Treffpunkt Hexeneiche. Claus Karst

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Treffpunkt Hexeneiche - Claus Karst страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Treffpunkt Hexeneiche - Claus Karst

Скачать книгу

auch nicht – davon überzeugt, dass in seiner Heimatstadt eine Aufgabe seiner wartete, die es für ihn zu erfüllen galt. Daher hatte er einen Wechsel nie wirklich ernsthaft in Erwägung gezogen. Je länger er über seinen neuen Fall nachdachte, umso mehr gewann das Gefühl Oberhand, nun vor dieser Aufgabe zu stehen.

      Cernik liebte seine Arbeit und konnte durchaus nachempfinden, dass Anna von seinem Eifer nicht immer begeistert gewesen war, denn er ging stets völlig in seinen Fällen auf. Er lebte ziemlich zurückgezogen in einem Dreifamilienhaus, das zu einem Gehöft gehörte in einem Vorort nahe der südlichen Stadtgrenze. Er war freundlich zu seinen Nachbarn, ohne mit ihnen zu verkehren, wie er auch stets vermied, mit seinen Kollegen privat zusammenzukommen. Meist zeigte er sich unnahbar. So blieb es nicht aus, dass vor seinem 50. Geburtstag seine Kollegen vor einem Rätsel standen, als es darum ging, ihm ein Geschenk zu kaufen. Keiner hatte auch nur die blasseste Ahnung, welchen Hobbys Cernik außer seiner Arbeit und dem Fußball nachging, womit man ihm eine Freude bereiten konnte. Als der Polizeidirektor bei Anna anrief und hörte, dass er bei italienischen Opern oder klassischen Sinfonien seine Entspannung finde, war dessen Überraschung mehr als groß gewesen.

      Cernik ging in Gedanken die bisher gewonnenen Erkenntnisse noch einmal mit der ihm eigenen penetranten Gründlichkeit durch. Er hatte einen Toten, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermordet worden war. Ein klares Motiv ließ sich noch nicht erkennen. Es konnte in der Familie liegen, was jedoch eher unwahrscheinlich war, in den Aktivitäten des Unternehmens, was schon eher möglich war, waren doch Stahl- und Waffenhandel nicht immer zu trennen, wie er wusste. Es konnte aber auch in seinem Privatleben, das noch zu durchforschen war, oder aber auch in der Vergangenheit, die einige Fragen offenließ, seine Ursache haben. Schließlich gab es immer wieder Gerüchte, die einen Bogen spannten aus der Nazizeit nach Südamerika, und er hielt es nicht für völlig ausgeschlossen, dass auch in diesem Fall die Vergangenheit eine gewisse Rolle spielen könnte.

      Erst aber musste herausgefunden werden, wer Friedrich von Saersbeck wirklich gewesen war. Cernik schrieb einen Dringlichkeitsvermerk in sein virtuelles Notizbuch. Es war eine Marotte oder auch Fähigkeit von ihm, alle seine Notizen im Kopf zu behalten und abzurufen, wenn er sie benötigte, etwa wie ein Pianist die zu interpretierenden Noten. Er war mit einem ausgeprägten visuellen Gedächtnis ausgestattet, und er konnte auf diese Weise vermeiden, dass andere in seinen Gedanken und seinen Notizen herumschmökerten.

      „Auf Cernik!“, ermahnte er sich, an die Arbeit zu gehen, richtete seinen Sitz wieder hoch und startete den Wagen. Ein Plan, den es Schritt für Schritt abzuarbeiten galt, war zurechtgelegt. Mit allen Sinnen fühlte er, dass dieser Fall sein bisher wichtigster werden könne, und seine rote Seele, die er von seinen Eltern geerbt hatte, forderte ihn nachdrücklich auf, mehr noch als sonst zu leisten, um Licht in das Dunkel der Saersbecks zu bringen. Cernik fühlte die Verpflichtung, dass er allen Werktätigen eine Lösung des Falles schuldig sei, denn zu selten bestand die Möglichkeit, hinter die Kulissen der gewöhnlich Unantastbaren, jener Minderheit der Gesellschaft zu blicken, die in Wirklichkeit in einer Demokratie die Macht ausübt und die hehre Idee einer Volksherrschaft ad absurdum führt. In Cerniks Adern kribbelte das Blut. Er schwor sich, den Nachweis anzutreten, dass in der heutigen Zeit der ihm verhasste Geldadel nicht ohne die Kontrolle des Volkes und seiner Instanzen seine Spielchen treiben kann. Nach diesem Vorsatz rief er sich jedoch zur Ordnung. „Reiß dich zusammen, Leo Cernik! Verwässere die gebotene Objektivität nicht durch dein Wunschdenken!“, ermahnte er sich.

      Obwohl Cernik zu den aufmerksamen Autofahrern zählte, wäre er unterwegs fast mit einem anderen Wagen zusammengestoßen, so sehr waren seine Gedanken mit dem Fall beschäftigt. Er musste ausfindig machen, wer sich hinter den Musketieren verbarg und was sie mit Saersbeck zu schaffen hatten, falls dieses Papier nicht ein Scherz oder als falsche Fährte ausgelegt war. Mit Dumas’ Musketieren waren sie wohl kaum identisch, nutzten den Namen vielleicht aber als Sinnbild für Rache oder Vergeltung. Also galt es herauszufinden, wie und wo ihre Spur aufzunehmen war. Plötzlich fiel ihm ein, was Frau von Saersbeck über das Schulfest des Gymnasiums gesagt hatte. Der Begriff Musketiere könnte möglicherweise auf eine Jugendbande hinweisen, kam ihm in den Sinn. Ein Gespräch mit dem Direktor der Schule konnte nicht schaden. Er selbst war auf ein anderes Gymnasium in der Stadt gegangen, ein humanistisches, das von seiner Wohnung aus schneller und günstiger zu erreichen gewesen war, doch kannte er das erwähnte Gymnasium, das direkt am Flussufer lag, nur durch einen Leinpfad getrennt, und das damals wie heute wieder einen guten Ruf besaß. Er nahm sich vor, der Schule am nächsten Tag einen Besuch abzustatten.

      Im Kommissariat angekommen – dieses Mal war sein Parkplatz hinter dem Haus nicht belegt –, fragte er bereits auf der Türschwelle: „Gibt es was Neues?“

      Fast gleichzeitig öffneten Willy Klein und Inga Büllesbach ihren Mund, um ihn über Neuigkeiten zu informieren.

      „Langsam!“, stoppte er ihren Redenfluss, „bitte nacheinander. Willy?“

      „Der Mann, der Saersbeck gefunden hat, war hier. Er hat nichts gesehen außer dem Körper, der am Baum baumelte. Er hat daraufhin sofort die Polizei verständigt. Ansonsten ist ihm nichts aufgefallen. Er stand sichtlich immer noch unter Schock.“

      „Hat die Spurensicherung noch etwas ergeben?“

      „Ja und nein …“

      „Das ist immerhin mehr, als ich gedacht habe. Vielleicht das Ja zuerst, wenn ich bitten darf, das Nein interessiert mich eher weniger.“

      Inga grinste. Sie konnte ihre Befriedigung nie verbergen, wenn ihr Chef Klein auf den Arm nahm, denn sie hatte für Klein nicht besonders viel übrig. Er, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hatte in den ersten Tagen, nachdem sie dem Kommissariat zugeteilt worden war, versucht, ihr an die Wäsche zu gehen, sich dabei aber eine derbe Abfuhr geholt. Sie war nämlich eine der besten Kampfsportler im Polizeisportverein, was Klein jedoch damals nicht wusste, bei diesem Anlass jedoch schmerzhaft erfuhr. Nach seiner plumpen Annäherung und einer von ihr perfekt und blitzschnell ausgeführten Judotechnik hatte er nämlich fliegen gelernt und war mit dem Kopf gegen eine Schreibtischkante geknallt. Eine Beule erinnerte ihn noch tagelang später an seinen Flugversuch. Eine kleine Narbe war als warnendes Andenken zurückgeblieben. Cernik hatte sich gedacht, was vorgefallen war. Da Inga die Angelegenheit jedoch nicht zur Sprache gebracht hatte, ließ auch er sie auf sich beruhen. Ein paar Tage später erwähnte er Klein gegenüber jedoch so nebenbei wie möglich, dass für Männer, die es dringend nötig hätten, in der Stahlstraße gewisse Etablissements vorhanden seien, wo selbst hoch angesehene Bürger der Stadt unter ihresgleichen auf gastfreundliche Damen träfen, welche dortselbst über die trefflichsten Befähigungen verfügten, selbst die ungewöhnlichsten Wünsche ihrer Klientel zu erfüllen. Klein reagierte mit scheinbarem Unverständnis auf diesen höchst literarisch formulierten, mehr als deutlichen Hinweis. Er hatte jedoch verstanden und Inga danach ihre Ruhe – zumindest vor ihm.

      „Ich höre …“, forderte Cernik auf zu berichten.

      „Die Spurensicherung hat ein paar Abdrücke von Schuhen unter der Eiche genommen, allerdings allesamt ohne verwertbare Profile, sodass wir nichts damit anfangen können. Und was du auch schon festgestellt hattest, es gab zwei Eindrücke im Boden, als hätte dort eine Leiter oder was auch immer gestanden. Zigarettenkippen und die sonst üblichen Hinweise sind offenbar restlos fortgeräumt worden. Es sieht verdammt nach einem Profijob aus.“

      „Noch was?“

      „Du kennst die alte Burgruine aus der Frankenzeit in der Nähe?“

      „Ja, kenn ich.“

      „Dort haben sich in der vergangenen Nacht offenbar ebenfalls mehrere Personen aufgehalten. Es gab in der Nähe auch ein paar Reifenspuren, die aber nicht zwangsläufig von Beteiligten stammen müssen, denn der Parkplatz wird auch von Wanderern, Jägern und Waldarbeitern angefahren.“

Скачать книгу