teil seines Vermögens in hochkomplexe Zukunftstechnologie investiert. Er scheint seine Interessen auf besondere Weise zwischen der reinen Natur und der modernen Technik auszubalancieren.“
Er hatte damit etwas sehr Wesentliches über Donovan gesagt und konnte zu diesem Zeitpunkt selber noch nicht ahnen, was unter „einfaches, natürliches Leben“ genau zu fassen war und wie weit und radikal Donovan einen ganz bestimmten Weg gegangen war. Obwohl es ein Weg war, auf dem es für Andere eine Vielzahl von äußerlich wahrnehmbaren Hinweisen auf eine ganz bestimmte Geisteshaltung gab, war es selbst für Donovans engste Vertraute kaum möglich, diese Haltung im Kern klar zu benennen. Sie musste sich für viele als das Mysterium eines Mannes erweisen, in dem die scheinbar unvereinbaren Züge eines progressiven amerikanischen Erfolgsmenschen, eines irischen, katholischen Traditionalisten und eines von allerlei esoterischen Ideen geprägten, modern-westlichen „Spirituellen“ die Türen zu einem seltenen und nur sehr schwer zu ergründenden Charakterspektrum aufgeschlossen hatten. Hätte man etwa versucht, dieses Spektrum durch Farben zu visualisieren, so hätte es vielleicht die Form eines bunt schillernden Gebildes aus sehr vielen verschiedenen, untrennbar ineinander übergehenden Farbtönen angenommen, die mit einer besonderen Energie auf irgendeine andere, höhere geistige Dimension verwiesen. Donovan war jemand, der ein ausgeprägtes geistiges Leben besaß, so viel war schon jetzt sicher, noch ohne auch nur ein persönliches Wort mit ihm gesprochen zu haben.
Sie waren erstaunt keinen Weg zu finden, der breit genug für einen Wagen gewesen wäre, und so blieb für sie der sich durch das prächtige Küstenbuschland schlängelnde Kiespfad der einzige Zugang zu dem Anwesen. Die offene, unbebaute Landschaft wurde erst in einigen hundert Yards Entfernung durch die stolzen Silhouetten außergewöhnlich großer, zum Teil historischer, im neu-englischen Kolonialstil errichteter Villengebäude begrenzt. Sie erreichten einen verwitterten Holzsprossenzaun, der sich ein Stück am Rand des Weges entlang zog und schützend ein kleines, blühendes Lavendelfeld umschloss. In dem Feld zirpten die Grillen und summten die Bienen und als sie kurz darauf in einen Hain aus geduckten Rotdornbäumen eintraten, sahen sie in dessen Wipfeln ein paar Silbermöwen sitzen, die bei ihrem Erscheinen ein lautes Geschrei anstimmten. Es klang wie ein Willkommensgruß aus einer anderen, mystischen Welt und war so laut, dass ihre Ankunft kaum noch unbemerkt geblieben sein konnte. Der Hain schloss in seinem Inneren eine Lichtung mit zwei kleinen Süßwassertümpeln und hohen Schilfgräsern ein, auf der einige Möwen- und Seevögelarten ein Brutgebiet hatten. Der Weg hielt den größtmöglichen Abstand zu den Vögeln und den Gewässern ein und mündete hinter einigen weiteren, knorrig gewachsenen Rotdornbäumen auf ein ansteigendes Grasland, auf dem eine Vielzahl von seltenen, in dem milden ozeanischen Klima prächtig gedeihenden Blumen und Pflanzen in Blüte stand.
Als sie eine kleine Anhöhe erreichten, trafen sie auf sieben wuchtige, im Kreis stehende Monolithen, die von Distel-, Farn- und Heidegewächsen wild umwuchert wurden und der gesamten Umgebung eine archaische und magische Stimmung verliehen. Dann wurden sie plötzlich durch ein lautes Geblöke aufgeschreckt, das von einer Gruppe dickfelliger, in einem Gatter grasender Schafe stammte.
Der Kiesweg verzweigte sich und nachdem sie das Monolithenfeld und das etwas abseits liegende, sich hinter ein paar Schwarzkirschbäumen versteckende Schafgatter hinter sich gelassen hatten, sahen sie am Ende einer großen, sich wellenförmig durch das Grasland schlängelnden Lorbeerhecke zum ersten Mal etwas, was wie ein Gebäude aussah. Es erwies sich als ein alter, halb verfallener Schuppen, der durch seine dicken, aus massiven Felsquadern bestehenden Mauern und sein Holzschindeldach einen historisch wirkenden Charakter besaß. Eine aus großen, unbehauenen Natursteinen lose zusammengefügte Mauer trennte hinter dem Schuppen den bewohnten Teil des Areals von dem freien Naturland ab. Sie gelangten durch ein schief in den Angeln hängendes Holztor auf einen Sandweg, der um eine hohe Buchenhecke herumführte und dahinter plötzlich einen unbeschränkten Blick auf das Hauptgebäude des Anwesens freigab.
Bei dem Anblick des länglichen, einstöckigen Steinquadergebäudes, das sich in unregelmäßigen und schiefen Formen einen von hohen Gräsern und Wildblumen überwucherten Hang hoch zog, blieben sie vor Erstaunen stehen und fühlten sich endgültig in eine andere Welt versetzt. Das Sommerdomizil des milliardenschweren Ronan Donovan sah wie das einfache Wohnhaus eines irischen Schafbauern aus und wirkte nur deshalb um einiges anspruchsvoller und moderner, weil hinter ihm eine große Solaranlage sowie eine mächtige Satellitenschüssel inmitten verwilderter Brombeersträucher aufragten. Es konnte keinen zweiten Ort wie diesen auf Block Island geben und fast meinten sie, sich nicht mehr auf dem Boden der USA, sondern auf dem eines autarken Natur- und Märchenlandes zu befinden, auf dem ganz eigene, ihnen unbekannte Gesetze galten.
Sie konnten förmlich spüren, wie von den sich hebenden und senkenden Konturen des mit schweren Schieferplatten gedeckten Daches und dem urigen Gemäuer mit seinen ungeformten, natürlichen Felssteinen und seinen zahlreichen länglichen Holzsprossenfenstern eine besondere, sich mit der umliegenden Natur verbindende Energie ausging. Sie hörten aus der Ferne das aufgeregte Bellen eines Hundes und nahmen es zum Signal, das letzte Stück des Weges zurückzulegen und durch den schmalen Spalt, den eine niedrige Rosenhecke offen ließ, den inneren Teil des Grundstückes zu betreten. Sie gingen durch einen großen Kräutergarten auf die offen stehende, zweiflügelige Eingangstür zu und wurden genau bei ihrem Erreichen von einer jungen, sportlich wirkenden Frau in Empfang genommen, die mit einem freundlichen Lächeln die Stufen einer breiten, ausgetretenen Steintreppe zu ihnen hinunter sprang.
Mo wusste sofort, dass es sich um die 30jährige Una Donovan handeln musste, Donovans einzige Tochter, deren Mutter seine zweite Ehefrau Susan war. Sie war diejenige, die im Auftrag ihres Vaters den Kontakt zu ihm hergestellt und ihn auf das Inselanwesen eingeladen hatte. Sie hatte ihre langen schwarzen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und steckte in einer einfachen, etwas schmutzig wirkenden, zerfransten Jeans, ein paar ausgetretenen Zehensandalen und einem naturfarbenen Wollpullover, der wie selbst gestrickt aussah. Eine lange Narbe, die sich durch ihre rechte Gesichtshälfte zog, schien ihr hübsches, jung und mädchenhaft wirkendes Gesicht nicht zu verunstalten, ja ihm sogar einen besonderen Reiz zu verleihen. Mo wusste durch seine Internetrecherchen, dass sie zu gefährlichen Sportarten und Abenteuern neigte und sich die Narbe bei einem Skiunfall in den Rocky Mountains zugezogen hatte.
Una musterte amüsiert die korrekte Kleidung der beiden Besucher, die bei Mary aus einem Blazer und bei Mo aus einem Sakko bestand, und lud sie unter ein paar kurzen Begrüßungsfloskeln ein, ihr auf eine Terrasse zu folgen. Diese befand sich linkerhand vor dem Haus, war mit schroffen, teilweise zersprungenen Schieferplatten ausgelegt und wurde von einem Holzspalier umschlossen, um das sich verschiedene wilde Rosengewächse rankten.
„Dr. Kelly und Dr. Morris also… Mein Vater erwartet Sie bereits und wird gleich kommen. Dass inzwischen bereits die Detektive Doktorentitel tragen, ist ja fast schon ein wenig lächerlich und zeigt, in was für einer überkandidelten Welt wir leben. Ich habe das College mit 25 Jahren geschmissen und meinen eigenen Internetblog aufgemacht. Ich halte nicht viel von Wissenschaft. Es sieht so aus, als könnte man durch sie alles