Geschichten aus Movenna. Petra Hartmann

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Geschichten aus Movenna - Petra Hartmann Movenna

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lächelte flüchtig über den Eifer seines Heerführers. „Es ist wahr“, nickte er dann Lournu zu. „Was kann dort anderes liegen als der märchenhafte Reichtum des alten Königs. Gold und Silber in Fülle soll er besessen haben, dazu Diamanten und Perlen und Schmuck. Möchtest du nicht auch einen solchen Schatz haben, kleine Lournu?“ Lournu schob die Unterlippe noch weiter vor. „Ich jedenfalls träume schon seit meiner Kindheit davon“, gestand Harvart. „Und wenn ich ehrlich sein soll: Nur deswegen bin ich in euer Land eingefallen.“

      Lournu lachte. „Na, König, das ist aber wirklich dumm. Wie willst du denn den Stein hochheben, wenn er tatsächlich so schwer ist, wie du sagst?“

      Der König grinste und sah zu Aeshna hinüber. „Ihn zu heben wird Aufgabe deiner Großmutter sein. Denn wo rohe Gewalt versagt, muss eben die Magie ran.“

      Aeshna schüttelte traurig den Kopf. „Ich habe dir schon mehrfach gesagt, dass ich nichts von Magie verstehe. Dass du das nicht einsehen willst.“

      „Ich habe deine Taten gesehen, alte Frau“, widersprach der König. „Wie du die Pfeile in der Schlacht in Rauch aufgehen lassen hast. Wie du die Kranken geheilt und das tote Kind wieder zum Leben erweckt hast. Wie konntest du das tun, wenn du, wie du sagst, nichts von Magie verstehst?“

      Aeshna starrte in die Flammen und antwortete nicht. Erst nach einer Weile murmelte sie, mehr zu sich selbst als an den König gerichtet: „Vielleicht versteht ja die Magie ein wenig von mir ...“

      „Großmutter wird den Stein heben, den keine Macht heben kann“, sagte Lournu überzeugt. „Und dann wird sie ihn auf dich drauf fallen lassen, dass du ganz zermatscht wirst. Das hast du dann davon.“

      Harvart fuhr erschrocken zurück, doch gewann er seine Überlegenheit sofort wieder. Mit bösem Grinsen zischte er: „Und genau darum habe ich dich mitgenommen, du kleine Ratte. In jedem Augenblick sind zwanzig Pfeile auf dich angelegt, und wenn deine Alte nicht spurt, dann ...“ Er machte eine vielsagende Pause, und auch Lournu schwieg betroffen.

      „Ich denke, es ist besser, wenn du uns nun schlafen lässt“, stellte Aeshna ruhig fest. „Es ist noch ein weiter Weg, und du willst sicher nicht, dass die Kleine unterwegs schlappmacht und deinen ganzen schönen Marsch verzögert.“

      Harvart erhob sich vom Feuer. „Du hast Recht. Ich möchte sowieso noch ein wenig mit dem Techniker plaudern.“ Er nickte hinüber zu dem kleinen schmächtigen Mann am Nachbarfeuer, der sich seltsam fremdartig zwischen all den muskelbepackten Riesen ausnahm. „Wer wird sich schließlich allein auf Hexen verlassen, wenn es um Schätze geht.“ Er und Jorn stapften davon, während sich die beiden Frauen zum Schlafen niederlegten.

      „Glaubst du an einen Schatz in Surbolds Grab?“, flüsterte Lournu leise.

      „Vielleicht“, murmelte Aeshna. „Eine Sage hat immer einen wahren Kern. Nur ob der Schatz Harvart gefallen wird, da bin ich mir gar nicht so sicher.“

      *

      Lournu schlief tief und fest in dieser und in allen darauffolgenden Nächten. Sie bewegte sich mit der unbekümmerten Sorglosigkeit eines Kindes zwischen den Soldaten Harvarts, ließ ihr Pony bald neben dem einen, bald neben dem anderen Ritter her traben und wusste sogar mit dem finsteren Jorn ungezwungene Gespräche anzuknüpfen. Aeshna sah es nicht ohne Sorge. Zum wiederholten Male fragte sie sich, ob die Kleine nicht zu sehr auf die Kunst ihrer Großmutter vertraute. Denn es stimmte schon, was Harvart gesagt hatte: Die Soldaten ließen Lournu nicht aus den Augen, und ununterbrochen hatten die Bogenschützen auf sie angelegt.

      Aeshna hätte mit den Kriegern spielend fertig werden können. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn mit der Magie war das so eine Sache. Man wusste vorher nie ganz genau, was passieren würde. Harvart würde das niemals begreifen. Lournu vielleicht. Später einmal. Wenn sie nicht vorher erschossen wurde.

      Aeshna seufzte. Der Weg durch die eisigen Einöden war auch an ihr nicht spurlos vorüber gegangen. Mit Genugtuung stellte sie fest, wie heruntergekommen das ehemals so stolze, schmucke Heer des fremden Königs aussah. Nein, es waren nicht bloß der Frost und der eisige Wind, die hier an den Nerven der Soldaten zerrten. Es war die Eiswüste selbst. Sogar die Leute aus Movenna durchquerten das Eisland nie ohne eine gewisse Scheu und waren dankbar, wenn sie unversehrt an Leib und Seele wieder heraus kamen. Denn in der ewigen Einsamkeit des Eises, unter dem ewig weißen Himmel mit dem ewig gleichen, einförmigen Horizont, gab es nichts als das Nichts. Nur noch das Nichts, dem schon der Einzelne nicht ohne weiteres gegenüber zu treten wagte. Um wie viel weniger diese riesige Armee. Wenn die Philosophen und Magier Movennas sich am Ende ihrer Ausbildung einige Wochen in das weiße Nichts zurückzogen, dann war dies trotz jahrelanger Vorbereitung immer noch eine höchst gefährliche Angelegenheit, und es kam immer wieder vor, dass jemand nicht zurückkehrte aus dem Nichts. Der tanzte nun wohl als Schatten mit den Geistern der Ahnen in Surbolds Tal um den Felsen des Königs.

      Aeshna sah besorgt zu Lournu hinüber. Sie hatte versucht, die Enkelin auf die Eiswüste vorzubereiten. Hatte versucht zu erklären, dass alle Wesen und Geister in der Wüste den Bewohnern Movennas freundlich gesonnen waren. Und auch, dass man sich mit dem Nichts befreunden musste, um es zu überleben.

      Viele von Harvarts Kriegern hatten es nicht verstanden, mit der eisigen Einöde umzugehen. Wie sollten sie auch, dachte Aeshna grimmig. Die meisten waren Söldner, nachgeborene Bauernsöhne zumeist, ausgesetzte Waisen die anderen. Gestrandete, auf deren Ausbildung niemand auch nur die geringste Mühe verwandt hatte. Gib ihnen ein Schwert in die Hand und jage sie in die Schlacht. Kehren sie lebendig zurück, so hast du erfahrene Soldaten, und du kannst sie in die nächste Schlacht schicken. Kehren sie nicht zurück, hast du wenigstens den Sold gespart und kannst dir neue damit kaufen. Aeshna schüttelte den Kopf. Es war kein Wunder, wenn diese Menschen in der Eiswüste durchdrehten. Eben erst war wieder einer von ihnen in irrsinniges, tierhaftes Geschrei ausgebrochen, war vom Pferd gesprungen und in wahnwitzigem Lachen davon gestürzt, und sie fanden ihn nicht mehr wieder. Und Lournu?

      Aeshna lenkte ihr Pferd näher an die Kleine heran und hörte zu, wie das Mädchen fröhlich auf den finster vor sich hinbrütenden Jorn einschwatzte. War es Bosheit, dass das Mädchen die Nerven des bis aufs Äußerste gereizten Kriegers mit Erzählungen aus den heiteren Tagen Movennas malträtierte? Aeshna glaubte es fast.

      „König Surbold war ein fröhlicher Mann“, plauderte Lournu munter und schlenkerte mit den Beinen unaufhörlich an der Seite ihres Ponys hin und her. „Seine Regierungszeit wird auch als das lachende Zeitalter Movennas bezeichnet. Kein Tag ging ins Land, an dem es nicht wenigstens einmal ein Gelächter gab, das selbst die Berge der eisigen Einsamkeit erschütterte. Solch ein König war König Surbold.“

      Jorn lachte böse. „Und das macht also deiner Meinung nach einen großen König aus, ja?“

      „Man erinnert sich an ihn“, stellte Lournu einfach fest. „Was ist schon ein König ohne Humor. Deinen lächerlichen Schattenkönig habe ich noch niemals lachen sehen. Und darum wird er eher vergessen sein, als du vielleicht glaubst.“

      „Ach wirklich, ist das so?“ Harvart hatte die unangenehme Angewohnheit, sich besonders leise von hinten zu nähern. Er hatte die letzten Worte des Mädchens mit angehört und trieb nun seinen Hengst drohend an das Pony heran.

      Doch Lournu ließ sich nicht einschüchtern von seinem finsteren Blick. „Sicher“, sagte sie. „Ein König, der keinen Sinn für Humor hat, ist es nicht wert, dass man sich seiner erinnert.“

      „Wenn ich erst mit deinem Land fertig bin, wird sich garantiert niemand mehr an deine großartigen Könige erinnern“, drohte er.

      Lournu lachte

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