Violet - Dunkelheit / Entfesselt - Buch 4-5. Sophie Lang
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„Asha“, purzeln die zwei Silben über meine Lippen. Trish zieht eine Augenbraue hoch. Der Oberste sieht mich verwundert an, dann spricht er weiter. Mist, denke ich, sie wissen nicht, dass ich es weiß. Dass ich Ashas Fähigkeiten kenne. Sie können nicht im Besitz von Jesses Flexscreen sein, denn sonst wüssten sie, dass Asha mit Bestien kommunizieren kann.
Aber wer hat es stattdessen? Fischer, überlege ich. Der Mann, der für die Sicherheit zuständig ist und die Röhren hat durchsuchen lassen, aus denen Hope, Neo, Adam und ich gekrochen kamen.
Ich folge wieder den Ausführungen des Obersten und wünsche mir, ich hätte keine Ohren, wäre taub für seine Ansichten der Dinge. Während er von der Herrschaft über die Erde spricht, blicke ich immer wieder zu Trish. Erkennt sie mich tatsächlich nicht wieder? Und kann sie das gut finden, was dieser kranke Geist neben mir von sich gibt?
Als sich unsere Blicke wieder treffen, lächle ich. Ein Versuch, die alten Zeiten zurückzuzaubern. Wir haben uns nie gut verstanden, fällt mir jetzt ein. Aber sie hat mich ans Ende der Liste bei der Prüfung gesetzt, als ich schwer verletzt war. Ich war ihr nicht gleichgültig. Ich weiß, sie wurde gelöscht, aber sie ist immer noch Trish.
Ich weiß nach dem Aufenthalt in Kristens Einrichtung nur zu gut, wie sich die Welten, die äußere und die innere anfühlen, wenn man gelöscht wurde. Aber ich weiß auch, dass ich einen freien Willen hatte. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als ich Adam an die Kehle gesprungen bin. Ich frage mich, wie ich einen Zugang zu ihr bekommen kann? Eine Tür aufstoßen kann, denn meine innere Stimme sagt mir, dass wir sie mehr brauchen als sie ahnt. Nun, vermutlich lächle ich genau aus diesem Grund und weil mir nichts Besseres einfällt. Trish lächelt aber leider nicht zurück. Sieht mich stattdessen nur weiterhin ununterbrochen kühl und forschend an. Ich könnte sie etwas fragen, aber ich will nicht, dass der Oberste das Vertrauen in seine Assistentin in Frage stellt. Sie kann uns allen helfen, wenn sie nur auf der richtigen Seite stehen würde.
„Du erinnerst dich, hast du gesagt. Du weißt also, dass Asha deine Schwester ist. Du liebst deine Schwester und ich will, dass du deine Schwester überzeugst, dass sie mir dient“, sagt der Oberste jetzt. „Ich habe Symbionten erschaffen und ihr beide seid die einzigen Überlebenden. Bis vor wenigen Tagen dachte ich, dass ihr keine Fähigkeiten entwickelt habt, dass ihr nichts wert seid. Bis Asha die Bestien kontrolliert hat. Das ist mehr wert als tausend Symbionten. Ich will, dass sie die Bestien für mich in den Krieg schickt und du wirst sie davon überzeugen, dass es richtig ist, das für mich zu tun.“
Ich bin taubstumm. Er weiß es doch.
„Freija, hör mir zu, ich werde dir keine zweite Chance geben zu kooperieren. Entweder bist du für oder gegen mich. Es gibt kein Dazwischen. Entweder identifizierst du dich mit mir, oder ich werde Adam und Hope und alle, die dir lieb sind, vernichten“, sagt er und ich bemerke, wie er zu Trish sieht. Sie nimmt davon keine Notiz. Ich schon.
„Ich habe die Lampe im Bad aus Versehen kaputt gemacht“, sage ich wieder.
„Was?“
„Die Lampe im Bad ist kaputt“, sage ich.
„Was erzählst du da für einen Schwachsinn?“
„Die Lampe muss repariert werden…“, flüstere ich.
„Ganz wie du meinst“, sagt der Oberste.
Ich befürchte, er wird die Lampe nicht reparieren.
Kapitel 4
Die Zeit, Stunden verbringe ich wie in Trance. Die Uhr, die ich nicht besitze, zehrt Minuten auf. Ich kann nicht sagen, wie viele Stunden später es sind, als mich Fischer aus meiner Zelle befreit. Als ich zerknirscht hinter ihm herhumple. Schwerfällig dem Mann folge, der kein Gesandter ist, aber der die Drohnen kommandiert, die mich und Hope fast getötet haben. Er ist der Sicherheitschef von Halo. Das ist der Gesandte, der diese Forschungseinrichtung kontrolliert. Und er ist der, der gegen das Protokoll verstoßen hat, weil er mit mir gesprochen hat.
Ich weiß nicht, wohin es geht, weiß nur, dass er mir etwas zeigen will. Ich denke an das Gespräch mit dem Obersten zurück und erwarte nichts Gutes.
Uns folgen schwer bewaffnete Vollstrecker. Ich hätte nicht die geringste Chance zu kämpfen oder zu fliehen, bestimmt auch nicht mit einem gesunden Bein, denn ich fühle mich schwächer, so als ob das Gespräch mit dem Obersten von meinen Energiereserven gezehrt hat. So als ob mich seine bloße Anwesenheit erschöpft hat.
Die Halle mit den Laboratorien, mein Zuhause, haben wir vor mehr als einer halben Stunde verlassen. Wir sind jetzt ein paar Sektorebenen nach unten, tiefer gefahren und folgen hier Gängen und Schächten, wo Wasser von der Decke tropft, in denen Rohre und Leitungen offen liegen. Durchqueren Hallen in unterirdischem Fels, auf Stegen und Brücken aus Metall, die alt und verrostet sind. Ein Wirrwarr aus verschachtelten Höhlen. Ein Labyrinth.
Das ist kein offizieller Weg, denke ich.
„Das ist keine Abkürzung“, sagt Fischer, als könnte er meine Gedanken gelesen. „Ich habe diesen Weg gewählt, weil er nicht überwacht wird. Hier werden wir nicht belauscht.“
Warum verrät er mir das? Kann ich ihm vertrauen? Keiner meiner Sinne schlägt Alarm. Fischer bleibt stehen, damit ich zu ihm aufschließen kann. Er trägt eine wattierte Weste, eine braune Cordhose und schwarze Stiefel. Hat den Anzug eines Geschäftsmannes abgelegt. Eine seltsame Wandlung? Sicherheitschefs können offensichtlich tragen, was sie wollen. Anders als Vollstrecker in ihren kitschigen roten Rüstungen.
Wir stehen auf einer wackeligen Brücke. Auf einem Metallgitter, das mir Blicke auf den 20 Meter entfernten, unter uns liegenden Boden ermöglicht, gerade so breit, dass wir nebeneinander Platz haben. Die Vollstrecker bleiben hinter uns zurück, die Waffen immer im Anschlag. Ich muss mich am Geländer festhalten, bin etwas außer Puste, vom langsamen Humpeln. Prima.
Mechanischer Lärm umgibt uns.
Diffuses, dumpfes, graues Licht.
Beides stammt von einer gewaltigen Maschine mit tausenden blinkender Lämpchen und Rohren und metallenen Aufbauten, Kesseln Platten, Leitern und Leitungen. An einigen Stellen ist sie triefnass. An anderen staubtrocken. Die Maschine sitzt wie ein gewaltiger Drache aus Metall in dieser, ich nenne es: Höhle. Sie speit Dampf und heiße Luft hier und da aus. Es fehlt nur das Feuer, dann wäre alles perfekt inszeniert.
Fischer spricht und ich habe Mühe ihn zu verstehen, weil die Maschine, der Drache zu laut atmet.
„Faszinierend, wozu Ingenieure in der Lage sind. Sie kann Wasser und Sauerstoff wiederaufbereiten. Ein Relikt aus der Zeit vor der Sektionierung. Eine Vorkehrung für den Fall, dass man lange unter der Erde verbringen muss.“
„Wozu sollte das nötig sein? Lange unter der Erde leben zu müssen?“, frage ich nach einer Sekunde heißer.
„Die Angst vor