Die letzte Seele. Lars Burkart

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Die letzte Seele - Lars Burkart

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Leichenbittermiene aufgesetzt, die er zustande brachte. Dass sie ihm die Kinder weggenommen hatte, war ihr nicht genug, nein, sie wollte sie auch lieber den Eltern übergeben als ihm, ihrem Vater! Was war er denn? Ein Stück Dreck, das man einfach vom Schuh wischen konnte? Ja, er hatte viele Fehler während seiner Ehe gemacht, das war ihm jetzt klar. Aber er hatte den Kindern nie etwas Böses getan. Er hatte sie geliebt, mehr als …

      Paul stotterte: „Ins Flugzeug … nach Australien … zu den Großeltern?“

      Jerome wollte etwas erwidern, aber was er auch sagte, es würde falsch sein.

      „Tut mir leid, dass du es von mir erfahren musstest. Anscheinend will sie keinen Kontakt mehr zu dir.“

      „Das habe ich erwartet, und ich muss zugeben, dass es mir vollkommen egal ist.“ Erstaunlicherweise stimmte das sogar. „Was schmerzt, ist, dass sie Benny und Stefanie die Strapazen einer solchen Reise zumutet! Und dann auch noch allein! Gottverdammt, sie benimmt sich gerade so, als müssten sie vor mir beschützt werden! Als würde ich ihnen was Böses wollen!“

      „Das bildest du dir nur ein.“ Bestimmt ein gutgemeinter Einwand, aber er trieb Paul nur noch mehr auf die Palme.

      „Schwachsinn! Von wegen, ich bilde mir das nur ein! Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock, was hier gespielt wird! Sie will, dass die Kinder sich von mir abwenden, dass sie sich von ihrem eigenen Vater abwenden! Ich hätte nie gedacht, dass sie zu so was fähig ist. Ich liebe meine Kinder. Ich liebe sie über alles. Ich habe sie nie missbraucht, nie geschlagen oder sonst was mit ihnen angestellt. Ich hab sie immer gut behandelt und war ihnen immer ein guter Vater. Das ist pure Rache, das weiß ich! Sie weiß, wie weh mir das tut, wie ich an den beiden hänge und jetzt versucht sie, sie mir zu entfremden. Dieses Aas! Dieses verdammte, hinterfotzige Aas!“

      „Sachte, sachte! Nun beruhige dich doch erstmal!“ Jerome wollte beschwichtigend auf ihn zugehen, doch noch ehe er einen Schritt machen konnte, bellte Paul wieder los.

      „Wie soll ich mich da beruhigen, hä? Du hast gut reden! Deine Kinder sollen ja nicht ans andere Ende der Welt!“ Paul sprang vom Sessel. Er hatte eine Wut im Bauch, als könnte er explodieren. In seinen Mundwinkeln sammelte sich Schaum wie bei einem tollwütigen Hund. Mit voller Wucht trat er gegen den Fernseher, bis die Bildröhre implodierte. Er war so in Rage, dass er davon nichts bemerkte. Wie konnte sie das nur tun? Wie konnte sie ihm das antun? In seiner Wut zertrümmerte er nicht nur den Fernseher, sondern auch die Stereoanlage, die er erst vor kurzem mühevoll wieder aufgerichtet hatte.

      Allmählich bekam Jerome es mit der Angst zu tun. Er hatte Paul noch nie so gesehen. Besorgt fragte er sich, ob er alles hier drinnen demolieren würde. Obwohl sein Verhalten ihm unheimlich war, verstand er ihn. Auf irgendeine Art verstand er ihn sogar gut. Wahrscheinlich lag das daran, dass er genauso reagiert hätte, wäre er an seiner Stelle gewesen.

      Schließlich legte Jerome sein Unbehagen ab und näherte sich ihm. Er sah, dass Paul Tränen in den Augen standen und er am ganzen Körper zitterte. Vorsichtig legte er die Hand auf seine Schulter. Auch sie zitterte. Offenbar fürchtete er einen tätlichen Angriff. Und das lag durchaus im Bereich des Möglichen, schließlich waren schon aus weit weniger gewichtigen Gründen Schlägereien entstanden.

      Paul beäugte alles argwöhnisch, ließ es aber ohne Gegenwehr geschehen. Er war sich noch immer nicht sicher, was er von alledem halten sollte. Noch vor wenigen Sekunden war er wie ein junger Hund ausgelassen durch den Garten getobt, hatte sich wie eine Wildsau im Dreck gesuhlt, und nur Augenblicke später, war er wieder am Boden zerstört. Schluchzend ließ er sich fallen und flennte wild drauflos.

      Jerome fühlte sich immer unwohler. Was sollte er tun? Ihn trösten? Oder ihn einfach weinen lassen? Vielleicht war es besser, wenn die Tränen ungehindert flossen. Manchmal gab es Tränen, die geweint werden mussten.

      Er lief zur Hausbar, mixte eine Bloody Mary und überreichte sie Paul. Das wird ihn beruhigen, dachte er. Zu seiner Verwunderung schnupperte Paul nur daran, verzog angewidert das Gesicht und schüttete es über die Schulter.

      „He, was soll das denn? Bist du verrückt? Das Zeug wird dir guttun!“

      „Das halt ich für ‘n Gerücht. Das macht alles nur noch schlimmer, glaub mir.“

      „Na schön, wie du meinst. Du musst es ja wissen.“ Mit diesen Worten ging er zurück zur Bar und mixte sich selbst einen Drink. Er brauchte dringend etwas Starkes, Hochprozentiges. Jerome nippte vorsichtig an seinem Glas und ließ sich in sicherem Abstand auf einem Sessel nieder.

      Paul saß auf dem Boden, hatte die Knie an die Brust gedrückt und starrte ins Leere. Er sah aus wie ein Häufchen Elend.

      „Eine rauchen?“ Jerome sprach langsam und deutlich und rechnete nicht mit einer Antwort. Umso überraschter war er, dass Paul reagierte.

      „Was?“

      „Wollte nur wissen, ob du eine rauchen willst. Meine Lunge pfeift wie ein Schwarm Spatzen vom Dach. Und was tut man da? Man smokt eine.“

      Paul begriff noch immer nicht. Er strahlt die Intelligenz eines Hammers aus, wie er so dahockt, dachte Jerome und kämpfte gegen ein Grinsen an.

      Allmählich dämmerte es Paul, und ein dümmliches Grinsen wanderte über sein Gesicht. „Ob ich eine Zigarette will, hast du gefragt, stimmt’s?“ Er schien von dieser Erkenntnis hellauf begeistert zu sein.

      Oh Mann, Paul war heute echt nicht der Schnellste! Jerome ließ sich nichts anmerken und warf ihm wortlos die Schachtel mitsamt Feuerzeug hin.

      Ein paar Minuten lang saßen sie schweigend da, zogen an den Kippen und sahen einander unschlüssig an. Keiner hatte eine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Und noch immer fiel der Regen in Fäden vom Himmel, rann an den Scheiben, perlte an den Blättern ab und tropfte zu Boden. Er schien sogar noch stärker geworden zu sein. Allerdings war Paul die Lust vergangen, in ihm herumzutollen. Abrupt stand er auf, sah Jerome in die Augen und fragte noch einmal, diesmal mit energischer Stimme: „In welchem Krankenhaus?“

      „Ich hab dir schon gesagt, dass ich es dir nicht sagen darf.“

      Paul gab sich damit keineswegs zufrieden. Er schnippte die Kippe auf den Teppich, beobachtete amüsiert, wie sie ein Loch hineinbrannte und trat sie widerwillig tot. Am liebsten wäre ihm gewesen, wenn der verdammte Scheißteppich mitsamt der ganzen Bude in Flammen aufgegangen wäre. Festen Schrittes näherte er sich Jerome.

      „Hör zu, du Scheißkerl …“

      „Aber, aber. Ich muss doch sehr bitten!“ Jerome war entrüstet über den verbalen Ausbruch, wagte aber nicht, energischer zu protestieren. Pauls leerer Blick ängstigte ihn noch mehr als zuvor, und er hielt es für ratsam, nicht die große Klappe zu haben. Er merkte, dass er mehr und mehr in seinem Sessel versank. Mit jedem Schritt, den Paul näherkam, schrumpfte er ein paar Zentimeter. Er spürte es, aber er war außerstande, etwas dagegen zu tun. Auch Paul sah, wie er zu Schlumpfgröße mutierte. Der Anblick befriedigte ihn. Schließlich war er es gewesen, der den guten Tag in die Tonne getreten hatte. Er musste jemanden gehörig ans Bein pissen, und da Jerome nun einmal da war, musste er eben herhalten.

      „Hör zu, du Pisser!“

      Diesmal wagte Jerome es nicht, aufzumucken.

      „Was glaubst du eigentlich, was das hier werden soll, hä? Kommst einfach hierher und versaust mir einen wundervollen Tag! Erzählst mir, dass meine Frau einen Unfall hatte, aber nicht, in welcher Scheißklinik sie liegt. Erzählst mir, dass unsere gemeinsamen Kinder

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