Violet - Dunkelheit / Entfesselt - Buch 4-5. Sophie Lang
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Violet - Dunkelheit / Entfesselt - Buch 4-5 - Sophie Lang страница 5
„Wo sind wir?“
„Nach wie vor in der Forschungsstation.“
„Es ist schön hier.“ Fischer sieht mich an, als habe ich etwas Geheimes ausgesprochen. Etwas bewegt ihn, aber er spricht nicht, verrät mir nicht, was es ist, das seine Augen in traurige Ovale verwandelt.
„Wo bringst du mich hin?“
„Freija hör zu, es ist mir nicht gestattet mit dir…“, er stockt mitten im Satz.
„Mit einer Gefangenen zu sprechen?“, helfe ich ihm. Fischer nickt. „Das ist deine individuelle Entscheidung, ob du mit mir redest oder nicht.“
„Nein, das ist es leider nicht. Es schreibt das Protokoll vor.“
„Das Protokoll? Ist das nur ein weiterer Fetzen Papier?“
„Es sind Regeln, an die wir uns zu halten haben.“
„So wie die Sieben Gebote, nehme ich an?“
„Vergleichbar. Die Inhalte sind für Vollstrecker gemacht, aber im Kern sind es die gleichen Grundsätze.“
„Das heißt, du hast auch keine Familie? Ich meine, du kennst deine Familie nicht?“ Fischer schweigt und hält sich an das Protokoll, dessen Inhalt ich nicht kenne, aber ich spüre, dass ich einen empfindlichen Nerv getroffen habe. Wir haben gleich das Ende der Galerie erreicht, abrupt bleibt Fischer stehen.
„Ich werde den Moment nie vergessen, als ich dich zum ersten Mal sah. Deine Haare erinnern mich an das Haar meiner Tochter“, sagt er wie aus dem Nichts. Ich schaue ihn an, bin im Moment gerade sprachlos und dann öffnet sich die Tür, der wir uns die ganze Zeit schon genähert haben. Durch Stockwerke, Gänge, Korridore und zuletzt durch die lichterfüllte Galerie, in der Fischer nun doch mit mir Persönliches ausgetauscht hat. Gegen die manifestierten Regeln, gegen das Protokoll verstoßen hat.
„Du hast recht. Man hat immer eine Wahl. Das ist die Freiheit jedes Menschen“, sagt er leise, als wären wir geheime Verbündete.
„Jedes nicht programmierten Menschen“, flüstere ich, dann wende ich mich von Fischer ab, bin noch immer über die Vertrautheit, diese Wendung seines Verhaltens, seine Entscheidung verwirrt. Auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist, scheint es uns beiden dennoch viel zu bedeuten. Ich blicke zur geöffneten Tür und bin gespannt, was oder wer mich jetzt erwartet. Sie geht in diesem Moment ganz auf und ich sehe…
„Trish…?!“
Sie materialisiert sich dort in dem Durchgang zu dem unbekannten Raum und schaut mich mit nüchterner, verdrießlicher Miene an. Ich starre sie an wie ein erschrockenes Reh. Dann überkommt mich ein Gefühl, dass ich ihr jetzt sofort am liebsten um den Hals fallen würde, aber ich tue es nicht, weil ich spüre, dass ich es nicht vermag, ihre eisige undurchdringliche Ruhe anzukratzen. Trotzdem.
Sie sieht gut aus. Gesund und frisch.
Das braune Haar fällt ihr locker über die Schultern, das elegante, in Erdtönen gehaltene Kleid und die hochhackigen Schuhe stehen ihr unwahrscheinlich gut.
Sie gibt mir mit einem gastlichen Wink zu verstehen, dass ich eintreten darf. Ich folge ihrer Einladung.
Es werde Licht.
Der Raum besteht aus goldenen Sonnenstrahlen. Wir müssen uns an dem äußersten Winkel des Gebäudes befinden. Zwei in bernsteinfarbenes Licht getauchte Glaswände vom Boden bis zur Decke trennen mich von der Welt dort draußen. An der gegenüberliegenden Seite recken sich Regale mit tausend Büchern hoch bis zur Decke. Davor wurde ein unglaublich weißes Sofa perfekt, stilvoll im Raum platziert. Der Konferenztisch aus Kristallglas fällt kaum auf. Im Gegensatz zu dem vertrauten Menschen, der mir die Tür geöffnet hat. Ich kann es immer noch nicht fassen. Trish ist hier. Ich trete tiefer ein, aber Fischer kommt nicht mit.
„Trish? Was machst du denn hier?“, frage ich, während sie die Tür hinter mir schließt.
„Ich weiß, ihr kennt euch persönlich. Aber das war, bevor ich Trishtana zu meiner Assistentin ernannt habe und bevor ich von der Existenz dieses Buches erfahren habe“, sagt jemand, der sich mit Trish und mir in dem Lichtraum befindet und der ein kleines weißes Buch auf den riesigen Konferenztisch, quer durch den Raum schleudert.
Ich blicke in die Augen des Mannes, der keine zwei Meter vor mir steht. Sie sind blau. Blau wie das Meer, das ich durch die Scheiben des Helikopters gesehen habe, der mich in die Sektion 0 geflogen hatte.
Seine Augen scheinen sich in mein Inneres bohren zu wollen und ich halte seinem Blick nicht lange stand, lasse es zu. Es ist wie ein Kampf ohne Waffen, nur mit unseren Blicken, den ich verliere.
Vorerst.
Er lächelt mich an, aber es sind nur seine Mundwinkel, die sich zu einem Ausdruck gesellschaftlicher Freundlichkeit verformen. Seine Augen lachen nicht. Sind kalt und frostig und prüfen mich.
Ich lächle nicht, nehme mir stattdessen Zeit, ihn zu mustern. Er ist vierzig, vielleicht etwas älter, vielleicht auch jünger. Schwer zu sagen, denn es ist seine Ausstrahlung, die mir das verrät und nicht seine Haut, die kaum Falten trägt. Sein Gesicht ist kantig, hat die Form eines Raubvogels, seine Haare sind kurz geschnitten und blond, fast so wie meine.
Er ist so groß wie Adam und der maßgeschneiderte Anzug liegt perfekt an seinem schlanken Körper an. Die Ärmel hat er zurückgekrempelt, als wollte er körperlich arbeiten. Ich nehme Notiz von seinen muskulösen, drahtigen Unterarmen. Er ist hässlich, was nicht an seinem Äußeren als vielmehr an seiner Aura liegt. Der Raum in seiner unmittelbaren Nähe scheint das Licht zu verschlucken, sodass er noch finsterer und böser erscheint.
Als wäre er direkt aus der Hölle gestiegen. Ich habe eine Vermutung, wer er ist, auch wenn alles logische Denken in mir rebelliert, wie ein hysterisches Kind.
„Ich grüße dich, Freija. Ich habe die Käfigtür geöffnet und jetzt bist du endlich hier.“ Käfigtür? Der Ausdruck passt zu einer Bestie. Zu mir. Mein törichtes Herz beginnt wild zu klopfen. Ich sehe ihn das erste Mal und auch wenn ich ihn mir schon so oft vorgestellt habe, von ihm gehört habe, wage ich es nun kaum, zu ihm aufzublicken. Er jagt mir Angst ein.
„Glaubst du nicht, dass das gefährlich sein könnte, sich in meiner Nähe aufzuhalten?“, frage ich trotzdem, aber es klingt nach einem piepsenden Vögelchen. Ein Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen. Wieder ein unechtes Lächeln.
„Nein, du wirst mir nichts tun.“ Ich schweige, weil mein Herz so stark pocht, dass ich kein weiteres sinnvolles Wort heraus bekomme. Seine Augen scheinen mich auszuhorchen, mich zu durchschauen. Ich höre, wie Trish die Tür verriegelt und beobachte ihn, wie er sich nähert, an mir majestätisch vorbei schreitet, mir den verwundbaren Rücken zuwendet und sich dann an den Konferenztisch setzt.
Er fürchtet mich nicht oder er zeigt es mir nicht. Aber ich fürchte mich.
„Setz dich bitte neben mich“, sagt er und klopft auf den Stuhl neben sich. Er hat bitte gesagt? Aber es hört sich anders an als bei Fischer.
„Ich stehe lieber“, sage ich nervös.
„Das war eine Bitte, kein Befehl.“ Und es ist doch ein Befehl, denke ich.
Ich