Die letzte Seele. Lars Burkart

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Die letzte Seele - Lars Burkart

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Frage konnte er sich selbst beantworten: Bestimmt hatte er mal wieder vergessen, die Gartentür abzuschließen. Ein leichtsinniger Fehler bei dem Gesindel, was sich da draußen herumtrieb.

      Kurze Zeit später waren sie im Wohnzimmer: einer in der einen Ecke, der andere in der anderen. Jeder hielt ein Handtuch, mit dem er sich trocken zu rubbeln versuchte.

      „Bist du sicher, dass du keine frischen Klamotten von mir willst? Wir haben so ziemlich die gleiche Größe.“

      „Nee, nee, lass mal.“

      „Na schön, wie du willst.“ Paul hob die Hände. „Aber wenn du mit einer Lungenentzündung flach liegst, vergiss nicht, ich hab dich gewarnt!“

      „Ja, ja, Einwand zur Kenntnis genommen. Ach, übrigens, bevor ich es vergesse: Hat dir der Schnaps, den du aus meiner Hausbar entführt hast, wenigstens geschmeckt?“

      Einen Moment lang wusste Paul nicht, wovon die Rede war. Das lag so weit in der Vergangenheit, dass es schon fast ein anderes Leben war.

      „Das war mein bester Stoff, nur damit du es weißt! Sauteuer das Zeug, das kann ich dir sagen. Du hättest wenigstens einen Zettel hinlegen können.“

      „Na ja, ich hatte halt Durst.“

      „Ach was, der gnädige Herr hatte also Durst? Beklaust du da immer deine Freunde?“

      „Jetzt halt aber mal die Luft an! Ich bezahl dir ja deinen Scheiß.“ Paul war außer sich. Doch kaum war der Satz gesprochen, war er auch schon wieder vergessen. Anscheinend wollte Jerome genau das hören, denn auch er beruhigte sich bereits.

      Eine seltsame Stille herrschte. Die einzigen Geräusche waren Jeromes Schritte, der ruhelos durchs Zimmer lief und sich die Haare abtrocknete. Paul sah ihm amüsiert zu. Er lief mit weit ausladenden Schritten, und Paul musste an einen General denken, der die Front seiner Truppen abläuft und Parolen brüllt.

      „Okay, was führt dich her? Irre ich mich, oder bist du nicht nur hergekommen, um nett mit mir zu plaudern? Raus mit der Sprache!“ Er sah Jerome fest in die Augen.

      „Ja … also … nun, weißt du …“ Offensichtlich waren ihm die richtigen Worte entfallen.

      „Drück dich bitte ein wenig verständlicher aus.“

      „Nun ja, … äh … ich …“

      „Ja, ja: Ich weiß schon. Das sagtest du bereits. Aber was ist nun mit dir? Wo drückt denn der Schuh?“

      Diesmal war es an Jerome, „Hä?“ zu sagen. Offenbar war er nicht nur unfähig, in ganzen Sätzen zu sprechen, sondern zu allem Überfluss stand er auch noch mit beiden Beinen fest auf der Leitung. „Was denn für ’n Schuh?“

      „Oh Mann. Vergiss es! Bist heut nicht auf dem Damm, was?“

      „Sie hatte … sie hatte einen Unfall“, platzte es endlich aus Jerome heraus.

      Pauls Miene wurde schlagartig ernst. Jegliche Fröhlichkeit war aus ihr gewichen. Ein Unfall? Unmöglich, ging es ihm durch den Kopf. Patrizia fuhr immer vorbildlich. Sie setzte sogar den Blinker, wenn sie in die Garage fuhr. Ihr musste jemand reingerauscht sein …

      „Wenn ich das geahnt hätte! Sorry. Wie geht es ihr? Geht es ihr gut?“ Paul war erschüttert. „Bestell ihr liebe Grüße und gute Besserung von mir, ja?“

      „Mit Patrizia ist alles in bester Ordnung. Ich spreche von Jeannine.“

      „Was …?“

      „Einen Motorradunfall. Es ist …“

      „Stopp mal, ja? Du verarscht mich! Wie kann sie mit einem Motorrad einen Unfall bauen, wenn sie gar keinen Führerschein dafür hat? Erklär mir das mal!“

      Während er das sagte, rannen ihm bereits Tränen die Wangen hinunter. Seine Frau hatte einen Unfall. Schon bei diesem Gedanken begann er am ganzen Körper zu zittern. Sein Magen krampfte sich zusammen und fühlte sich an, als hätte er glühende Kohlen geschluckt. Seine Knie knickten ein, und er sackte nach hinten weg. Zum Glück stand dort ein Sessel. Reglos blieb er sitzen, während seine Gesichtsfarbe ins Aschgraue überging. Ihm war plötzlich speiübel, und am liebsten hätte er sich die Gedärme aus dem Leib gekotzt.

      „Wie … wie ist das passiert?“

      „Man weiß noch nichts Genaues. Nur so viel ist sicher: Sie hat wahnsinniges Schwein gehabt. Das Motorrad …“

      „Ich verstehe das nicht! Wie konnte das nur passieren?“ Pauls Stimme bebte.

      „Es ist eben geschehen. Ein unachtsamer Augenblick, und …“

      „Nein, das meine ich nicht! Wie kommt sie bitteschön zu einem Motorrad? Das kapier ich nicht, beim besten Willen nicht!“ Hilfesuchend und mit tränenüberfluteten Augen sah er Jerome an.

      Jerome wich seinem Blick aus. Dieser Bastard wich einfach seinem Blick aus und setzte an einer anderen Stelle wieder an.

      „Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Sie hat keine ernsthaften Verletzungen davongetragen. Ein paar Prellungen, jede Menge Hautabschürfungen und reichlich blaue Flecken und einen abgebrochenen Fingernagel, hat sie gesagt.“

      „Hat sie dir gesagt?“

      „Nein, verdammt, sie hat Patrizia angerufen!“

      Vor Überraschung klappte Paul die Kinnlade runter und er vergaß glatt zu fragen, wie zum Teufel sie auf ein Motorrad kam. Das musste er erstmal verdauen. Sie hat Patrizia angerufen. Mann, das tat verdammt weh. Sicher, sie waren so gut wie getrennt. Aber sie waren es eben noch nicht ganz. Warum zum Kuckuck kann sie mich nicht selbst anrufen? Warum muss ich das von anderen erfahren? Und was ist mit den Kindern?

      „In welchem Krankenhaus liegt sie?“

      „Tut mir leid. Das darf ich dir nicht sagen.“

      „Was? Warum denn das nicht?“

      „Sie will es nicht. So einfach ist das.“

      „Ach, sie will es also nicht! Was will sie denn, wenn ich mal fragen darf?“

      „Langsam, langsam, Paul! Ich bin nur der Bote. Ich weiß ja, dass du verletzt bist. Ich kann das sehr gut nachempfinden …“

      „Das kannst du, ja?“

      „… Ich bin hier als dein Freund …“

      „Soll ich lachen?“

      „… und als ein solcher spreche ich zu dir …“

      „Verpiss dich!“

      „Ich soll dir von ihr ausrichten, dass die Kinder bereits auf den Weg nach Australien sind. Und bis auf weiteres bei den Großeltern bleiben.“

      Jeannines Eltern waren vor ein paar Jahren nach Australien ausgewandert. Gleich nachdem sie in den Ruhestand gegangen waren. Irgendwo inmitten der Pampa, wie er immer treffend bemerkt hatte. Mehr als dreihundert Meilen von der nächstgrößeren Stadt entfernt. Und dort wollte sie allen Ernstes die Kinder lassen?

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