Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe - Peter Urban

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dachte er schließlich, „ das sieht immer noch recht gemütlich aus.“ Natürlich würden sie ihn alle für vollkommen verrückt halten, in seinem fortgeschrittenen Alter noch einen solchen jugendlichen Unfug mitzumachen. Aber wenn er sich jetzt ein paar Stunden ausruhte, dann war er vielleicht immer noch für einen kleinen nächtlichen Ausflug in den Wald gut, auch wenn er gewiss kein zweites Mal am selben Tag ein kleines Wunder, wie am Morgen vollbringen konnte. Aber sie würden sich Arm in Arm miteinander ins Moos legen und die Sterne betrachten und sich dabei gemeinsam daran zurückerinnern, wie überschwänglich sie in ihren jüngeren Jahren immer den Sommer willkommen geheißen hatten…und nicht nur den Sommer.

      „Neun hübsche Töchter“, sagte Aodrén ausgesprochen gutgelaunt und munter zu den süß duftenden Holundersträuchern, die am Ufer des Sees in voller Blüte standen, „und drei Dutzend fröhlicher Enkelkinder. Das ist doch gar nicht so übel für einen knorrigen, alten Baum!“

      Maeliennyd hatte eigentlich vorgehabt sich umdrehen und so leise, wie möglich davonschleichen, denn sie wollte nicht, das der weise Mann sich irgendwie verletzt fühlte, weil sie ihn unbeabsichtigt bei seinem kleinen Selbstgespräch belauscht hatte. Aber Aodrén musste ihre leichten Schritte wahrgenommen haben, denn er drehte sich um.

      „Ach, Du bist es, Herzogin von Cornouailles“, rief er munter und winkte ihr vergnügt zu. Seine Mundwinkel zuckten amüsiert und seine haselnussbraunen Augen lachten, als er mit der knochigen Rechten einladend auf den Ast klopfte, auf dem er es sich bequem gemacht hatte.

      Maeliennyd holte tief Luft, fuhr sich rasch mit einem Taschentuch über die Lippen, die vom Genuss der fruchtigen, säuerlichen Spinaterdbeeren rot und klebrig war und streckte ihm schließlich ihre Hand entgegen, um sich schwerfällig auf den angewiesenen Platz helfen zu lassen. Der unförmige, geschwollene Leib machte es ihr nicht leicht, auf dem schmalen Ast das Gleichgewicht zu halten und dabei ihre Würde zu wahren. Gutmütig legte Aodrén den Arm um sie.

      „Ich habe mich eine Weile mit den Frauen unterhalten…“, erklärte sie, sozusagen als Entschuldigung für ihre einsame Wanderung im Wald.

      „Und da diese sich im Augenblick mehr für das Kochen, das Braten, das Backen und das Kinderkriegen interessieren, hast Du beschlossen die Flucht zu ergreifen, bevor es Dir von dem vielen Durcheinandernaschen wieder einmal speiübel geworden wäre“, spottete der alte Mann und tätschelte in einer vertraulichen Geste sanft den schwangeren Leib der Herzogin.

      „ Interessieren diese Dinge Dich im Augenblick wirklich nicht, mein Kind“, fragte er mit leisem Spott in der Stimme, „oder bedauerst Du etwa doch Deine waghalsige Entscheidung, meinen Trank abzulehnen.“ Das Lachen hatte sich aus seinen haselnussbraunen Augen davongeschlichen und einem prüfenden, besorgten Blick Platz gemacht. Aodrén war der ständige Heißhunger der Herzogin von Cornouailles im Verlauf der letzten Wochen natürlich nicht entgangen, genauso wenig, wie die Tatsache, dass sie trotzdem ständig an Gewicht zu verlieren schien. Und unter ihren Augen zeichneten sich kaum merklich feine, dunkle Ringe ab, die darauf hindeuteten, dass sie nachts nur wenig Ruhe fand. Obwohl ihre Haut von der Sonne bereits zart braun gefärbt war, entging es seinem erfahrenen Blick nicht, dass sich unter dieser frühsommerlichen Bräune eine leise Blässe der Anstrengung verbarg. Maeliennyd Glyn Dwyr schien schwer an ihrem sechsten Kind zu tragen.

      Sie war bereits fünfunddreißig Jahre alt gewesen, als sie zu ihrer eigenen großen Überraschung und dem Entsetzten ihres Gemahls festgestellt hatte, wieder schwanger zu sein…sieben lange Jahre nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes Glaoda.

      Ambrosius Arzhur hatte an jenem Tag seine Herzogin angefleht, das Kind abzustoßen, denn er erinnerte sich immer noch voller Grauen an jenen anderen Tag, an dem sein jüngster Sohn auf die Welt gekommen war…genauso, wie Aodrén selbst sich natürlich daran erinnerte. Glaoda hatte Maeliennyd damals beinahe umgebracht. Doch die Herzogin war aus irgendeinem undurchschaubaren Grund ungewöhnlich stur geblieben und hatte dickschädelig darauf beharrt, entgegen alle Vernunft dieses Kind auszutragen.

      Während der Geburt ihres jüngsten Sohnes, als die Schmerzen der Herzogin kein Ende genommen hatten, hatte Ambrosius Arzhur seine gepeinigte Gemahlin gar für eine kurze Zeit aus ihrem Körper geholt. Aodrén nahm an, dass sie damals gemeinsam einen Augenblick lang voller Entsetzen auf Maeliennyds geschundene Hülle hinuntergeblickt haben mussten, denn sie hatte ihrem Gemahl ein paar Tage später, als sie sich wieder etwas besser gefühlt hatte, hoch und heilig geschworen, niemals mehr ein solches Risiko auf sich zu nehmen. Cornouailles hatte zwei gesunde Söhne. Die Zukunft und das Überleben des kleinen Landes waren gesichert.

      „Ich habe alles vergessen, Aodrén“, sagte die Herzogin von Cornouailles fast entschuldigend und mit leiser Stimme, „ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern. Und nein…ich bedauere es nicht“, fügte sie ein wenig lauter und sehr bestimmt hinzu, „ ich bin froh, nicht auf Dich gehört zu haben.“

      Aodrén blickte sie verwundert an. Die Art und Weise, wie sie diese letzten Worte ausgesprochen hatte, hatten ihn ein wenig erschreckt. Er erinnerte sich noch sehr gut: Er hatte damals drei endlos lange Tage und drei grauenvolle Nächte an ihrer Seite verbracht; Ihr ganzer Körper hatte im Fieber geglüht. Keiner seiner Heiltränke hatte dieses Kindbettfieber zu Anfang senken können. Sein ganzes Wissen, seine ganze Kunst und die Erfahrung von Jahrzehnten schienen nutzlos. Und dann hatte die Gluthitze abwechselnden Hitze-und Kälteschauern Platz gemacht, die Aodrén vorgekommen waren, wie Wochen, Jahre, Jahrhunderte. Er konnte heute nicht einmal mehr sagen, wer damals vor sieben Jahren wirklich den Sieg über den Tod davongetragen hatte…er und seine Heilkunst und seine Zauber oder ihr walisischer Dickschädel und die legendäre Sturheit, die Maeliennyd Glyn Dwyr von ihrem Vater König Owain geerbt hatte. Vielleicht war es ja auch unwichtig.

      Er schluckte kurz und trocken. In den Augen der Herzogin von Cornouailles bemerkte er eine unnachgiebige Härte und eine trotzige, geradezu kindische Entschlossenheit, die ihm furchtbare Angst einjagte. „Herzogin“, versuchte er sie zur Vernunft zu bringen, doch sie schnitt ihm barsch das Wort ab.

      „Nein, Aodrén. Ich bereue es wirklich nicht und außerdem vertraue ich darauf, dass Du auch dieses Mal wieder alles tun wirst, was in Deiner Macht steht, um das Kleine gesund und sicher auf die Welt zu bringen“, sagte sie bestimmt. Ihre schlanke, feingliedrige Hand löste sich von dem Ast, an dem sie Halt gesucht hatte und legte sich in einer Geste tiefer Vertrautheit und großer Zuneigung auf die bärtige Wange des alten Mannes. „Es ist der Wille der höheren Mächte. Sie haben mir dieses letzte Kind geschenkt“, dann erhob sie sich schwerfällig und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen zurück in Richtung der Festung von Carnöet.

      V

      Ich erinnere mich ganz genau“, antwortete Ambrosius von Cornouailles seinem Freund trocken. Die dunklen Augen des Herzogs blickten in eine weit entfernt zurückliegende Vergangenheit, während er mit seinem Bericht fortfuhr.

      „Alles hat sich damals einfach in Luft aufgelöst: die königliche Kommission wurde über Nacht entlassen, de Cramoisi wurde hinausgelobt und mit einem Sack Gold und einem Landsitz irgendwo in der Nähe von Aulnay abgefunden. Sein Sekretär verschwand in die Provinz, wo er sich im Handumdrehen eine gutbetuchte Witwe und einen Titel erschleichen konnte. Flamel erklärte alle seine großzügigen Stiftungen ohne Probleme. Sein Weib hatte von ihrem Vater, dem Zunftmeister der Buchbinder, ein ansehnliches Vermögen geerbt, das sie sehr gewinnbringend angelegt hatten. Schließlich hatten sie die Buchbinderei verkauft und damit noch einmal einen guten Gewinn erwirtschaftet. Er selbst verdiente mit seinem Skriptorium auch nicht schlecht und der Gehalt, den das Collegium Sorbonianum ihm auszahlte war beachtlich. Soweit ich mich erinnere hat niemand jemals dieses berüchtigte Grimoarium zu Gesicht bekommen….nicht Aodrén und nicht Dein Großvater, die beide wochenlang ihre Nasen an den Butzenglasscheiben

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