Villa am Griebnitzsee. Beate Morgenstern

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Villa am Griebnitzsee - Beate Morgenstern

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im florentinischen Landhausstil oder Fachwerk mit Erkern und Türmen. Offene Balkone im oberen Stockwerk oder einen Umgang im obersten. Schönsten Stuck kann man betrachten und efeubewachsene Mauern.

      Susanne sah das Haus vor sich, in dem sie am liebsten gewohnt hatte: ein Ziegelbau, schiefergedeckt, der rund ausgeformte Erker im Dachgeschoss von Säulen gestützt, so dass das Gebäude wie ein kleiner Tempel anmutet. Zur Straßenseite schirmt das Grundstück eine Buchenhecke ab. Glasüberdacht der Gang zwischen hoher Nachbarmauer und Haus, noch ein Stück in den Garten hineinragend. Man kann bei Regen dort sitzen und schauen oder die Wäsche aufhängen. Und daneben die Glasveranda, in der Susanne wohnte, den Blick den langen Garten hinab mit seinen alten Bäumen. Der Garten beliebt. Da sonnten sich die Studenten. Babelsberg: der Klang des Namens verbunden mit Film, mit Ufa-Stars. Bei einigen Villen weiß man noch, wer sie erbauen ließ. Tauber-Villa, Urbig-Villa, die von Harry Piel, von Heinrich George. In der Villa auf der breiten Straße unten am Berg residierte Stalin während der Verhandlungen 45 mit den Alliierten. Ein großer Kasten, zwei Geschosse. Säulen tragen das breite Balkonoval. Der rückwärtige Blick zum Griebnitzsee hinunter, hier nun nur wenige Meter noch entfernt.

      Babelsberg wie Babylon, Sünden-Babel, Film-Babylon. Der Mensch, der immer noch wie Gott sein will und sich seine Welten illusionistisch und beliebig schafft. Die Zeit, die bekanntlich nicht aufzuhalten ist, lässt sich vorwärts und rückwärts spulen. Eine Kunst gibt es nur. Aber sie lebt von der Vielfalt der Sprachen.

      Die Filmhochschule war in verschiedenen Villen untergebracht, erklärte Susanne Georg. Die Stalin-Villa die berühmteste. In dem Haus traf man sich zu Festlichkeiten, zu Prüfungen. Oder weil man sich in der Bibliothek im Erdgeschoss Bücher auslieh.

      Ich hab was darüber gesehen, sagte Georg.

      Na, dann wissen Sie ja. Ich hab die Sendung aufgezeichnet, sagte Susanne. Von der Stalin-Villa überblickte man den ganzen Griebnitzsee.

      Auf der anderen Seite das Jagdschloss, sagte Georg.

      Susanne gab es einen Stich tief in ihr Inneres. Wie selbstverständlich war Georg dieses Wissen! Die Mauer war gefallen. Aber sie hatte an der Neu-Erkundung nicht teil. Ihr blieb ewig der sehnsuchtsvolle Blick auf die andere Seite. Das Gelände von Neu-Babelsberg ist von der Ufa auch als Filmkulisse benutzt worden, sagte sie. Im Park, vom Fürsten Muskau geschaffen, tanzte Marika Rökk. Vor der Tauber-Villa fuhr sie mit einer Kutsche vor. Nicht weit entfernt von der Stalin-Villa das Hauptgebäude. Zwei Häuser, durch einen Flachbau miteinander verbunden. Direkt am See gelegen, sehr großzügig angelegt das Gästehaus der Akademie für Staat und Recht. Wir nahmen diese Studenten üblicherweise gar nicht wahr. Aber man aß dort sehr gut. Allerdings musste man eingeführt werden. Für zwei Mark bekam man ein Steak, ein Schnitzel, Cordon bleu, Filet Stroganoff.

      Das lässt man sich gefallen, sagte Georg. Und wie viel Studenten waren in einem Zimmer? Endlich einmal stellte Georg von sich aus eine Frage!

      Im letzten Studienjahr war ich allein, antwortete Susanne. Eine Berlinerin hatte noch eine Schlafstelle bei mir. Die benutzte sie kaum. In der Regel wohnte man zu zweit, in Ausnahmefällen zu dritt. Zwei Mädchenhäuser hatten wir, fünf Jungenhäuser, wenn ich mich richtig erinnere. Die Zimmer unverschlossen. Es ging zu wie im Taubenschlag. Man kam, verschwand wieder. Alles sehr frei. Susanne lachte. Auf dem Flur konnte man unversehens einem Mädchen nackt begegnen. Oder jemand kam nackt ins Zimmer, wollte eben mal was wissen oder haben. Als die Schauspielmädchen und die von der Dramaturgie und Produktion noch im selben Haus wohnten, war es für uns kaum auszuhalten. Die Schauspielmädchen, von sich aus laut und mit ihren Sprechübungen: Mimimimimimi-mimimä-mimimo-mimima-mimimau-mimimu ...

      Susanne schaute zu Georg, prüfte, ob ihre Erzählung Erfolg hatte. Sie hatte. Georg griente vor sich hin.

      Und wir waren mit geistiger Arbeit beschäftigt. Das nervte. Geschlafen hat man wenig. Ich hab mir früh starken Kaffee gemacht, damit ich wieder auf die Beine kam. Geraucht wurde den ganzen Tag über, während der Vorlesungen, während der Seminare.

      Während der Vorlesungen?, fragte Georg.

      Wir waren ja zum Schluss nur noch vier und ein Dozent. Wir saßen im Geviert, ein Tisch blieb frei. Warum sollte man nicht rauchen. Mit Rauchen, starkem Kaffee, Tee, grünem chinesischen in fast tödlicher Dosis, hielt ich mich tagsüber aufrecht.

      Und wie viel Stunden hatten Sie pro Woche? Das studentische Leben schien Georg zu interessieren. Noch stand er selbst ja erst in den Startlöchern.

      52 bis 56, denke ich.

      Soviel? Im Ernst?

      Am sogenannten Fachtag ging es durch von acht Uhr früh bis sechs, acht Uhr abends mit einer kurzen Mittagspause, in der wir den Mensafraß runterschlangen. Und den Rest der Zeit saßen wir auch noch im Kino. Wir haben wunderbare Filme gesehen. Man pumpte in uns hinein. Zu der Zeit dachte man, im Fernsehen sollte ein zweites Programm aufgebaut werden, man würde viele gut ausgebildete Leute brauchen. Wir sollten die Elite werden, und wir waren uns aufgrund der Behandlung, die wir erfuhren, auch unseres Wertes bewusst. Freie Zeit für anderes blieb kaum. Sonnabend/Sonntag arbeiteten wir für uns. Wer nicht mitzog, blieb auf der Strecke, ganz klar. Sonntags fuhr man mittags mal nach Babelsberg rein in die "Ponybar", um was Vernünftiges zu essen, das war alles.

      Pferdefleisch?

      Bulette, Gulasch. Fleisch vom Wal. Wir hatten im Haus auch eine Küche. Aber die Töpfe, Pfannen so verdreckt, dass ich es gleich aufgab. Manchmal bemühte sich dort die Mutter einer bulgarischen Mitstudentin. Dann zogen herrlichste Gerüche durchs Haus.

      Hatten Sie eigentlich eine Aufsicht?, wollte Georg wissen.

      Manchmal gab es Razzien, um der Ordnung Genüge zu tun. Aber im Sekretariat des Direktors wurde ich als Vertreterin der Mädchen in der FDJ-Leitung rechtzeitig gewarnt. An den entsprechenden Abenden wurden die Herrenbesuche in den Mädchenhäusern eher entlassen. Nicht nur die Schauspielmädchen führten ein fleißiges Liebesleben.

      Und Sie, Frau Burkard?

      Ich habe an der Schule zum ersten Mal gemerkt, dass einem vor Liebe das Herz wehtun kann.

      "Wie lange waren wir zusammen, Kleines?" - "Ich habe die Tage nicht gezählt." - "Aber ich, und besonders erinnere ich mich an den letzten mit einem Mordsschluss. Ein Mann steht auf dem Bahnsteig mit einem wunderlichen Gesichtsausdruck, weil man ihm die Seele aus dem Leib gerissen hat."

      Hm, hm. Kennt man, brummte Georg.

      Aha, dachte Susanne. Er hat wohl gerade die erste Liebe hinter sich. Georg, gerade 19 geworden, teilte eine sehr wesentliche Erfahrung mit ihr.

      Susanne ging in ihr zweites Zimmer, suchte im Schrank nach einer Unterlage, die sie Georg für ein Amt mitzugeben hatte.

      Susanne griff einen falschen Hefter, aber so falsch war der doch nicht. Da, meine Abschlussarbeit vom ersten Studienjahr!, sagte sie, überreichte Georg den Hefter.

      Georg las laut: die Härte des Konflikts als Voraussetzung für die sozial aktivierende Verallgemeinerung im Film "Das Vaterhaus". Was soll'n das heißen?, sagte Georg. Das versteht doch kein Mensch! Er gab ihr den Hefter zurück. Und das nach dem ersten Studienjahr?!

      Susanne genoss Georgs Erstaunen. Im zweiten Studienjahr habe ich dann über das Pathos bei Majakowski, Eisenstein und bei Tschuchrai geschrieben, der die "Ballade vom Soldaten" drehte. Im Dritten war dann schon das Vordiplom fällig, eine Konzeption und ein Exposé für ein Szenarium, das ich dann im vierten Studienjahr vorlegte. Wir wurden ja im Fach Szenaristik ausgebildet. Wir sollten am Ende Filmdrehbücher

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