Der Fluch von Azincourt Gesamtausgabe. Peter Urban
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Seine Gemahlin hatte ihm an einem eiskalten Wintertag bei einem gemütlichen Schachspiel am wärmenden Feuer mitgeteilt, dass sie wieder schwanger war. Im ersten Augenblick hatte ihn dieses Geständnis verwirrt und geängstigt, denn Maeliennyd war schon weit über das Alter hinaus, in dem eine Frau ein Kind empfangen sollte. Nach der überaus schwierigen und gefährlichen Geburt seines jüngsten Sohnes Glaoda hatte er selbst keinen Augenblick gezögert, heimlich eine Schierlingssalbe zu verwenden, die seinen Samen unfruchtbar und somit für seine Gemahlin ungefährlich machte. Er nahm an, dass sie das Kind trotz seiner langjährigen, heimlichen Vorsichtsmaßnahmen irgendwann im Hochsommer oder im Frühherbst empfangen haben musste.
Natürlich hatte er Maeliennyd angefleht, sich nicht noch einmal dem Risiko einer Geburt auszusetzen und die gefährliche Leibesfrucht abzustoßen. Doch alle seine Versuche sie zur Vernunft zu bringen waren gescheitert. Schließlich hatte er aufgegeben und sich damit abgefunden, dass sie ihren Willen um jeden Preis durchsetzen wollte.
Chaulliac hatte Ambrosius, während sie gemeinsam den Weg von der Festung zum Festplatz hinunter gegangen waren bestätigt, was er oben im Gemach bereits in den Augen von Aodrén gelesen hatte: Es war zu spät, um die Geburt mit Hilfe irgendwelcher Kräutertinkturen aufzuhalten oder wenigstens hinauszuzögern.
Ambrosius ballte die Hände zu Fäusten und verschränkte die Arme fest über der Brust, um seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Er wollte den anderen nicht zu zeigen, wie sehr er um Maeliennyd zitterte. Leise verfluchte er dieses ungeborene Wesen, das durch seine bloße Existenz das Leben seiner Gemahlin in Gefahr brachte.
Für gewöhnlich war es Maeliennyd, die in der Nacht von Bealltainn nach dem Ende des Reigens um den geweihten Acker und die prächtig geschmückte Birke den jungen Tänzerinnen kleine Geschenke brachte: Geflochtene Körbchen mit süßem Buttergebäck, Nüssen und Beeren und hübsche bunte Bänder, um die Haare zu schmücken. Doch heute Nacht würden die Menschen die weiße Dame von Concarneau nicht zu Gesicht bekommen und sich aus diesem Grunde große Sorgen machen. Er musste ihnen eine glaubhafte Erklärung geben.
Seine Untertanen waren felsenfest davon überzeugt, dass Maeliennyds leichte Schritte um den geweihten Acker und den Maibaum dem Ritual der Belh-Feuer noch zusätzliche Kraft und Stärke verlieh und die Erde von Cornouailles so außergewöhnlich fruchtbar und reich machte. Hier war kein Unterschied zwischen denen, die der alten Religion folgten oder jenen die die sonntäglichen Messen der christlichen Priester besuchten. Auch der förmliche Kuss, den die Herzogin, so wie es in ihrer Heimat Wales alte Sitte war, der Frühlingskönigin und ihrem Gefährten auf die Stirn gab, galt als besonderer Glücksbringer. Seit der allerersten Nacht von Bealltainn in der Maeliennyd zugegen gewesen war, vor nunmehr zwanzig Jahren, hatten sowohl die auserwählte Frühlingskönigin, als auch der junge Mann, der ihren Gefährten, den grünen Mann darstellte immer ungewöhnlich viel Glück im Leben gehabt.
Natürlich hatte es damals nicht lange gedauert und die Kunde von diesem Glück hatte die Runde durch das kleine Land am mehr gemacht. Nun, zwei Jahrzehnte später, war der Segen der weißen Dame von Concarneau ein beinahe genauso wichtiger Bestandteil der Nacht von Bealltainn geworden, wie die mächtigen Feuer und die Segnung der Felder von der Hand der Drouiz.
Ambrosius schluckte trocken, als die letzten Töne der fröhlichen Weise endlich verklangen und seine Leute erwartungsvoll zum Hügel hinaufblickten, auf dem er zusammen mit den anderen Weiße Brüdern stand. Der Herzog bedeutete einem jungen Mann in einem blauen Gewand, das ihn als einen Barden kennzeichnete, Maeliennyds Korb mit den Geschenken zu nehmen und ihm zu folgen. Dann zwang er sich dazu, sein Gesicht unbekümmert und fröhlich wirken zu lassen. Im gleichen Augenblick, in dem er das Kind verflucht hatte, hatte er den Beschluss gefasst, den Menschen die Wahrheit über den Grund der Abwesenheit seiner Gemahlin zu sagen….auch wenn er ihnen die schwerwiegenden Umstände selbst verschweigen wollte.
Kurz richtete Ambrosius seine Augen auf den Mond. Er glänzte, wie eine frisch polierte Scheibe aus reinem Silber, so hell und so klar, dass man ohne Mühe die Farben der Gewänder der Mädchen erkennen konnte. Selten hatte er in einer Bealltainn-Nacht den Mond in einem solchen Glanz erstrahlen gesehen. Obwohl Mitternacht und der Augenblick der Feuer nicht mehr fern waren, war es immer noch warm, geradezu sommerlich. Vielleicht sollte er dies alles ja als ein gutes Zeichen für das Schicksal von Maeliennyd deuten und aufhören, seinen düsteren Gedanken nachzuhängen. Die Natur quoll geradezu über mit Leben und Freude. Seine Gemahlin war gesund; Aodréns Magie war stark, seine Kenntnisse als Arzt und Heilkundiger schier grenzenlos. Selbst Guy de Chaulliac hatte wie ein kleiner Schüler mit gesenktem Haupt und eingezogenem Schwanz ohne ein einziges Widerwort das Feld geräumt, als der alte Mann sie dazu aufgefordert hatte, das Gemach seiner Herzogin zu verlassen. Während Ambrosius von Cornouailles den Hügel zu seinen Leuten hinunterging, schickte er ein stummes Stoßgebet hinauf zu den Sternen.
XV
Der Kräuterduft im Raum zeigte seine Wirkung. Maeliennyd war sehr gelassen und ruhig geworden. Offensichtlich hatte es ihr geholfen, ihm die Bilder anzuvertrauen, die sie im kalten Feuer gesehen hatte.
Seit sie vor rund zwei Stunden mit ihrer Erzählung zu Ende gekommen war, hatten endlich spürbar Wehen eingesetzt. Auch sein Trank hatte die gewünschte Wirkung nicht verfehlt: Leicht ruhte seine Hand auf ihrem gewölbten Leib während er leise zählte.
Die Wehen kamen inzwischen in regelmäßigen Abständen. Seine Augen glitten wieder hinüber zu der Kerze, die speziell für solche Situationen hergestellt wurde. Sie brannte luftgeschützt hinter Glas. Es dauerte etwa das Viertel einer Stunde, bis sie von einer leuchtendroten Markierung bis zur nächsten abbrannte. Zwischen zwei Markierungen fühlte er immer genau zwei Mal das Zusammenziehen der Gebärmutter und ihre darauffolgende Entspannung, die den Leib wieder ganz weich werden ließ.
Während seine Rechte erneut nach dem Kind tastete, sprach der alte Mann weiter beruhigend auf Maeliennyd ein. Er gab sich viel Mühe sie abzulenken. Um die Erinnerungen an die Vision im kalten Feuer zu vertreiben erzählte er ihr sämtlichen, belanglosen Tratsch, den er während der letzten paar Tage aufgeschnappt hatte genauso, wie uralte Anekdoten aus seiner Zeit der Wanderschaft, als er bis zu den fernen Bergen Indiens am äußersten Rand der Welt vorgedrungen war. Sie musste ihre Atmung unter Kontrolle halten, um ihm zu helfen. Das Kleine lag richtig und der Muttermund war weit geöffnet. Nur noch ein bisschen Geduld, dann würde das Köpfchen bis auf den Beckenboden herunterkommen und er konnte sie dazu auffordern endlich zu pressen.
Wie eine harte Kugel krampfte sich die Gebärmutter unter seiner Hand zusammen und die Herzogin stöhnte zwischen zusammengebissenen Zähnen. Er wusste, dass es weniger der Schmerz und mehr die Anstrengung war, die dieses Stöhnen ausgelöst hatte. Seine Geburtszauber waren mächtig und ersparten einer Gebärenden das Schlimmste, doch gegen die Mühen der Wehen kannte auch die stärkste Magie der Drouiz keine Mittel. Er sandte ein leises Stoßgebet zu den Sternen. Wenn es ihnen gelingen würde, die eigentliche Pressphase auf weniger als zwei Markierungen der Kerze zu beschränken, dann hatte das Kleine eine gute Chance zu leben.
Seine Hand hob sich kurz von ihrem Leib und ergriff zielsicher ein kleines Fläschchen Kurz wärmte er das zu einem reinen Pulver gestoßene und mit einem Quintlein Quellwasser vermischte Eisenkraut über einer Flamme neben dem Bett. Dann drückte er es sanft gegen ihre Lippen und forderte sie auf, alles in einem Zug zu trinken.