Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe - Peter Urban

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selbst bemerkte er einen Scheit, der immer noch leise vor sich hin kokelte. Das war in der Tat ungewöhnlich.

      Kein vernünftiger Mensch wäre je auf die Idee gekommen, bei dem wunderbar warmen Wetter draußen und den weit aufgerissenen Fenstern des Gemaches ein Feuer zu entzünden. Er schluckte, als er sich eingestehen musste, dass er nicht nur den Grund für die unnatürliche Schwäche von Maeliennyd Glyn Dwyr erkannte. Er hatte auch eine genaue Idee hatte, wie es dazugekommen war, dass sie hingefallen und sich so böse angeschlagen hatte.

      „Geht“, sagte der Aodrén mit einer Stimme, die keine Widerworte zuließ. Seine für gewöhnlich gütigen, haselnussbraunen Augen blitzten kalt und hart, „geht alle und lasst mich mit der Herzogin alleine. Schickt lediglich die Magd mit dem heißen Wasser und weiteren sauberen Tüchern und dann lasst uns alleine. Niemand darf uns in den nächsten Stunden stören, wenn Euch das Leben der Weißen Dame von Concarneau am Herzen liegt und das ihres Kindes. Ich habe Maeliennyd mein Ehrenwort gegeben. Dieses Kind wird gesund zur Welt kommen und die Herzogin wird weiterleben.“ Die letzten Worte hatte er so leise ausgesprochen, dass niemand im Raum sie gehört hatte.

      XII

      Aodrén nahm wieder den Becher und füllte ihn aus dem Krug mit heißem Kräutertee. Es waren verschiedene Pflanzen, die in den ersten Monaten einer Schwangerschaft unweigerlich zum Abort führten, die aber im Augenblick der Geburt die Wehen beschleunigten und die Muskeln des Bauches entkrampften. Sanft legte er den Arm um die Schultern der Herzogin und richtete sie noch einmal vorsichtig auf. Dann presste er den Becher gegen ihre Lippen und beschwor sie mit eindringlicher Stimme zu trinken, soviel sie konnte. „Was in aller Welt hat Dich nur zu dieser Narretei veranlasst? Das kalte Feuer zu beschwören...“, tadelte er sie leise. In seinen Augen stand neben der Sorge auch Enttäuschung geschrieben.

      Maeliennyd trank mühevoll und zwang sich das bittere Gebräu hinunterzuwürgen, obwohl alles in ihr gegen den Geschmack der Kräuter rebellierte. Seitdem sie nach einem explosionsartigen, unmenschlichen Schmerz die Wasser verloren hatte und hingefallen war, hatte sie keine Wehe mehr gespürt. Selbst als sie sich mit letzter Kraft auf den Rücken gerollt hatte, war der nach fünf erfolgreichen Geburten so vertraute Schmerz ausgeblieben. Ihr war lediglich immer noch speiübel und sie fühlte sich völlig verbraucht und zu Tode erschöpft. Sie fühlte sich nicht einmal mehr im Stande, den Becher mit dem Kräutertee zu halten und nur Aodréns stützender Arm verhinderte, dass sie sich einfach zurück in die Kissen sinken ließ. Sie wusste, wie gefährlich es war magische Kräfte zu beschwören, während man mit einem Kind schwanger ging. Niemals hätte sie aus eigenem Antrieb das kalte Feuer entfacht. Sie spann ja nicht einmal in diesem Zustand. Sie wusste, dass diese eintönige Tätigkeit sie in einen Zustand zwischen Schlafen und Wachen versetzen konnte, in dem sie plötzlich Dinge sah, die erst kommen würden. Die Flammen waren einfach da gewesen und hatten sie dann stetig in ihren Bann gezogen. Sie war nicht mehr imstande gewesen, den Blick abzuwenden und der Versuchung zu widerstehen, einen Hauch aus dem großen Wind der Zeit zu spüren. Diese seltsame und unheimliche Gabe war Macht und Fluch zugleich. Nachdem Maeliennyd noch ein paar Schlucke Tee hinuntergewürgt hatte, hob sie die Hand und bedeutete dem alten Mann, den Becher zur Seite zu stellen. Dann erwiderte sie mit schwacher Stimme. „Es war nicht mein eigener Wille, Aodrén.“

      Die haselnussbraunen Augen des alten Mannes wanderten prüfend über ihr bleiches, vom Schmerz gezeichnetes Gesicht. Erst als er wirklich überzeugt war, dass die Herzogin von Cornouailles wahr gesprochen hatte, nickte er und nahm ihre zierliche, feingliedrige, eiskalte Hand in die Seine: „Mein liebes Kind“, seufzte er, „es ist bereits zu spät, um noch irgendetwas aufzuhalten. Ich sehe nur einen einzigen Ausweg. Und wenn Du den Mut hast und mir vertraust, dann können wir gemeinsam versuchen, die ganze Sache zu beschleunigen. Du hast das Kleine ein bisschen länger als achtundzwanzig Wochen unter dem Herzen getragen. Obwohl Deine Zeit noch nicht gekommen ist, ist es doch schon ein vollständiger, winzig kleiner Mensch. Als ich einst an der Schule zu Salerno studierte, da brachten sie uns ein solches zu früh geborenes Kind. Die unglücklichen Eltern hatten es in einem Körbchen auf dem Marktplatz liegen lassen. Es war wohl, um die Kosten für ein Grab zu sparen. Die Gelegenheit mehr über den menschlichen Leib zu erfahren war günstig. Wir zögerten natürlich nicht, heimlich den kleinen Leichnam zu öffnen und hineinzusehen. Alles war dort vorhanden, genauso, wie bei einem Wesen, das zur richtigen Zeit geboren wird.“

      „Aber ein solches winziges Geschöpf kann doch unmöglich am Leben bleiben, Aodrén“, erwiderte die Herzogin verzweifelt, „selbst wenn es vollständig ist. Wie soll denn ein so kleines Herzchen schon schlagen können.“

      „Genauso, wie es jetzt schlägt, meine Liebe“, erwiderte der weise Mann mit leisem Spott und legte vorsichtig seine Hand über Maeliennyds Leib. „Natürlich ist das Geschöpf arg zerbrechlich und man muss es mit allergrößter Vorsicht handhaben, bis es außerhalb des Mutterleibes zu seiner richtigen Größe heranwächst und genug eigene Lebenskraft besitzt. Es wird vielleicht auch niemals genauso stark und so kräftig sein, wie ein normal geborenes Kind. Aber Du weißt, dass meine Schutzzauber mächtig sind. Alle Deine anderen Kinder sind gesund herangewachsen und nicht ein einziges ist jemals ernsthaft krank gewesen oder gar gestorben. Warum sollten die höheren Mächte mich für dieses sechste Kind von Cornouailles nicht genauso erhören, wie für die Fünf anderen. Wenn sie es waren, die Dir das kalte Feuer geschickt und dadurch bestimmt haben, dass das Kind zu Bealltainn auf die Welt kommen soll, dann werden sie auch ihre schützende Hand über es halten. Es ist ihr Wille, dass Dir im Zeichen des Lichtes dieses letzte Kind geboren werden soll.“

      Die Herzogin seufzte und zwang sich dazu aufrecht zu sitzen, obwohl die Schwäche ihrer Glieder ihr schwer zu schaffen machte. Der heiße Kräutertee in dem sie deutlich Wermut, Engelwurz und Rosmarin schmeckte, hatte ihren Magen endlich beruhigt. Das Gefühl der Übelkeit war fort. Sie spürte jetzt nur noch einen dumpfen Druck, wie von einem Gürtel, der zu fest geschnürt worden war. Dieses Unwohlsein war erträglich. Auch die Schmerzen in ihrem Kopf, den sie sich beim Fall angeschlagen hatte, wurden zunehmend schwächer.

      „Es war…“, sie hielt kurz inne, um tief durchzuatmen und sich Mut zu machen. Sie fühlte, dass es wichtig war jetzt in Worte zu fassen, was sie zuvor so erschreckt und verstört hatte. „Es war…seltsam, Aodrén. Nein, nicht seltsam, eher unverständlich, fast wie ein Rätsel, das die Aes Sidhe mir zu lösen gaben.“ Maeliennyd griff mit der Hand nach dem Becher und trank noch einen Schluck Kräutertee. Das Gebräu schmeckte widerlich, aber es tat ihr gut und der Rosmarin belebte ihre Sinne. „Sie zeigten mir die Nacht der Sommersonnwende im letzten Jahr: Wie mein Gemahl mich zuerst, wie ein närrischer Jüngling mit einem Kranz aus Ähren und dunkelblauen Kornblumen geschmückt und dann zu einer kleinen, gut versteckten Waldlichtung an einer Biegung der Laïta geführt hatte. Wir waren dort ohne irgendwelche tieferen Gedanken einfach wie ein frischverliebtes Paar zusammen gewesen und hatten in diesem vertrauten Augenblick im fahlen Licht des neuen Mondes absolut nichts getan, dass irgendwie die Macht der Sidhe beschworen hätte. Und trotzdem empfing ich in eben dieser Nacht ein Kind der Sonnwendfeuer.“

      Aodrén lauschte interessiert, während seine Hand immer noch auf dem Leib der Herzogin ruhte, um jederzeit auch nur die kleinste Veränderung ihres Zustandes oder die nächste Wehe fühlen zu können. Bereits als er die letzten Überreste des noch glühenden Holzscheites bemerkt hatte, war ihm ein ähnlicher Gedanke gekommen. Er hatte sich so zusammengereimt, dass das Kind unter Umständen vielleicht doch eine Chance hatte zu leben. Jetzt war er sich seiner Sache sicher. Die Magie der weißen Dame von Concarneau war stark und ihre Visionen betrogen sie nie. „Weiter“, ermutigte er Maeliennyd Mut sich zurückzuerinnern. Er wusste, dass der Herzog von Cornouailles in diesem Augenblick trotz seiner Angst um seine Gemahlin und seiner Verzweiflung bereits auf dem Weg hinunter zum großen Steinring im Wald am Ufer der Laïta war. Es war Ambrosius‘ Pflicht, den Segen über das Land zu sprechen und gemeinsam mit den anderen Drouiz die beiden ersten der Bealltainn-Feuer zu entzünden. Sobald sie brannten und die Drouiz ihre Gesänge anstimmten, wurde der Schleier zwischen der weißen

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