Treffpunkt Hexeneiche. Claus Karst
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Willy Klein ließ sich das Angebot eines frühen Feierabends, was mehr als selten vorkam, nicht zweimal unterbreiten. Schnell griff er nach seiner Jacke und wünschte „einen schönen Abend allerseits“, bevor Cernik sich das Angebot anders überlegte, und machte sich eiligst aus dem Staub.
Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, saß Cernik noch eine Weile in sich versunken an seinem Schreibtisch. Inga beobachtete ihn gespannt und wartete, da er scheinbar noch mit ihr sprechen wollte. Es war nicht zu übersehen, dass irgendetwas ihn stark beschäftigte.
„Inga, setz dich bitte mal hierher!“, bat Cernik sie nach einigen Augenblicken.
Inga rollte mit ihrem Stuhl an seinen Schreibtisch. Cernik blickte sie an und sagte: „Inga, nach den ersten Eindrücken bin ich überzeugt, dass wir hier einen außergewöhnlichen Fall vorliegen haben. Er weist Aspekte auf, die von uns äußerste Vorsicht und Verschwiegenheit in jeder Hinsicht verlangen. In diesem besonderen Fall habe ich zu niemandem Vertrauen außer zu mir und dir. Selbst bei Klein muss ich wachsam sein, da er seinen Mund nicht immer unter Kontrolle hat. Nichts, aber auch rein gar nichts darf von unseren Ermittlungen diesen Raum verlassen, abgesehen von dem, was ich Schneider nicht vorenthalten kann. Und das erledige ich selbst – auf meine Weise.“
Inga Büllesbach schaute ihren Chef fragend an. So hatte sie ihn noch nicht kennengelernt und konnte sich auch keinen Reim auf seine Eröffnung machen.
„Hast du schon etwas über die Saersbecks herausgefunden?“
„Nichts, was die Erwähnung verdient, Chef. Die Saersbecks herrschen über ein sehr weit verzweigtes Handelsimperium. Ich benötige noch mehr Zeit für meine Recherchen.“
„Macht nichts, Inga. Aber nun das Wichtigste: Der Tote hieß früher Brockhuis, so nannte er sich zumindest, und hat den Namen Saersbeck mit seiner Hochzeit angenommen. Wir müssen Licht in seine Vergangenheit bringen. Das aber – wie ich schon sagte – muss äußerst behutsam geschehen! Und nun machen auch wir Schluss für heute, ich muss noch bei Schneider vorbei. Einen schönen Abend.“
„Danke gleichfalls, Chef.“
Gemeinsam verließen sie das Büro, jedoch in unterschiedliche Richtungen. Cernik ging noch einmal zurück, ergriff den Telefonhörer und wählte Schneiders Nummer.
„Schneider“, meldete sich der Oberstaatsanwalt.
„Cernik hier. Sie sind ja noch im Büro. Kann ich noch vorbeikommen?“
„Ich warte schon auf Sie. Bitte beeilen Sie sich, ich habe noch einen Termin heute Abend.“
Cernik quälte sich durch den Feierabendverkehr der Stadt, hatte das seltene Glück, beim Landgericht sofort einen freien Parkplatz zu finden, und stieg hoch ins Büro des Oberstaatsanwalts. Er klopfte an. Schneider öffnete ihm die verschlossene Tür selbst, da seine Mitarbeiter bereits gegangen waren. Wie immer, wenn er dieses Büro betrat, machte sich bei Cernik Verdruss breit. Dem Kommissar mangelte es an Verständnis dafür, dass dieser Mann ein so aufwendig eingerichtetes Büro sein Eigen nennen konnte, ausgestattet mit teurem Mobiliar, wohingegen sein Büro nur spärlich eingerichtet war und bei der Polizei um die Anschaffung eines jeden Bleistifts gekämpft werden musste.
„Kommen Sie rein, Cernik, und schließen Sie die Tür!“, forderte der Staatsanwalt ihn auf, als wenn dies nicht selbstverständlich wäre. Der Kommissar hasste den militärischen Ton, den der Staatsanwalt Untergebenen gegenüber gelegentlich anschlug. Cernik kam es immer wieder vor, dass der Staatsanwalt damit irgendwelche Komplexe zu verbergen trachtete, aber ihm war es bis zu diesem Tag nicht herauszufinden gelungen, welcher Art diese Komplexe sein könnten.
„Ich höre …“, begann der Staatsanwalt das Gespräch recht grantig. Seine Laune schien nicht die beste zu sein, es ging eine ungewöhnliche Unruhe von ihm aus.
„Ich kann Ihnen noch nicht viel sagen. Wir untersuchen gegenwärtig, ob ein Suizid oder ein Verbrechen vorliegt.“
„Bitte …? Ein Mord kommt auch infrage? Was lässt Sie das vermuten?“
„Ich kann mir nicht vorstellen, wie Saersbeck es ohne Hilfe angestellt haben soll.“
„Ein Mord würde für erhebliches Aufsehen in Stadt und Land sorgen. Der Gedanke gefällt mir ganz und gar nicht. Eine Selbsttötung wegen einer plötzlich eingetretenen krankhaften Depression würde ich der Öffentlichkeit eher verkaufen können, damit sie nicht unnötig in der Familie und deren Umfeld herumstochert, denn das würde mit Sicherheit zu Widerständen und Einreden von allen möglichen Seiten führen. Stellen Sie einen Suizid fest!“
„Ich verstehe nicht …“
Cernik verstand natürlich sehr wohl.
„Sie haben sehr gut verstanden.“
„Ich werde – wie immer – meinen Auftrag erfüllen, Herr Oberstaatsanwalt.“
„Sie sollten mich nicht falsch verstehen. Ich habe nur an die Familie gedacht, mit der ich nicht nur bekannt bin, sondern die auch eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft und auch als Steuerzahler spielt. Bis morgen dann – und schonen Sie die Familie!“
Der Kommissar erhob sich und verließ mit einem Nicken das Büro des Staatsanwalts. Mehrere Alarmglocken schrillten in seinem Kopf. So deutlich hatte Schneider noch nie versucht, sich in seine Arbeit einzumischen und Einfluss zu nehmen. Gedanklich knüpfte Cernik Knoten, die er zu zerschlagen gedachte wie Alexander der Große den berühmten gordischen. Hätte er das Telefongespräch mitbekommen, das der Staatsanwalt entgegennahm, nachdem er ihn gerade verlassen hatte, so wäre er in der Lage gewesen, seine Ermittlungen bereits auf eine bestimmte Richtung hin zu fokussieren.
Schneider schrak zusammen, als der rechte der beiden Telefonapparate, die auf seinem Schreibtisch standen, einen Anruf meldete. Er nahm den Hörer ab, ohne seinen Namen zu nennen, denn nur ausgewählte Anrufer benutzten die Geheimleitung. Am anderen Ende meldete sich eine tiefe Stimme, ebenfalls ohne Namensnennung.
„Wir haben einen guten Freund verloren, der sich selbst in Schwierigkeiten gebracht hat. Er hatte noch nie starke Nerven. Wen haben Sie in diesem Fall mit den Ermittlungen betraut?“
„Cernik.“
„Verdammt, musste das sein? Warum gerade Ihr bester Mann? Konnten Sie keinen Anfänger damit beauftragen?“
„Ich weiß genau, wie Cernik arbeitet und denkt. Besser er als jemand, den ich weniger gut einschätzen kann.“
„Wenn Sie meinen … Das gefällt mir aber ganz und gar nicht. Wir werden Ihren Ermittler von nun an im Auge behalten. Und merken Sie sich: Falls die Sache aus dem Ruder läuft …“
Bevor Schneider bestätigen konnte, dass er verstand, hatte der Anrufer aufgelegt.
Verdammt, fluchte er und versuchte gegen seine Beklommenheit anzukämpfen. Am ganzen Körper zitternd, ließ sich in den Sessel fallen, wo er noch eine Weile wie in Trance sitzen blieb. Er genehmigte sich zwei Gläser Cognac, den er hinter einem Aktenordner versteckt hielt. Erst als er sich beruhigt hatte, machte er sich auf den Weg nach Hause.
Cernik fuhr gemächlich heim. Seine Gedanken wirbelten unterwegs mehr als sonst, aber er widmete dennoch dem starken Straßenverkehr seine volle Aufmerksamkeit. Er