Herr Gars soll heiraten. Eva-Maria Landwehr

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Herr Gars soll heiraten - Eva-Maria Landwehr

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Verdrängung, das ihn in unangenehme und eines Tages vielleicht ausweglose Situationen bringen wird.

      Es ist unmöglich einzuschätzen, ob es der fatalistische Sarkasmus des bekennenden Sünders oder bloß kindische Trotzhaltung ist, die ihn seine ungehemmte Prasserei in einem Brief, der unserem Verbindungmann vorlag, als schöne ordentliche und wohlbestallte Staathalterei bezeichnen ließ. Die Momente der Einsicht, in denen Seine Gnaden bereut, die Berliner Hofhaltung zu vernachlässigen und damit Betrug und Bereicherung in sein Haus geholt zu haben, sind jedenfalls rar gesät.

      Und so nimmt es nicht Wunder, dass der Unbelehrbare die Mühe scheut, seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. Stattdessen erschließt er alternative, leichter zugängliche Geldquellen. Aus Preußen zieht er regelmäßig Mittel ab, die Brandenburg gar nicht zustehen. Und das, obwohl man in Königsberg seine liebe Not hat, den jährlichen finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Lehnsherrn Polen nachzukommen.

      Ungeniert leiht er sich Geld, bei Verwandten, bei seiner Frau, Ihrer Gnaden Kurfürstin Anna, gelegentlich sogar bei seiner Dienerschaft. Die Angst vor peinlichen Situationen scheint ihm wesensfremd, er hat ein geradezu schlafwandlerisches Talent für das Falsche im falschen Moment: Es wird kolportiert, dass der Kurfürst während der Hochzeitsfeierlichkeiten für seine älteste Tochter Anna Sophia in Braunschweig seinem Schwiegersohn Herzog Friedrich Ulrich noch während der Feierlichkeiten eine größere Summe Geldes abschwatzte.

      Trotzdem dreht sich die Schuldenspirale in Brandenburg immer weiter. Es existieren Verbindlichkeiten bei Hoflieferanten, Beamte bekommen zeitweise kein Gehalt mehr, von der drückenden Hypothek, die auf dem kurfürstlichen Grundbesitz lastet, ganz zu schweigen.

      Es ist nur eine Frage der Zeit, dass Johann Sigismund aus der protestantischen Union wird ausscheiden müssen, weil er seine Beitragszahlungen nicht mehr leisten kann. Was in hohem Maße beschämend und kaum geheim zu halten sein wird.

      Äußerst Besorgnis erregend ist der schleichende Verlust der kurfürstlichen Autorität sowie die Tatsache, dass Seiner Gnaden kaum noch der nötige Respekt entgegengebracht wird: So macht man sich bei Hof offen darüber lustig, dass der drohende Notverkauf von Kleinodien aus der kurfürstlichen Schatzkammer den Kurfürsten weniger schmerzen könnte, als der bedenklich zur Neige gehende Vorrat an Rheinwein im Keller der Residenz.

      In der Hoffnung, Eurer Königlichen Hoheit dienlich und der Sache förderlich gewesen zu sein, verbleibe ich als Euer getreuer

      Oxenstierna m. p.

      Im Brandenburgischen bei Küstrin, Juli 1615

      Der investigative Aktionsradius des Agenten Hieronymus von Birkholz, eines mecklenburgischen Adeligen, erstreckte sich rund um die Ostsee. Bereits seit fünf Jahren versorgte er, unterstützt durch ein Netz von Korrespondenten, das kriegswillige Schweden mit Informationen zu Polen. Er war nicht der einzige Ausländer, der regelmäßig in Stockholm vorstellig wurde, um durch persönliche Berichterstattung den unsicheren Postweg zu vermeiden.

      Das einer ungeübten Kehle nur mühsam zu entlockende Schwedisch beherrschte er auch nach Jahren nicht gut genug, um Briefe übersetzen zu können. Aber da am Hof Französisch und Deutsch gesprochen wurde, stellte ihn das vor keine größeren Probleme.

      Dass ihn Axel Oxenstierna als ‚guten Freund‘ bezeichnete, war weniger der Gefühlslage des schwedischen Reichskanzlers geschuldet als vielmehr eine kalkulierte Anerkennung für exzellent geleistete Dienste. Birkholz wusste das und zeigte seine Verbundenheit mit seinem Patron, wie dies für seinen Berufsstand üblich war, durch die Übersendung luxuriöser Geschenke zum Jahreswechsel. Weder krankheitsbedingte Indisponiertheit noch finanzielle Engpässe konnten ihn, ehrgeizig wie er war, von diesen Loyalitätsbeweisen abhalten.

      Die Diplomatie, dachte er so manches Mal, wenn ihm nach Philosophieren zumute war, war schon ein seltsames Geschäft. Man konnte sie am besten mit einem Gewand aus kostbarer Seide vergleichen, dessen angeschmutzter Saum erst auf den zweiten Blick ins Auge fiel. Dieser Schmutz aber war schmierig und hartnäckig und widerstand auch den gründlichsten Reinigungsversuchen.

      Träger dieses Gewands war der Diplomat, dem eine Wesensverwandtschaft mit dem heidnischen Gott Janus nachgesagt wurde. Wobei er diesen doppelgesichtigen römischen Götzen noch übertraf, denn ein Diplomat jonglierte mit vielen Gesichtern, ein jedes passend für die jeweilige Situation.

      Aufrichtig, darin war sich Birkholz mit anderen Eingeweihten einig, waren Vertreter seines Berufsstandes nur, wenn sie sich dadurch einen Vorteil erwarten durften. Doch Vorsicht, auch dann konnte Ehrlichkeit nur vorgetäuscht sein. Agenten, wie er einer war, verstanden sich nämlich meisterlich auf die Kunst der Verstellung und der Berechnung, kurz: Falschheit war die conditio sine qua non ihres Berufsstandes. So wenigstens sahen das neben den Moralisten die Opfer diplomatischer Aktivitäten, aber auch nur, weil sie empört darüber waren, dass man ihnen Geheimes entlockt oder entrissen hatte.

      Birkholz hatte natürlich ein anderes Bild seiner selbst. Er betrachtete es als hohe Kunst, durch ein Minimum an eigener Preisgabe ein Maximum an Relevanz für seinen Auftraggeber zu erwirtschaften. Dann war er in seinem Element. Eine gewisse charakterliche Biegsamkeit hielt er dabei für unverzichtbar, alberne Kostümierungen aber waren stets unter seiner Würde. Der Heuchelei und des offenkundigen Betrugs verdächtig waren immer nur die Gegenspieler, wobei die französischen Kollegen den schlechtesten Ruf von allen genossen.

      Grundsätzlich lebt ein Diplomat als ein Nomade der Informationsbeschaffung auf höchstem Niveau. Der Dienst am Vaterland empfahl für höhere Ämter bei Hof, weshalb der Diplomat einen vergleichsweise geringen Lohn akzeptierte und idealerweise der Versuchung widerstand, zwecks Aufbesserung seines Gehalts gleichzeitig zwei verfeindeten Lagern zu dienen. Andererseits war es aus Gründen der Arbeitsökonomie üblich, mehrere Klienten parallel zu bedienen.

      Ereignislosigkeit war der wohl mächtigste Feind des Diplomaten. Schließlich wurde von ihm erwartet, dass er seine Berichte wöchentlich lieferte, unabhängig davon, wie munter seine Quellen sprudelten. Nichts musste, aber alles konnte von Interesse sein.

      Birkholz‘ jüngstes Projekt war das Einfädeln einer königlichen Heirat, das der höchsten Geheimhaltungsstufe unterlag. Weil ein Unterfangen dieser Größenordnung in erster Linie internationale Politik war, musste man ein solches Thema zur rechten Zeit behutsam anschneiden, dann antichambrieren, warten, nachfragen, warten, verhandeln, warten. Immer so fort. Die Anbahnung einer fürstlichen Ehe hatte aber auch eine menschliche Dimension, die neben rationalem Verhandlungsgeschick ein gewisses Feingefühl erforderte. Und absolute Verschwiegenheit.

      Jeder wusste es, aber keiner sprach offen darüber: Gustav II. Adolf von Schweden, gerade einmal zwanzig Jahre alt, brauchte über kurz oder lang eine Frau. Eine ebenbürtige Frau zum Heiraten wohlgemerkt, denn Liebeleien schien der jugendliche Monarch nicht unbedingt abgeneigt.

      Wie so oft in diesem Gewerbe, spielte der Zufall Birkholz in die Hände. Schon länger im Geschäft und, aufgrund der Tatsache, dass er Schweden als sein zweites Vaterland betrachtete, wurde er mit den Vorarbeiten betraut. Es galt, in Brandenburg zu sondieren und, vor allem, herauszufinden, wie die Heiratspläne derjenigen Herrscher aussahen, deren Unterhändler sich mit Schweden auf diesem Markt tummelten. Brandenburg war nämlich eine gute Partie, nachdem ein Vertrag, der im vergangenen November in Xanten geschlossen worden war, den Hohenzollern das Herzogtum Kleve zusicherte.

      Die Hierarchie war erfreulich flach: Was Korrespondenz und Berichterstattung betraf, war Birkholz ausschließlich höchsten Stellen verantwortlich, das heißt Reichskanzler Oxenstierna und dem schwedischen König selbst. Aber wenn er aufgrund seiner Erfahrung, auf die er sich einiges einbilden durfte, nicht ganz irre ging, dann würde er darauf achten müssen,

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