Der Weg nach Afrika. Helmut Lauschke

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Der Weg nach Afrika - Helmut Lauschke

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gutes Gedächtnis hatte, mit einem Lächeln quittierte. Beide boten ihm einen bequemen Sessel zum Sitzen an, als der Psychologe einen Cooldrink in Form eines eisgekühlten Whisky mit Sodawasser offerierte, und Dr. Lizette die entsprechenden Gläser dreifach auf den runden Klubtisch stellte. Das Ehepaar nahm die anderen beiden Sessel ein, von wo der Ehemann die Gläser füllte und die drei Gläser mit dem eiskalten Stoff nach dem Wort "Gesondheid!" (Prosit) gehoben und auf einen anregenden Abend angetrunken wurden, und der Psychologe sein Glas leerte.

      "Sie kommen also aus Deutschland. Was hat Sie denn hierhergeführt?", war die Eröffnungsfrage des Psychologen, der es von Anfang an wissen wollte und seine Neugier dabei verriet, die so typisch für die Menschen war, die sich mit der Seele und ihren Zuständen beschäftigen und es professionell hinter einem grossen Schreibtisch in den verkürzten Dimensionen des Hör- und Sprechraumes in der Verknotung verstehen, auf einem Blatt Papier notieren, die Notizen unterschiedlich dick unterstreichen, durch balkenförmige Quer- oder Senkrechtstriche das eine Wort vom andern trennen, sodass dem gesprochenen Satz die ursprüngliche Aussage abgeschnitten wird, der Satzgegenstand in der Luft hängt und irgendeiner anderen Satzaussage angekoppelt wird, weil da auf dem Papier auf dem aufgeräumten Schreibtisch in dem eng dimensionierten Raum mit den wenigen, zurechtgestellten Büchern im Regal und den abstrakten Farbdrucken an den Wänden etwas entsteht, was der Person eigentlich nicht mehr gehört, je weiter die Satzbestandteile aus dem gesprochenen Kontext verzogen, herausgezogen oder voneinander verschnitten oder ganz abgeschnitten werden, um sie einer Analyse zugänglich zu machen. Dr. Ferdinand liess das Wort 'Scheidung' fallen, dem er den Mantel des Traumatischen umhängte, so dass der freundlich gesinnte Psychologe es verstand und von der weiteren Befragung zum Persönlichen absah. Er hatte sich offensichtlich sein Bild über den seelischen Zustand des Deutschen gemacht, denn er sprach nun mehr mit den Augen als mit dem Mund.

      Der Arzt in Uniform – das Teufelswerk der Entmenschlichung

      Doch, und weil er es für wichtig empfand, wollte ihm Dr. Ferdinand die Probleme, die er vor der angolanischen Grenze im Allgemeinen und am Hospital im Besonderen vorfand, nicht vorenthalten. Er begann mit dem Arzt in Uniform, von dem Dr. Nestor am Morgen noch sagte, dass das nicht zusammengeht, weil es Misstrauen bei den Menschen schüre, und bei ihm die Teufelsärzte in den Uniformen der SS in den Sinn kamen, die in den Vernichtungslagern der Nazis ihr sadistisches Unwesen mit der grössten Grausamkeit an den hilflosen Menschen trieben. Er stellte dem Psychologen daher die Frage, was er vom Arzt in Uniform halte. Dr. Ferdinand wusste, dass es eine schwierige Frage war, die an die Grenze des Verstandes ging, und liess ihm genügend Zeit zum Nachdenken. Er räumte bei dieser Frage ein, dass sie als eine Falle verstanden werden konnte, was nicht in seiner Absicht lag, weil ihm die Sache mit den zwei Gesichtern zu ernst war. Die Nachdenkminute wurde nachdenklich, Dr. Ferdinand nippte an seinem Glas Whisky mit Sodawasser und hatte das ungute Gefühl, ein Missverständnis provoziert zu haben, obwohl die Frage noch so im Raume stand, wie sie vor zwei Minuten dort hingestellt worden ist, ohne dass ein Wort hinzugefügt oder eines von den sieben Worten weggenommen wurde, weil es beim Wegnehmen eines Wortes wirklich keinen Sinn mehr machen würde. Der Psychologe fasste sich bei der Ehre, als er zu dieser Frage bemerkte, dass sie nicht nur schwierig, sondern psychologisch äusserst kompliziert sei, weil da verschiedene Dinge aus unterschiedlichen Richtungen zusammen kämen, deren Verbindung beim geringsten Anstoss wieder in ihre Teile zerfallen würde. "Sie meinen, dass diese Verbindung, wenn ich mich einmal chemisch ausdrücken darf, instabil ist, weil die nötigen Kopplungsvalenzen fehlen."

      Der Psychologe, der nach Einschätzung des Fragestellers noch relativ jung im Fach war und auch nicht gleich mit einer platten Rhetorik über die seelische ‘Verpackung’ aufwarten wollte, was ihm der Fragesteller hoch anrechnete, meinte, dass der Beruf des Arztes ethisch und moralisch in sich so geschlossen sei, dass es da keinen Freiraum oder keine freie Valenz für eine Ankopplung mit einem anderen Beruf gebe. Dr. Ferdinand fiel ein Stein vom Herzen, dass der Psychologe die Frage nicht als eine Falle verstand, sondern das Problem erkannte, bei dem Moral und Ethik auf dem Spiele stehn. Der Psychologe schien die Strasse gefunden zu haben, als er auf den Uniformträger zu sprechen kam, den er gesondert mit einem zivilen Auftrag neben den Soldaten mit einem militärischen Auftrag stellte. "Kann da nicht in den Augen der zivilen Bevölkerung ein Missverständnis oder Misstrauen entstehen, weil sie beim Arzt in Uniform den zivilen Auftrag vom militärischen Auftrag nicht klar und eindeutig unterscheiden kann?" Der Psychologe: "Das ist möglich, es liegt aber nicht in der Absicht des Arztes oder des Uniformträgers mit dem Auftrag, Patienten zu behandeln." Dr. Ferdinand sah die Sackgasse kommen und fragte deshalb, ob es psychologisch nicht besser sei, die Absicht klarer dadurch zum Ausdruck zu bringen, indem der Arzt das Zivile trägt, wie es die Bevölkerung auch tut, und die Soldaten mit dem militärischen Auftrag die Uniform, damit da kein Missverständnis und kein Misstrauen aufkommen kann. Der Psychologe: "Ich hätte da überhaupt nichts gegen einzuwenden. Es ist die militärische Führung, die das Tragen der Uniform für alle angeordnet hat, die hier ihren Wehrdienst ableisten, und dazu gehören nun mal auch die Ärzte am Hospital, die aus Südafrika ins Kriegsgebiet eingeflogen wurden. Auch ein Arzt in Uniform kann ein guter Arzt sein und kann der Zivibevölkerung die Botschaft der Menschlichkeit bringen." Dass die Wehrdienstleistenden aus Südafrika bis vor die angolanische Grenze geflogen wurden, das war für Dr. Ferdinand unbestreitbar.

      Das Problem trat beim guten Arzt in Uniform auf, der der Zivilbevölkerung die Botschaft der Menschlichkeit bringt. Er hatte ja die beiden Beispiele vom herzensguten Dr. van der Merwe, der sich für die Patienten einsetzte und ständig seine Uniform mit Gips bekleckerte, und dem arroganten Dr. Hutman in seiner geschniegelten Leutnantsuniform, dem der Orden 'der Leutnant des Teufels' verliehen wurde, weil der sich nur halbherzig oder nicht um seine Patienten kümmerte, den vierzehnjährigen Jungen fahrlässig auf den möglicherweise lebensrettenden Eingriff der Kraniotomie warten liess, grosse Reden hielt, sich wichtig nahm, andere Kollegen anschwärzte und stets darauf bedacht war, seinen egoistischen Vorteil aus der miserablen Situation zu ziehen und das sorgfältig zusammengefaltete Barett in der Mitte unter der rechten Schulterklappe mit dem kleinen Leutnantsstern zu halten. Er musste das Beispiel bringen, wobei ihm nicht klar war, welchen der gegensätzlichen Kollegen er erwähnen sollte und welchen nicht. Er dachte einen Augenblick darüber nach, während der Psychologe die Gläser nachfüllte, und entschied sich, beide Kollegen beispielhaft anzuführen. Er begann mit dem guten Kollegen und schilderte seinen Einsatz und seine Menschlichkeit, die ihn bei Patienten, Schwestern und Kollegen gleichermassen beliebt machten, von denen einige Tränen in den Augen hatten, als er sich von ihnen verabschiedete. Dr. van der Merwe war ein tüchtiger Arzt und ein guter Mensch, der auf seine Uniform keine Rücksicht nahm und die Nöte der Menschen mit seinem Herzen und seinen Händen begriff. Ganz anders der andere, dem die Uniform wichtiger war als die Menschen, der bei Patienten, Schwestern und Kollegen unbeliebt war, weil sie seine Arroganz und Hinterhältigkeiten fürchteten. "Als der Leutnant des Teufels ging, weinte ihm nicht nur keiner eine Träne nach, alle waren froh und atmeten erleichtert auf." Der Psychologe nickte mit seinem Kopf und sagte, dass ihm beide Kollegen bekannt seien, von denen er Dr. van der Merwe und seine Frau als gute Menschen kennengelernt habe. Nun waren sie in der Sackgasse, und Dr. Ferdinand und der Psychologe drehten sich im Kreise, weil sich Arzt und Uniform vom Inhalt und Auftrag her nicht vertrugen, wobei die sichtbare, äussere Autorität nach dem Fahneneid mit der unsichtbaren, inneren Autorität nach dem Eid des Hippokrates in Konflikt geriet, und umgekehrt. Die Formel vom Tragenmüssen der Uniform bei den Wehrdienstleistenden leuchtete militärisch ein, nicht aber medizinisch, wenn es um die Belange der kranken Menschen ging, die schon genug in Not und Schrecken waren. Dr. Ferdinand fügte an, dass die Menschen nach dem, was hier ablief, gefoltert und getötet wurde, nicht mehr daran glauben, dass irgendein Uniformträger ihnen noch die Botschaft der Menschlichkeit bringen kann. Das hielten sie für einen politischen Trick, der sich weit von der Wahrheit entfernte und deshalb Grund zum Misstrauen gab, dessen Boden die Erfahrungen des Alltags waren. Der Psychologe machte ein bedrücktes Gesicht, weil er dem eigentlich nichts entgegenhalten konnte, denn beide wussten es, dass ein Mehr an äusserer Autorität, die sich in Macht ausdrückt, im täglichen Leben oft mit einem Weniger an innerer Autorität einhergeht, in der es dagegen um die ethische

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