Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke

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Der Weg nach Afrika - Helmut Lauschke

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Kriegsgerät, Dos Santos von der MPLA (Movimento Popular de Libertação de Angola) mit Öl und Savimbi von der UNITA (União Nacional da Independencia Total de Angola) mit Diamanten. Die Südafrikaner machen da ein gutes Geschäft, denn Savimbi zahlt reichlich mit seinen Diamanten, die dann billig an De Beers gelangen, der sie anhäuft und im richtigen Moment auf den Weltmarkt schmeisst und riesige Profite einsteckt." Das wusste Dr. Ferdinand bis dahin nicht, dass der Stellvertreterkrieg, wo sich das kapitalistisch-imperialistische und das marxistische Weltsystem auf afrikanischem Boden gegenüberstehen, ein einträgliches Geschäft für Südafrika war. "Wenn die in Pretoria nicht dem Rassenwahnsinn verfallen wären, dann wäre Südafrika eines der führenden Industrienationen der Welt. Das hat jedoch die weisse Querschädeligkeit durch das anachronistische Sackgassendenken in der Rassenpolitik und die historisch verankerte Wagenburgmentalität verhindert.

      Die Geschichte hat sie da stehengelassen, wo sie vor hundert Jahren schon standen, weil die burische Orthodoxie den Lauf der Welt nicht verstand." Soweit kannte sich Dr. Witthuhn in den burischen Hirnwindungen und Gedankenknoten aus, dass er eine pretorianische Psychoanalyse für überflüssig hielt. Dr. Ferdinand fragte ihn, wie er die nächsten Monate hier vor der angolanischen Grenze sehe. "Das weiss ich nicht, doch, wie gesagt, die Wühlmäuse sind bereits aktiv, und die Ratten untergraben die Grenze mit Kanälen, die selbst vor den Minen sicher sind, denn sie haben den Riecher für beides, das Geschäft und das Risiko. Diese Nager werden sich rasch vermehren und zur Plage werden, die die Moral bis auf den letzten Splint zernagen. Sie werden von den Decken und aus den Toiletten kommen, die Teppiche unterlaufen, sich in den Polstern der Sessel verstecken und dir in den Hintern beissen, wenn du darauf sitzt, und alles auf den Kopf stellen, was bis dahin noch einigermassen an seinem Platz war. Sie werden es russisch oder chinesisch machen, dass man sich ihrer nicht erwehren kann. Erst, wenn nichts mehr zu holen ist, dann werden sie die ersten sein, die das sinkende Schiff verlassen, weil sie mit den dicken Bäuchen den Boden, mag er noch so beschissen sein, lieber unter den Füssen haben als das Wasser am Hals." Es hatte etwas Infernalisches an sich, was Dr. Witthuhn da von sich gab, doch traute ihm Dr. Ferdinand die bessere Kenntnis zu. Der Burenkenner erhob sich schwerfällig aus dem Sessel und wünschte dem Erstaunten noch einen guten Abend, der ihn zum BMW begleitete, der für eine Wäsche überfällig war. "Es ist alles nicht so schlimm." Mit dieser typischen Bemerkung, die keinen Grund hatte, verabschiedete sich Dr. Witthuhn und fuhr mit dem bläkenden Geräusch eines Lochs im durchgebrannten Auspufftopf davon.

      Dr. Ferdinand machte sich eine Tasse Kaffee und rauchte eine Zigarette dazu. Es fiel ihm schwer, den Nachmittag mit dem Morgen zu verbinden und beides als den Ostersonntag in der Fremde zu begreifen. Er machte sich Notizen über das Fremdartige, als das Telefon klingelte, und Herr C. fragte, ob er seine Botschaft erhalten habe, worauf er die Osterwünsche an ihn und seine Familie erwiderte. Herr C. sprach noch stellvertretend für den Domini, als er den Glauben erwähnte, den jetzt jeder haben müsse, um die schwere Zeit, deren Zukunft keiner absehen könne, durchzustehn. Dr. Ferdinand bejahte den Glauben als eine gute Einrichtung, die allerdings unglaubhaft wird, wenn Menschen nach der Hautfarbe getrennt werden, wo das Hautpigment über die Qualität des Lebens entscheidet. Das wollte Herr C. anlässlich seines Osteranrufs eigentlich nicht hören, und so wurde das Telefonat mit einer Wiederholung der guten Wünsche abgekürzt und beendet. Dr. Ferdinand setzte sich an seinen Gartentisch zurück und versuchte sich zu sammeln, wobei ihm das Atmosphärische des Gottesdienstes am Morgen in der alten, finnischen Missionskirche durch das Gespräch mit Dr. Witthuhn am Nachmittag mit dem Diamantenzwischenfall aus den Fingern zu entgleiten schien. Er stellte die Frage auf das Papier: Wenn Ostern für alle Menschen ist, warum dann nicht auch das Leben? Mehr konnte er in diesem Moment nicht schreiben, nahm das Lineal und unterstrich diesen Fragesatz, indem er nachdenklich und millimeterweise mit Hilfe des Lineals Buchstabe für Buchstabe las, um einer Klärung näherzukommen, was ihm nicht gelingen wollte, weil er für solche Gegensätze keine Lösungsgleichung fand. Der erste Satzteil vor dem Komma hatte keine Brücke zum zweiten Satzteil hinter dem Komma, wo das Istzeichen hingehören sollte, weil da noch nie eine Brücke war. Das unterschied den Bruch der Kommunikation von der Brücke über das Flussrevier des Cuvelai, die da war, als sie weggesprengt wurde, und weil sie da und notwendig war, nach der Sprengung wieder aufgebaut wurde.

      Er zündete sich die Zigarette an und dachte noch eine Weile nach. Er erinnerte sich an den schwarzen Pastor, der ihm vor dem Auto vom guten Zusammenhalt seiner Gemeinde berichtete und es mit der schweren Zeit begründete, in der das Leben so ungewiss geworden war, wo der Krieg viele Familienmitglieder aus dem Leben gerissen hatte. Dann platzte der Mann mit dem verschlagenen Gesicht ins Wohnzimmer, der im holprigen Afrikaans Diamanten verscherbeln wollte, wo ihm erst hinterher durch Dr. Witthuhn dank seiner besseren Kenntnis burischer Hirnwindungen klar wurde, dass dieser Mann als Fallensteller agieren konnte. Schliesslich war der Anruf des Herrn C., der vom Glauben sprach, den man brauche, um die schwere Zeit durchzustehn. Für Dr. Ferdinand waren es drei Dinge an einem Tag, die er nicht zu einem Paket zusammenschnüren konnte und deshalb als drei getrennte Päckchen aufbewahrte. Es war ein Ostersonntag, den er so einsam noch nicht erlebt hatte, als es vom Nachmittag an an Geist und Liebe fehlte, um das Auferstehungsfest mit dem Prinzip der Hoffnung zu verbinden. Er fühlte sich verlassen und verloren, ihn plagte das Gefühl der Nutzlosigkeit. Dabei erinnerte er sich an die Worte Augustins, als er am Schluss seines Werkes 'De trinitate' von sich sagte, dass er versucht habe, mit der Vernunft zu schauen, was er glaubte, und dass er dazu nicht viele, aber die notwendigen Worte brauchte, weil er nicht in seinen Gedanken, wohl aber mit seinem Munde schwieg. Er klagte die Gedanken der Menschen der Eitelkeit an, wie es andere christliche Denker auch taten. Dr. Ferdinand zog sich die Sandalen an und machte einen Spaziergang, der, wie das letzte Mal, an den Militärcamps entlangführte. Eine Kolonne von fünf 'Elands' mit den langen Rohren verliess das erste Camp, um ihre abendliche Patrouille zu fahren. Er ging weiter bis ans Ende des Dorfes, wo der Stacheldrahtzaun den Weg sperrte, und ein aufgestelltes Schild vor Minen warnte. Diesmal traf er keine Menschen dort, die sich die Beine vertraten, weil sie Ostern mit ihren Familien und Freunden verlebten, wo würzige Rauchwolken vom Braten der Steaks und 'Boerewors' (Bauernwurst) aus zahlreichen Vorgärten aufstiegen, und eine rege Geselligkeit zu hören war, wo das grosse Ereignis mit Bier und Wein begossen wurde.

      Diese Art der Geselligkeit konnte er sich bei den Menschen, die aus dem Herzen in der Missionskirche sangen und die Predigt mit Andacht verfolgten, nicht vorstellen. Dort mochte es auch ein Festessen geben, das gegen die zu verzehrenden Fleischmengen der Buren sich sicherlich kümmerlich ausnahm. Aber an Alkohol wollte Dr. Ferdinand bei diesen Menschen nicht denken, dafür war den Menschen der schwarzen Haut der Tag zu heilig, als dass sie ihn auf weisse Art betränken, wofür ihnen das Wasser gut war, das sie von weither holten. Die Vögel zwitscherten ihm aus den Bäumen zu, und dafür war er ihnen dankbar. So blieb er einige Male stehn, um sie länger singen zu hören, was ihm das Orgelkonzert zu Ostern in der Heimat ersetzte. Die Vielstimmigkeit erinnerte ihn an die Polyphonie, die ihm hier auf die natürlichste und bestimmteste Weise zugezwitschert wurde, was musikalisch stimmte und motivisch so reizvoll war, dass Claude Debussy daraus ein quicklebendiges Zwitscherstück fürs Klavier gemacht hätte. Die heiteren, österlichen Stimmen verstummten, als er sich dem zweiten Camp mit den gegenüberliegenden Villen des Brigadiers und seines Nachbarn, dem weissen Sekretär der Bantu-Administration, näherte, weil es aus deren Gärten noch stärker und fleischiger heraus qualmte, und die Geselligkeit der Lautstärke nach schon fortgeschritten war, als aus diesem, durch einen hohen, langgezogenen Sandhügel verdeckten Camp eine Dreierkolonne dreiachsiger 'Ratels' sich auf den Weg dorfauswärts machte, um den weissen Sicherungsauftrag zu erfüllen und die lustigen Gesellschaften beim Verzehr des frisch gebratenen Fleisches mit salatigem Zubehör und dem zunehmenden Alkoholgenuss vor unerwünschten Überraschungen zu schonen.

      So nahm der Sonntagabend seinen Lauf, und die Sterne leuchteten am Himmel auf, als Dr. Ferdinand die Wohnstelle erreichte, einen Blick auf seinen Käfer warf, die Sandalen in der Veranda abstreifte, das Licht im Wohnzimmer anknipste, zur Küche ging, drei Schreiben vom geschmacklosen Brot schnitt, sie mit Margarine bestrich und mit einer Wurstscheibe belegte, den Teebeutel in der Kaffeetasse mit heissem Wasser übergoss und die Sachen auf den niedrigen Tisch vorm Sessel im Wohnraum stellte. Mit dem Abendbrot wollte Dr. Ferdinand den Ostersonntag beenden und danach

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