Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban
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„Ich habe das Grimoarium gesehen“, sagte Guy de Chaulliac und in seiner Stimme schwangen Triumph und auch ein klein bisschen Selbstgefälligkeit. „Und nicht nur das, Ambrosius. Meister Nicolas Flamel hat mir die ganze Geschichte erzählt: Wie er das Grimoarium in die Finger bekam, seine Suche nach dem Sinn der Handschrift, seine Forschungen und schließlich seinen Erfolg. Alles, von Anfang bis Ende…ohne jeden Zwang, einfach so…vor einem warmen Herdfeuer, bei einem guten Glas Rotwein. Mein Freund, es ist in der Tat die Übersetzung, die Bernard de Clairvaux für Hugues de Payns angefertigt hat und die damals gestohlen wurde…ich bin mir ganz sicher…es ist die Übersetzung der Handschrift des Abraham Eleazar.“
„Die Bude war ein Kuriosum“, wiederholte Chaulliac die Worte von Nicolas Flamel, „Auf dem Pont-de-Change halten eigentlich nur die Goldschmiede und die Geldwechsler ihre Geschäfte. Doch der Alte, der dem Notarius damals für den reinen Metallpreis der Messingbeschläge das Manuskript verkaufte, schien ein Pfandleiher, dem es irgendwie gelungen war, sein schmieriges Gewerbe unbemerkt von den königlichen Aufsehern und den Zunftherren auf die Brücke zu schmuggeln. Die Handschrift war einfach achtlos in einen Korb voll alter Metallteile geschmissen worden. Die Beschläge, die den Einband verschlossen hielten, waren völlig verkanntet und ließen sich nur noch mit Gewalt öffnen.“
„Das ist unglaublich“, erwiderte Ambrosius leicht schockiert. „Offensichtlich hat der Mann, den der Großmeister beauftragte, die Templer-Dokumente sicher ins Ausland zu bringen, die Übersetzung doch wieder nach Frankreich zurückgebracht. Aodrén hegte diesen Verdacht ja schon von Anfang an. Ich kann Dir nicht sagen warum, aber er misstraute Diniz von Portugal. Der König schien ihm in dieser ganzen sonderbaren Intrige irgendwie zu hilfsbereit und zu uneigennützig. Ich für meinen Teil würde den Mann, der dafür gesorgt hat, dass das Manuskript unterschlagen wurde allerdings eher im engsten Umfeld der Vertrauten von de Molay selbst suchen. Vielleicht war es ja Sinclair, der Schotte. Er brachte damals nicht nur die Hälfte der Kriegsflotte des Ordens in Sicherheit, sondern auch den größten Teil ihres Schatzes: das Silbers und das Gold, das sie kaum eine Woche bevor Phillipe, de Molay und de Charnay festnehmen ließ übers Meer geschickt haben. Sinclair ist hinterher niemals wieder irgendwo in der bekannten Welt aufgetaucht. Mein Großvater hat sogar Spione nach Schottland geschickt, als Robert the Bruce allen Templern, die es wünschten ohne irgendwelche Bedingungen an sie zu stellen Zuflucht in seinem Reich gewährte.“
„Wenn ich mich richtig erinnere, dann war es doch genau diese portugiesische Hypothese gewesen, um deren Willen sich mein Großvater und Aodrén damals zerstritten hatten. Und auch mein Vater glaubte nicht daran und der Streit, den Aodrén vom Zaun gebrochen hatte, ging mit ihm ohne Unterlass munter weiter“, sagte Chaulliac lakonisch, „ denn sowohl mein Vater, als auch mein Großvater vertraten die Auffassung, dass es der Vertrauensmann von Jacques de Molay selbst gewesen war, der die Übersetzung des Abraham-Manuskriptes entwendet hat. Aodrén jedoch, tat ihn nur als einen unwichtigen Handlanger ab, unwissend und dumm; ein paar breiter Schultern und ein scharfes Schwert, weiter nichts. Ein Kriegshund, den de Molay zur Bewachung seiner Unterlagen abkommandiert hatte. Doch dieser Mann alleine hatte jede Gelegenheit, die Truhe unbeobachtet zu öffnen und das Manuskript zu entnehmen. Lediglich de Molays Testament hat versiegelt in der Kiste gelegen; alle anderen Dokumente wurden Villanova in gebundener Form übergeben, mit soliden Umschlägen aus Leder und genauen Inhaltsverzeichnissen. Der Kerl ging kein besonders großes Risiko ein, nur weil er den Inhalt von de Molays Testament nicht kannte. Er muss im Auftrag einer Splittergruppe im Inneren des Templerordens selbst gehandelt haben. Er stammte aus Okzitanien, aus dem Pays d'Oc...so viel ist sicher, auch wenn niemand je herausfand, wie er wirklich hieß oder zu welcher Familie er gehörte hat. Wir haben aber stichhaltige Beweise dafür gefunden, dass diese Splittergruppe der Templer nicht nur real existiert hat, sondern ebenfalls einen Plan vorbereitete, sich ganz Südfrankreichs zu bemächtigen und es zu einem unabhängigen Reich zu erheben, genauso, wie die Ritter des Deutschen Ordens es im Osten getan hatten, oder die Hospitaler auf der Insel Rhodos. Der Templerorden ist in den Jahren gleich nach seiner Gründung in den Provinzen von der Garonne bis an die Rhone schnell gewachsen und er war gründlich von Parteigängern der Reinen und von Credentes unterwandert worden…bis ganz nach oben in die höchsten Ämter und Würden…Männer aus den Familien Tranceval, de Montreal, Foix, Blanchefort, Verwandte der Grafen von Toulouse…’
VI
Maeliennyd seufzte zufrieden, als sie endlich wieder vor der Tür zu ihrem Gemach stand. Der lange Spaziergang im Wald hatte ihr gut getan und nicht einmal der Gedanke an die Unterhaltung mit Aodrén vermochte ihre wunderbare Laune zu beeinflussen. Ihre Kammerfrau döste auf der Bank am Fenster, fest in ihren Umhang gewickelt, obwohl es selbst hinter den dicken Mauern der Festung überhaupt nicht mehr kalt war. Die anderen Dienstleute waren bereits verschwunden, um sich im Innenhof der umtriebigen Festung oder in der kleinen, bunten Zeltstadt, die sich für ein paar kurze Frühlingstage vor den Mauern von Carnöet eingerichtet hatte mit Freunden, Verwandten und Bekannten zu treffen, die aus der ganzen Umgebung und aus den grenznahen Dörfern der Bretagne gekommen waren. Ihr Gemahl verbrachte die Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit vermutlich mit seinem alten Freund Guy de Chaulliac, der inzwischen aus Concarneau eingetroffen war und ihre Frauen mussten sich bereits hinunter auf die große Wiese begeben haben, wo Ambrosius Arzhur in wenigen Stunden seine Gefolgsleute und Vasallen zu einem großen Festschmaus einladen würde. Maeliennyd blickte noch einmal auf ihre Kammerfrau: Hatte sie etwa den ganzen schönen Tag hier verschlafen, während sie auf die Rückkehr ihrer Herrin gewartet hatte?
Die Herzogin zuckte die Schultern. Sie würde Bran’wen heute nicht mehr brauchen und ankleiden konnte sie sich auch ohne fremde Hilfe. Sie weckte die Alte, die sich mürrisch aufrappelte und dann auf den Weg zu ihrer eigenen Kammer am Ende des Flures machte. Dann ging sie in ihr Gemach. Dort zog Maeliennyd sich einen gemütlichen Lehnstuhl neben einen kleinen Tisch, auf dem in einer großen Schale getrocknetes Obst und ein paar kandierte Süßigkeiten aus Al Andalus für sie hergerichtet worden waren. Zufrieden seufzend legte sie die Füße auf einen Hocker und schloss die Augen. Sie wollte sich ein wenig ausruhen, bevor sie sich für das Fest vorbereitete.
VII
Ambrosius verzog leicht das Gesicht, doch er beherrschte sich. Sie hatten den Felsengarten zwischenzeitlich verlassen und lediglich der leere Krug Wein und die beiden benutzten Becher auf der Bank neben der Quelle erinnerten noch daran, dass sie sich lange dort unterhalten hatten. Es machte keinen Sinn den alten Streit wieder aufleben zu lassen…nicht einmal um den Preis eines solch außergewöhnlichen Geheimnisses. Die verschwundene Übersetzung der Templer hatte innerhalb der weißen Bruderschaft während der letzten einhundert Jahre für zu viel Zwist und Streit gesorgt.
„Die Theorien Deines Vaters und Deines Großvaters in Ehren, Guy“, erwiderte der Herzog darum sehr vorsichtig, während sie Seite an Seite über den Innenhof der Festung zum Wohngebäude schritten. Hier bestand keine Gefahr von irgendjemandem versehentlich belauscht zu werden. Carnöet und die grasbewachsene, freie Fläche, die sich auf einer Seite der Festung bis hinab zum Fluss erstreckte glichen einem Bienenschwarm. Alles war aufgrund der Vorbereitungen für das Fest nur Aufruhr und ein ständiges Kommen und Gehen, “…doch aus welchem Grunde hätten sich Bernard Délicieux und die Carcassoner damals um Beistand ausgerechnet an den schwachen König Ferdinand von Mallorca wenden sollen, wenn sie doch den mächtigen Orden des Tempels zum Verbündeten gehabt hätten. Außerdem; die Reinen des Languedoc waren zur Zeit des Falles der Templer bereits im Wesentlichen ausgerottet…die Inquisition…“
Ambrosius hielt mit einer kurzen Handbewegung eine vorbeieilende Magd auf, die einen riesigen Korb mit kleinen, ofenfrischen Broten balancierte. Lächelnd stibitzte er dem Mädchen ein Gebäck, brach es und streckte die eine Hälfte Chaulliac hin. Dabei blitzte am Handgelenk seines sehnigen, dunklen Armes kurz ein quadratisch geschliffener, blutroter Stein in der Sonne auf, der die Mitte eines schmalen, silbernen Reifes mit scheußlichen Totenköpfen und merkwürdigen Schriftzeichen schmückte.
Guy