Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke

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Der Weg nach Afrika - Helmut Lauschke

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ein, dass er sich über eine Blauverfärbung und Schwellung über den oberen Sprunggelenken nicht wundern sollte. Er hielt es sich vor, dass so etwas passiert, wenn man nicht alle Gedanken beisammen hat, und warf sich vor, dass das ja nicht das erste Mal war. Als würde sich im Computer etwas ‘verknoten’, was trotz der hochentwickelten Halbleitertechnik mit den zusammengesetzten Denkchips nicht zu lösen war, weil es an der rechten, elektronischen Steuerung fehlte, den Denkprozess in die richtige Richtung zu lenken und mit den Denksteinen das Gebäude am richtigen Platz zu errichten. Er legte sich der Füsse wegen ins Bett, weil ihm die Fussgelenke zunehmend schmerzten, und er eine leichte Schwellung über dem linken Fussgelenk mit der beginnenden Verfärbung der Haut über dem Aussenknöchel zu sehen glaubte. Da er sich vor den Mücken nicht sicher fühlte, zog er die Decke bis unters Kinn, auch wenn in diesem Augenblick keine vor seiner Nase herumtanzte oder hörbar im Raum herumschwirrte.

      Dr. Ferdinand war eingeschlafen, als gegen fünf das Telefon läutete, er aus dem Bett sprang und beim Abnehmen des Hörers zunächst an einen Kaiserschnitt, dann an irgend etwas Chirurgisches, aber nicht an Dr. Lizette dachte, die ihn zum Abendessen in ihr Haus einlud. Ihre Stimme war weich, doch nicht ohne Bestimmtheit, und beides gefiel ihm an ihr. Er sagte ihr zu mit der Bemerkung, dass er auf Dienst sei, worauf sie den Optimismus herauskehrte und sagte, dass es im Hospital ruhig bleiben wird, und sie sich einen schönen Abend verspricht, weil auch ihr Mann sich freute und ihn kennenlernen wolle. Er bedankte sich für die Einladung, liess sich Strasse und Haus beschreiben und legte gedanklich geordnet den Hörer auf. Das war ein freundlicher Anstoss aus einer persönlichen Richtung, und Dr. Ferdinand freute sich darüber, weil es ihn aus dem ewigen Alleinsein riss, das ihm kräftig auf die Nerven ging. Er stieg unter die Brause und fühlte sich beim Abtrocknen so frisch und motiviert, dass er sich für ein kleines Gedicht stark genug fühlte, in dem er sagen wollte, dass es sich lohnt zu leben, weil es im Leben auch schöne Dinge gibt, die einen Menschen überraschen, der an vieles denkt, aber nicht an alles, der viel gewohnt ist, was längst noch nicht alles ist.

      Er hatte sich das Blatt auf der Pappe zurechtgelegt und wollte in diesem Sinne ein paar Zeilen schreiben, als das Telefon läutete, und die Schwester von einer siebzehnjährigen Kreissenden sprach, die ihr erstes Kind nicht auf natürlichem Wege zur Welt bringen kann, weil sich der Föt nicht aus der Querlage in die gewünschte Kopftieflage drehen lässt. Mit der Einladung von Dr. Lizette zum Abendessen im Hinterkopf, wo sich ihr rausgekehrter Optimismus als Trugschluss herausstellte, wies er die Schwester an, Dr. Nestor, der die Narkose machen musste, und die Schwestern im 'theatre' vom Notfall in Kenntnis zu setzen und die Patientin unverzüglich zum Op zu bringen, da er sich auf den Weg zum Hospital mache. Er hatte das weisse Hemd mit den langen Ärmeln und die dunkle Hose, seine Sonntagskleidung, angezogen, als er sich in den VW-Käfer setzte und den Weg in drei Minuten zurücklegte, da die Wachhabenden an der Sperrschranke des Dorfausgangs ihn kannten und diesmal von der offiziellen Anweisung der Autokontrolle absahen. Er stellte das Auto mit Beginn der Dämmerung vor den beiden Fenstern der Schmalseite der Intensivstation ab, sah zu den Menschen vor der Rezeption hinüber, die dabei waren, ihr Nachtlager mit Pappen und Decken auf dem Betonboden vorzubereiten, eilte schnurstracks zum Op-Haus, hängte die Sonntagskleidung an den Haken im Umkleideraum und stand grün gekleidet im Korridor, als die Patientin aus dem Entbindungssaal gebracht wurde, die vor Schmerzen stöhnte. Dr. Ferdinand half beim Umlegen der Patientin auf die 'theatre'-Trage und dann im 'theatre l' beim Umlegen von der Trage auf den Op-Tisch. Die Narkoseschwester traf die Vorbereitungen auf dem Narkosetisch, während sich die Op-Schwester nach dem Abtrocknen der Hände in den grünen Kittel helfen liess. Dr. Nestor eilte in den Op und wischte sich mit einem Tuch den Schweiss vom Gesicht. Dr. Ferdinand streifte die Handschuhe über, als er im grünem Kittel den Op-Raum betrat, und die Op-Schwester mit dem Verreiben der braunen Desinfektionslösung über dem stark vorgetriebenen Bauch zugange war. Er half beim Abdecken und Anklemmen der sterilen Tücher. Dr. Nestor hatte den Tubus eingeschoben und schloss ihn an das Narkosegerät an, als die Schwester das Skalpell Dr. Ferdinand in die Hand gab, der unverzüglich mit dem Querschnitt oberhalb der Schambeinfuge begann. Es dauerte etwa acht Minuten, bis ein kräftiger Junge aus der durch Querschnitt geöffneten Gebärmutter entwickelt und von der Nabelschnur getrennt wurde. Dieser 'Kerl' fing gleich an zu schreien, dass ihm die erweckenden Rückenschläge bei herabhängendem Kopf erspart blieben. Eine Schwester nahm den kräftigen Burschen in einem aufgehaltenen, sterilen Tuch in ihre Hände, wickelte ihn ein, legte ihn auf den Babytisch, um ihm mit einem dünnen Plastikschlauch das Fruchtwasser aus Mund und Nase zu saugen, was der Neuankömmling mit einem nasalen Schreien quittierte. Sie legte ihn auf die Waage, wo es der Bursche ohne jegliche Anstrengung bereits auf dreieinhalb Kilogramm an Gewicht brachte. Dann liess er sich die Haut trocken reiben und in ein frisches Tuch wickeln, ohne dagegen etwas zu sagen, weil er sich nach der langen Reise erst einmal ausschlafen wollte.

      Dr. Ferdinand hatte die Wunde am Gebärmutterhals vernäht und die Harnblase darüber mit einigen Einzelknopfnähten fixiert. Während er die Bauchdecke verschloss, meinte die Op-Schwester, weil sie sich über die Häufigkeit von Kaiserschnitten an Wochenenden und Feiertagen unterhielten, dass dieser Ostermontag auffallend ruhig verlaufen sei, was nicht heissen sollte, dass die Nacht nicht noch weitere Kaiserschnitte fordern würde. Der Verband war aufgelegt, die Narkoseschwester hatte die Trage neben den Op-Tisch gefahren, als Dr. Nestor den Tubus aus der Luftröhre zog und der Patientin den Sauerstoff über die Gesichtsmaske durch mehrmaliges Zusammendrücken des Atembeutels in die Lungen blies, was sie mit einer guten Spontanatmung quittierte. Alle fassten zu, um die junge Mutter vom Op-Tisch auf die Trage zu heben, auf der sie in den Aufwachraum gefahren wurde, wo ihr einige Male der Blutdruck gemessen und der Puls über der Speichenarterie am Handgelenk gezählt wurde. Ein neuer Erdenbürger war geboren, der nicht wissen konnte, wie es in dieser Welt aussieht, in die er gekommen war, um sein weiteres Leben hier oder dort zu verbringen. Dr. Ferdinand, der dem Team für die gute Zusammenarbeit dankte, fragte sich im durchschwitzten grünen Hemd, ob der neue Erdenbürger nicht lieber im Mutterleib geblieben wäre, wenn er gewusst oder nur geahnt hätte, was hier auf dem afrikanischen Kontinent unweit der angolanischen Grenze abläuft.

      Dr. Ferdinand warf die durchschwitzte Op-Kleidung in den Wäschesack, erfrischte sich das Gesicht mit dem lauwarmen Wasser aus dem Kaltwasserhahn über dem Waschbecken im Umkleideraum, trocknete das Gesicht in einem frischen grünen Hemd ab und zog sich das sonntägliche Zivil an, liess sich über die Telefonzentrale mit Dr. Lizette verbinden, um ihr zu sagen, dass er sich verspätet hat und sich nun auf den Weg zu ihr machte. Er ging durch die OPD, um sich zu vergewissern, dass keine Patienten auf ihn warteten, und um die Schwestern der Nachtschicht davon in Kenntnis zu setzen, dass er für die nächsten Stunden bei Dr. Lizette zu erreichen sei. Er durchschritt den Ausgang links neben der Rezeption, blickte nach links, wo Männer und Frauen, Mütter mit ihren Kindern auf dem Betonboden unter Decken lagen, um die Nacht hier zu verbringen, weil es die Polizeistunde mit Eintritt der Dämmerung so verlangte. Er fuhr mit dem Auto durch das nicht schliessbare Ausfahrtstor mit den verknickten Rohrpfosten und wünschte dem Nachtpförtner durch das offene Fenster eine gute Nacht. Die Kontrolle an der Sperrschranke des Dorfeingangs war mild, auch wenn von beiden Seiten je zwei Wachhabende das Innere des VW-Käfers nicht ohne Neugier betrachteten, und Dr. Ferdinand ihnen das 'Permit' solange entgegenhielt, bis sie sich am Käfer ausgeguckt hatten und das Papier auch nicht mehr sehen wollten, was irgendein Brief hätte sein können, weil sie sich um das Handgeschriebene mit der Unterschrift des Kommandeurs nicht scherten.

      Dr. Lizette hatte den Namen der Strasse genannt und sie als die Zufahrt zum Militärcamp bezeichnet. Da es drei grosse Camps im Dorfe gab, die zusammen eine Brigade fassten, und nicht alle Strassen ausgeschildert waren, zumindest die Strassenschilder in der fortgeschrittenen Dämmerung nicht gleich zu finden waren, versuchte sich Dr. Ferdinand der Beschreibung entsprechend zu orientieren, indem er einige Dorfstrassen zweimal und langsam durchfuhr und schliesslich vor einem Haus mit Doppelgarage anhielt, das Dr. Lizette mit einem weissen Aussenanstrich beschrieb, was für den Tag gelten konnte, weil nachts auch alle Häuser grau sind. Es war das richtige Haus, und Dr. Lizette freute sich über das Kommen und stellte ihn ihrem Ehemann, dem Psychologen, vor. Das Auto wurde in die Einfahrt gestellt, um dem Risiko des Gerammtwerdens durch ein breites Militärfahrzeug zu entgehen. Dr. Ferdinand entschuldigte sich für die Verspätung und schränkte damit den von Dr.

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