Villa am Griebnitzsee. Beate Morgenstern
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Susanne kann bezahlen! Na, mer hams doch!, sagt der Sachse. Der Lärm des Güterverkehrs, Susanne schläft spät ein, wacht früh auf, noch bevor man sie weckt.
Zum ersten Mal betritt Susanne den Vorführraum, in dem sie später so viele Filme sehen wird. Papa Rodenberg, Leiter der Fachrichtung Dramaturgie, begrüßt die Prüflinge. Es wird "Stärker als die Nacht" gezeigt, ein antifaschistischer Film. Machen Sie sich Notizen, sagt Papa Rodenberg. In einem anderen Haus schreiben Sie dann über das Thema dieses Films.
Wer weiß nicht, was ein Thema ist? Stille. Doch Susanne will sichergehen, dass sie und die Prüfungskommission dieselbe Vorstellung von dem haben, was ein Thema ist, hebt die Hand.
Daraufhin recken sich noch andere Hände. Aha!, sagt Papa Rodenberg. Schreiben Sie: Was geschieht warum! Die mündliche Prüfung in der berühmten Stalin-Villa. Die Anzahl der Prüflinge schon dezimiert. Einer, die kräuselnden Haare um zwei Zentimeter länger als üblich, und ein Vorderzahn fehlt ihm, kommt eine Stunde zu spät. Einfach so. Das macht Susanne auf ihn aufmerksam. Es ist Golzow. Ein Name, der in Nachwendezeiten gefragt bleibt. Jeweils zu dritt werden die Prüflinge gleichzeitig in den Saal gerufen. Papa Rodenberg attackiert eine Schnittmeisterin, deren Mann Regisseur ist. Ich habe nicht den Eindruck, dass Sie Dramaturgin werden wollen, sagt er. Um Ihrem Mann zu helfen, brauchen Sie kein Studium an der Filmhochschule! Einem jungen Mann ergeht es ebenfalls nicht gut. Ihm wird unterstellt, er hätte keine richtige Haltung. Man kann auch sagen Einstellung oder Standpunkt. Den Standpunkt der Arbeiterklasse hat man zu vertreten. Der Vorwurf, man täte dies nicht, schwer zu entkräften. An Susanne richtet man nur drei Fragen: Wie mahlt eine Arbeiterfrau den Kaffee? Susanne überlegt kurz. Sie zählt die Bohnen ab! Gut, sehr gut. Susanne scheint mit der Arbeiterklasse vertraut zu sein. Sie ist mit der Armut der Kriegs- und Nachkriegszeit vertraut. Aber die Antwort war auf jeden Fall richtig. Glück hat sie auch bei der zweiten Frage: Welches Buch würden Sie zur Verfilmung vorschlagen? Susanne nennt den Titel eines Buchs von Wolfgang Joho, einem zu jener Zeit anerkannten Autor. Auf dem Karl-Marx-Städter Bahnhof hat sie das Buch gerade gekauft. Noch niemand kennt den Titel. Das bringt ihr Pluspunkte ein. Sie erzählt die Geschichte, vier Menschenschicksale in der Nazizeit und kurz danach. Die Menschen, ihre Schicksale glaubhaft. Was interessiert Sie daran? Susanne pariert. Dann aus dem Hintergrund die Frage, die sie beinahe zu Fall bringt: Und gehen Sie auch mal tanzen? Susanne pariert wieder, wird mit einem Gelächter belohnt und nicht weiter befragt. Die eingereichten Erzählungen geben den Ausschlag, sie für das in diesem einen Jahr eingerichtete Fach Szenaristik, Drehbuchschreiben, anzunehmen. Es wird von ihr die Sage gehen als vom Wunderkind. Jedes neue Studienjahr belebt sich die Sage von einem Wunderkind, von der rührenden Hoffnung der Dozenten und Studenten genährt, ein Genie möchte unter ihnen sein. Der Stern erlischt spätestens, tritt im nächsten Jahr ein neues Wunderkind in Erscheinung. Die drei Prüflinge sind wieder draußen. Die Schnittmeisterin sagt böse zu Susanne: Na, Ihnen kann man ja gratulieren! Susanne fährt nach Gersdorf zurück. Am 17. Mai, das Datum vergisst sie nie, erhält sie ein Telegramm von ihrer Mutter: "Herzlichen Glückwunsch! Bist angenommen!" Oh, dann gehen Sie zum September weg, sagt die Bürgermeisterin traurig. - Ja, dann geh ich weg, sagt Susanne. - Oh, oh! Mehr als ein paar Klagelaute gesteht sich die Bürgermeisterin nicht zu. Denn jeder junge Mensch hat das Recht zu versuchen, alles aus seinem Leben zu machen. Vielleicht hat die Bürgermeisterin selbst noch Träume und ist erst am Anfang einer Karriere. Susanne bekommt im Frühsommer weitere Zulassungen: von der Leipziger Karl-Marx-Universität und der Berliner Humboldt-Universität. Die Entscheidung klar: Filmhochschule!
Zum Abschied sitzt sie bei Oberlehrer Schulzens in der weiß gestrichenen Glasveranda, Korbsessel darin, ein kleiner Tisch. Oberlehrer Schulz todunglücklich, während Susanne noch ein letztes Mal bewirtet wird. Ach, Mutter, Mutter, jammert er. Nun wird sie die letzten Nerven verlieren! Ob Sie das durchhalten!
Die Gersdorfer bereiten ihr einen großartigen Abschied im Klubhaus. Viel Schnaps wird getrunken. Doch Susanne hält sich fern, spielt noch einmal auf: Rosamunde! Einen riesigen Strauß Gladiolen überreicht man ihr. Und man winkt, winkt, als die Straßenbahn nach Hohenstein mit ihr abfährt.
Mario auf der Rückfahrt von den Ölfeldern. Im Siegestaumel des Todes nicht mehr achtend, rast, tanzt er mit seinem LKW die Bergstraßen entlang. Der LKW gerät aus einer Kurve, stürzt in die Tiefe, fängt Feuer. Verletzt der schöne Kopf Montands. Sirenen wie im Krieg. In seinen blutig geschnittenen Händen unversehrt eine gelochte Pariser U-Bahn-Karte. Die Sirenen werden dunkler, flauen ab.
Susanne hat den Fahrschein in ihr Glück und benutzt ihn. Zweimal besucht Susanne Oberlehrer Schulzens noch. Nach dem ersten Studienjahr und nach dem zweiten. Wieder sitzen sie in den Korbmöbeln der weiß gestrichenen Glasveranda. Susanne nun schlank, mehr, als es ihr guttut, die schwarzbraunen Haare modern geschnitten, bleiche Gesichtsfarbe, dicker schwarzer Lidstrich, Lippen geschminkt. Die Wangenknochen treten hervor, die lange, leicht gebogene Nase betont ihre Besonderheit, das Gesicht zum Kinn hin schmal. Susanne ist zufrieden mit ihrer Erscheinung. Oberlehrer Schulzens hingegen nicht: Mutter, hab ich's damals nicht gesagt!, sagt der Mann. Nun hat sie keine Nerven mehr. Und rauchen tut sie noch mehr! Und trinken? Nein, sagt Susanne, überhaupt nicht. Und was ist mit dem Kaffee? Susanne lacht. Da muss der Löffel drin stehen! - Ich hab's doch gesehen, sagt Oberlehrer Schulz. Vorhin der Kaffee, das war Ihnen nicht das Rechte! Oberlehrer Schulz schüttelt sorgenvoll den Kopf und kann sich an Susannes Bericht nicht freuen. Aber junge Menschen sind nicht aufzuhalten. Wie oft wird er das in seinem Leben schon erfahren haben.
IV
Der erste Dienstag im neuen Jahr. Georg kam, wünschte Susanne ein gutes neues Jahr und ein gesundes vor allem! Bald kehrte Georg von seinen Wegen zurück, ließ sich gesprächswillig auf dem Stuhl nieder, wartete, was Susanne sagte. Wie waren die Feiertage? Erkundigte sich Susanne.
Ach, ruhig, sagte Georg. Hab ausgeschlafen. Schlaf soll ja gesund sein.
Was ist mit den jungen Männern seiner Band? Dachte Susanne erstaunt. Sind es nicht seine Freunde?
Bin ganz froh, dass ich meine Ruhe gehabt habe, sagte Georg.
Nein, das glaube ich nicht, dachte Susanne. Ich bin als Studentin nach Weihnachten von zu Hause weggefahren ins Internat, sagte sie. Obwohl, da war ich ja auch allein.
Nach Babelsberg. Georg nickte, gab ihr zu verstehen, sie könne weiterreden.
Es war eine großartige Zeit an der Schule, sagte Susanne. Die beste in meinem Leben. Susanne begann zu erzählen von ihrem Babelsberg. Von dieser Stadt am Berg und auf dem Berg. Die Straßen, sich gemächlich vom Griebnitzsee hinaufwindend wie die von Mauern umgebenen des Turms von Babylon auf einem alten Gemälde, Grundstück an Grundstück. Die Grundstücke weitläufig. Mal ein steiler Durchgang entlang der Villen.