Adda Fried. Angelika Nickel

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Adda Fried - Angelika Nickel

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      Nach weiteren geschätzten dreißig Minuten, die Braun und Adda wie eine kleine Ewigkeit vorkamen, hatten sie ihr Ziel endlich erreicht.

      Kolasa steuerte seinen Fiat auf eine große, kalt wirkende Halle zu, um auch gleich darauf, vor ihr anzuhalten. »Wir sind da«, rief er laut und löste seinen Sicherheitsgurt.

      Vor dem Auto schauten die deutschen Kommissare sich verwundert um.

      »Hier an diesem verlassenen Ort, habt ihr eure Leichenhalle?«, wunderte Braun sich.

      »Warum nicht? Wer hat’s schon gerne mit Toten zu tun. Von daher hat es sich angeboten, das Leichenschauhaus nach hierher zu verlegen.« Dankend nahm er den angebotenen Zahnstocher an. »Vor einigen Jahren war’s noch mitten in der Stadt gewesen. Doch da haben sich die Leute beschwert, weil sie die Toten nicht in ihrem nahen Umfeld haben wollten. Hatten sogar eine Petition an den Bürgermeister geschrieben; und aus war’s mit den Toten in der Stadt. Der Bürgermeister schlug dieses, seinerzeit leerstehende Fabrikgebäude vor«, er zeigte auf die Halle vor ihnen, »und die Bevölkerung war zufrieden. Als er auch noch die finanziellen Mittel zur Verfügung stellte, um das Gebäude zur Leichenhalle, und allem, was es dazu brauchte, herzurichten und umzubauen, war das Ding unterm Hammer, und die Toten bekamen hier ihre letzte Anlaufstelle«, erklärte Kolasa ihnen. Wieder schlich sich ein breites Grinsen zu seinen Mundwinkeln hin. »Somit war jeder zufrieden, und den Toten kann es ohnehin gleich sein, wo man sie am Ende seziert, sofern dies vonnöten sein sollte. Ansonsten«, er winkte ab, »ist alles so, wie es sein muss, um dass auch jeder einigermaßen zufriedengestellt ist.« Mit einem Blick auf seinen Fiat, ergänzte er: »Was mich betrifft, mir ist es auf diese Art ohnehin lieber. An diesem Ort habe ich wenigstens keinen Stress mit dieser verdammten Parkplatzsucherei.«

      Jetzt vergrub sich auch in Brauns Gesicht ein Lächeln, und er nickte Kolasa verständnisvoll zu. Ja, das mit dem Parkplatzsuchen, das kannte er nur zu gut. Auch ihm war es ein Graus, immer dann, wenn er zu einem neuen Tatort gerufen wurde. Nur weil er sein Kommissar im Einsatz Schild hinter die Frontscheibe klemmen konnte, garantierte dies ihm trotz allem keinen sicheren Parkplatz.

      10 – Leichenschauhaus via Jahrmarkt

      Auf Stille, maximal durch das Kreischen einer Knochensäge unterbrochen, gefasst, betraten die Drei das Leichenschauhaus.

      Gemurmelte Wortfetzen streiften ihre Ohren, während Menschen wie aufgescheuchte Hummeln, hin und her huschten.

      Verwundert drehte Adda den Kopf in Richtung des Majors. Fragend war ihr Blick, und skeptisch obendrein. »Bist du sicher, Herr Major, dass wir hier richtig sind? Mich erinnert das eher an einen Jahrmarkt, als an eine Leichenhalle.«

      Doch Kolasa ging es nicht anders, als den anderen beiden Kommissaren. Auch er blieb verwundert stehen. Suchend schickte er seinen Blick über die Köpfe der Menschen hinweg, die aufgeregt durch die Halle eilten. Als er ihn endlich unter all den Menschen ausmachte, hob er die Hand und schrie aus vollen Lungen: »Karel, hier bin ich. Ich, Kolasa!«

      Der Mann jedoch bemerkte den Major nicht, noch, dass er ihn hörte.

      Kolasa machte den beiden Kommissaren Zeichen, und sie folgten ihm, hin zu dem Pathologen, den Kolasa, nachdem er ihn in der Menschenmenge erspäht hatte, auch nicht mehr aus den Augen ließ.

      Hinter einem hageren Mann, Ende vierzig, mit schütterem Haar, schulterlang und strohblond, blieben sie stehen.

      Adda schickte ihren Blick auf das Haar des Mannes. Ausgedünnt wirkte es. Auch entging ihr nicht der Anflug einer lichten Stelle, die sich kreisförmig auf dessen Hinterkopf ausbreitete.

      Kolasa schlug dem Mann leicht auf die Schulter.

      Erschrocken drehte er sich um. Als er in das Gesicht des Majors blickte, nahm seine Miene einen beinahe verzweifelten Ausdruck an. Er wusste, für Kolasa brauchte er Zeit. Punkt genau wollte der immer alles wissen. Und Zeit zum Reden, schien er überdies noch im Überfluss zu haben. Nicht aber der Gerichtsmediziner. Und heute schon gar nicht, bei all der Arbeit, die, sogar bis auf den Boden hin ausgebreitet, noch vor ihm lag.

      »Karel, was ist denn hier los?«, wollte Kolasa von Karel Bobrowski wissen. Den Gerichtsmediziner kannte er noch von der Schulbank her.

      Der ältere Mann winkte ab. »Hör‘ mir bloß auf, Kolasa. Du hast dir heute den ungeschicktesten Zeitpunkt überhaupt, ausgesucht.«

      »Womit du mir immer noch nicht gesagt hast, was heute hier los ist. Dermaßen voll war es bei dir doch noch nie. Zumindest nicht bisher.«

      »Nerv‘ mich nicht, Major. Ich hab echt keine Zeit für dich und deine Plaudereien.« Bobrowski wollte sich abwenden, doch der Major hielt ihn an der Schulter fest. »Ich bin auch nicht gekommen, um mit dir Smalltalk zu halten, sondern um den beiden«, er deutete auf Adda und Braun, »das deutsche Mordopfer zu zeigen.«

      Erst in diesem Augenblick fiel dem Gerichtsmediziner auf, dass der Major nicht alleine gekommen war. »Bist dienstlich hier, heute.« Ein trauriges Grinsen umflog seine Mundwinkel. »Das ist etwas anderes. Da muss ich mir ja wohl Zeit für euch nehmen, auch wenn ich eigentlich gar keine hab‘.« Der Mann hielt zuerst der Frau, anschließend dem Mann die Hand zum Gruß hin.

      Nach kurzem Vorstellen bat er sie, ihm zu folgen.

      Adda und Braun mussten auf dem Weg dorthin, über schwarze Leichensäcke steigen, mit denen der Boden der Leichenhalle übersät war.

      »Eine Massenkarambolage auf der Autobahn«, erklärte Karel ihnen, auf ihre fragenden Blicke hin. »Und jeden Augenblick kommen neue Opfer hinzu.« Er strich sich mit fahrigen Fingern über die Stirn. »Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll. Jeden von ihnen muss ich mir ansehen. Nur wann, frage ich dich, Kolasa, wann?«

      »Wie ich dich kenne, Karel, machst du das schon. Wenn es sein muss, bleibst du heute Nacht hier und schläfst auf einer der Bahren«, versuchte er, dem alten Schulkollegen, Mut zuzusprechen.

      »Du hast gut reden. Siehst du auf diesem Rummelpatz irgendwo eine freie Bahre?« Er schaute sich um, dabei wusste er, dass die Leichenhalle im wahrsten Sinne des Wortes, überbelegt war. »Ich nicht.«

      Kolasa schenkte Karel ein kameradschaftliches Lächeln. »Hör‘ auf zu jammern. Du schaffst das schon. Bisher hast du immer alles gepackt.«

      »Mag sein, aber bisher waren wir auch nicht dermaßen überfüllt, wie das heute der Fall ist.«

      Vor einer der Kältekammertüren blieb er stehen. »Dahinter, liegt sie. Könnt sie euch selbst rausschieben, ich muss wieder an meine Arbeit zurück. Wenn ihr noch Fragen habt, irgendwo in diesem Gewühl werdet ihr mich schon finden«, sagte er, und hetzte auch bereits schon wieder von ihnen fort, zurück zu der Leiche, über die er gebeugt gewesen war, als Kolasa ihn bei seiner Arbeit unterbrochen hatte.

      Adda drängte sich zwischen Braun und den Major. »Einer von euch beiden muss die Tote aus der Kammer ziehen«, sagte sie laut, und ihr Befehlston, der mit ihren Worten mitschwang, entging keinem der beiden Männer.

      11 – Orlando Ramirez

      Ungefähr drei Wochen zuvor

      … Der Mann verteilte das Gel in seinen Händen,

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