Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe - Peter Urban

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gebären. Er fühlte, dass die größte Gefahr jetzt nicht mehr für das Leben von Maeliennyd bestand, sondern für das kleine Wesen selbst. Es musste schnell gehen, ansonsten würde das Kind sich so sehr erschöpfen, dass es keine Kraft mehr hatte, um den ersten Atemzug zu tun.

      „Jetzt“, sagte er bestimmt und bemühte sich, seine Stimme so optimistisch, wie nur irgend möglich klingen zu lassen. Dann legte er die Linke zurück auf den Leib der werdenden Mutter und drückte fest.

      XVI

      Bran’wen starrte auf den Ollamh und auf das Bett auf der anderen Seite des Zimmers. Der süße Duft des Kräuteröls in der Tonschale hatte auch ihre Sinne ein wenig betäubt. Sie verspürte unbändige Lust, die Augen zu schließen, doch ihr Herz wollte jetzt nicht schlafen, sondern ihrer Herrin, so wenig dies auch nützen mochte, in dieser schweren Stunden beistehen.

      Sie hatte sich hingekniet und ihre Arme auf der Truhe verschränkt. Aodrén schien so in seiner Arbeit der Geburtshilfe gefangen, dass er der Ecke des Raumes in der sie sich versteckte, keine Beachtung schenkte. Die Herzogin selbst kämpfte viel zu schwer, um überhaupt noch etwas anderes wahrzunehmen, als den Schmerz und das Gesicht des weisen Mannes direkt vor ihr. Bran’wen war froh, dass er es war, der Maeliennyd Glyn Dwyr beistand. Er war mächtig und seine Magie war stark. Wenn immer es möglich war, dann schickten die Weiber, die ein Kind zur Welt bringen mussten nach dem Ollamh, denn er besaß ein fast grenzenloses Wissen und höchste Weisheit. Und wenn immer es möglich war, dann kam Aodrén auch zu ihnen. Er machte dabei niemals einen Unterschied zwischen arm und reich, wohlgeboren, oder Taglöhner.

      Obwohl er noch viel älter war, als sie selbst, war ihm kein Weg zu weit oder zu gefährlich, wenn es darum ging einer Frau in diesem gefährlichen und schwierigen Augenblick beizustehen. Selbst im tiefsten Winter oder im strömenden Regen stieg der Ollamh auf seinen Falben und ritt hinaus.

      Maeliennyd Glyn Dwyr schrie plötzlich gellend auf und Bran'wen sah, wie etwas Silbern in Aodréns Hand aufblitzte. Schließlich hörte sie, wie er die Herzogin dazu anspornte noch ein letztes Mal ganz tief Luft zu holen. Es war offensichtlich fast vorbei. Im Licht der Fackeln und des Vollmondes erkannte die alte Frau das seltsame, scharfe Messer aus bläulichem Stahl, von dem es hieß, der Ollamh habe es von einer seiner weiten Reisen ans andere Ende der Welt mitgebracht. Sie hatte ihn einmal beobachtet, wie er damit einen zerquetschten Finger amputiert hatte. Alles war so schnell gegangen, dass der verletzte Köhler nicht einmal die Zeit gehabt hatte, zu schreien.

      „Ich hab nur Platz für das Köpfchen geschaffen“, erklärte der Ollamh ihrer Herrin. Er war gelassen und seine Stimme klang selbstsicher. „Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Der Schnitt durch den Damm heilt viel schneller, als wenn ich zugelassen würde, dass das Kind Dich zerreißt.“ Bran'wen konnte genau sehen, wie er mit der Rechten den Kopf des Kleinen stützte, um zu vermeiden, dass dieser sich zu schnell nach hinten beugte. Seine Linke presste einen feuchten Lappen gegen den Unterleib von Maeliennyd, während er weiter in ruhigem Ton jeden seiner Handgriffe kommentierte. Bran'wen lies nun alle Vorsicht außer Acht. Sie stand vom Boden auf und setzte sich auf die Truhe, damit sie besser sehen konnte. Aodrén schien den Kopf des Kindes zu drehen und zu senken, damit die vordere Schulter geboren werden konnte. Ihre Herrin seufzte plötzlich laut und voller Erleichterung. Noch bevor Bran'wen begriff, was gerade geschehen war, hatte der alte Mann sich erhoben und ein winziges, blutiges Bündel, nur durch die Nabelschnur mit dem Mutterleib verbunden, lag auf dem Bauch von Maeliennyd. Ihre Herrin legte beschützend beide Hände über das kleine Wesen und weinte hemmungslos. Es waren Tränen des Glückes und der Erleichterung.

      XVII

      „Ein Knabe! Du hast Deine Sache sehr gut gemacht Herzogin.“ Aodrén wusch sich in der Waschschüssel gründlich die Hände.

      Er musste nur noch die Nabelschnur durchtrennen und abbinden und dann dem kleinen Kerl vorsichtig den Schleim aus Mund und Nase entfernen.

      Seine haselnussbraunen Augen blitzten vergnügt. Diese alte Närrin Bran'wen hinten in der Ecke hatte doch tatsächlich geglaubt, dass es ihm nicht aufgefallen war, wie sie hinter der Truhe versteckt geblieben war, als er alle anderen aus Maeliennyds Schlafgemach verscheucht hatte.

      Doch er konnte der Frau einfach nicht böse sein.

      Wenn sie nicht so schnell angerannt gekommen wäre, als die Herzogin hingefallen und sich angeschlagen hatte, dann würde er jetzt höchstwahrscheinlich nicht in allerbester Laune hier stehen.

      Anstatt sich nach einer erfolgreichen Geburt zufrieden die Hände zu waschen, würde er vermutlich gemeinsam mit vielen anderen Menschen und Ambrosius Arzhur eine gute Frau und ihr ungeborenes Kind beweinen. „Wo sie schon einmal da ist, kann Bran'wen sich gleich nützlich machen“, dachte er. Sie konnte den kleinen Kerl baden, während er ihre Herrin versorgte.

      Nachdem seine Hände abgetrocknet und das Skalpell aus Damaszenerstahl in einer Schale mit hochprozentigem Gerstenschnaps gesäubert war, wandte er sich wieder Maeliennyd Glyn Dwyr und ihrem Neugeborenen zu. Trotz der anstrengenden und angstschweren Stunden, die sie durchlitten hatte, wurde ihr Gesicht von einem Lächeln erhellt. Als er die Nabelschnur abgeschnitten und abgebunden hatte, ergriff er den Kleinen vorsichtig und nahm ihn vom Bauch der Mutter.

      Mit geübtem Griff legte er sich den Knaben in die Armbeuge. Der Feuerschein im Kamin beleuchtete ein winziges runzeliges Gesicht. Dem alten Mann stockte der Atem. Ein wilder Schmerz, wie von einem Pfeil schoss durch sein Herz. Das winzige Gesicht war nicht rosig, sondern leicht bläulich verfärbt. Aodrén musste sich dazu zwingen, keine Panik aufkommen zu lassen. Rasch säuberte er mit dem kleinen Finger die Nasenlöcher und den Mund des Neugeborenen, dann drehte er ihn um und versetzte ihm einen bestimmten Klaps auf den nackten Hintern. Durch diesen Schrecken wollte er den ersten Schrei des Knaben provozieren. Doch das Neugeborene schrie nicht. Ein zweiter Klaps zeigte ebenso wenig Wirkung. Maeliennyd beobachtete ihn nur stumm aus dunklen Augen. Das Lächeln hatte einem Ausdruck absoluten, ungläubigen Entsetzens platzgemacht. Sie hatte eine Hand über den Mund gelegt, um ihren Schmerz nicht herauszuschreien.

      Noch einmal drehte Aodrén das Kind um, doch jetzt packte er es an den kleinen Füßen und lies es mit dem Kopf nach unten hängen. Der dritte Klaps war wesentlich härter und bestimmter, als der erste und der zweite. Ein trauriges Seufzen aus tiefstem Herzen, dann schüttelte er langsam den Kopf.

      Maeliennyd schrie auf, wie ein verletztes Tier. „Das ist nicht wahr, Ollamh“, fauchte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ihr schmerzender Unterleib, ihre Schwäche und die Erschöpfung wichen mit einem Mal einem Gefühl des grenzenlosen Zorns. Sie richtete sich mit einer Kraft und Energie auf, die Aodrén, ihr nicht zugetraut hätte. „Du hast mich belogen, alter Mann“, herrschte ihn die Herzogin an und zeigte anklagend mit dem Finger auf ihn und das leblose Bündel in seinen Armen, „du hast mir geschworen, dass er leben wird. Du hast mir heute Nachmittag geschworen, dass er leben wird, bevor Du meinen Gemahl und den Okzitanier aus dem Raum geschickt hast. Fluch über Dich und Deine Schlangenzunge.“

      In dem Augenblick, in dem Maeliennyd mit zornig funkelnden Augen ihre Verwünschung auf ihn los jagte, ertönte von draußen durch die geöffneten Fenster ein unbändiger Jubelschrei aus hunderten und aberhunderten von Kehlen. Das magische, kalte Feuer, das der Ollamh zuvor im Kamin entfacht hatte zischte plötzlich hoch und ein Meer von Funken stob durch das Gemach, während sich draußen ein gewaltiger, leuchtendgelber Schein zum Himmel hinaufstreckte. Ambrosius von Cornouailles und die Drouiz hatten die Bealltainn-Feuer entzündet.

      XVIII

      Gebannt folgte Bran'wen dem erbarmungslosen, bitteren Kampf zwischen ihrer Herrin und dem Ollamh. Immer noch hielt dieser das tote Kind in den Armen. Maeliennyd Glyn Dwyr schrie und weinte und stieß

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