Herr Gars soll heiraten. Eva-Maria Landwehr
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„Und das Privileg Kaiser Friedrichs III., das Sachsen begünstigt“, schnitt ihr Christian brutal das Wort ab, „sollte kein männlicher Erbe am Niederrhein die Regierung übernehmen können, ein Fall, der nun eingetreten ist, was nicht einmal Ihr bestreiten werdet, ist zweihundert Jahre alt. Ältere Ansprüche sind gültige Ansprüche. Das sieht auch Seine Erhabene Majestät, Kaiser Rudolf, so.“
Anna schüttelte entsetzt und abwehrend den Kopf und wollte mit einer raschen Drehung an ihm vorbei zu den anderen Gästen zurückkehren, die mittlerweile auf das seltsame Zwiegespräch aufmerksam geworden waren.
Doch der Kurfürst war noch nicht fertig. Blitzschnell schnappte er nach ihrem Handgelenk und hielt sie mit eiserner Kraft zurück. Ihr Neuburger Cousin Wolfgang Wilhelm, machte er unbeirrt weiter, der sich ja zu einem geschmeidigen Höfling entwickelt habe, sei in letzter Zeit übrigens verdächtig oft bei Hof gesehen worden. Man erzähle sich, er würde mit dem Kaiser plaudern und scherzen und ihm schöne Worte ins Ohr flüstern. Und mit dem Beichtvater Seiner Majestät soll er stundenlange Dispute über die Heiligen, ihre Reliquien und die Bedeutung des Abendmahls in leiblicher Gestalt führen. Wer könne schon in die Zukunft sehen, kicherte Christian, vielleicht treibe ihr Gemahl, Kurfürst Johann, vom dem man sage, dass er die Nähe zu den Calvinisten suche, den guten Neuburger noch in die weit geöffneten Arme der nach Weihrauch stinkenden katholischen Pfaffen? Der Kurfürst schien auf einmal nüchtern und aufmerksam.
„Euer Gnaden müssen es ja wissen“, schleuderte ihm Anna, der das Herz bis zum Hals klopfte, aufgebracht entgegen, „besser als jeder andere dürftet Ihr wissen, wie sich das Warten in kaiserlichen Vorzimmern anfühlt!“ Es sei ihr nicht klar, was er mit solchen Provokationen bezwecke, nein, sie schüttelte erneut fassungslos den Kopf, Seine Gnaden seien unzureichend informiert, er vergesse, dass die Zitadelle Jülich von tapferen Unionstruppen zurückerobert worden sei und dass sich die Lage am Rhein beruhigt und stabilisiert habe.
„Das glaubt Ihr“, versetzte er, das Lächeln zu einer Grimasse verzerrt, „Eure Unterstützer laufen Euch weg, auf die Franzosen wird die Union folgen, auf die Union Oranien. Ein beispielloser Aderlass wird eintreten, Eure Sache wird ausbluten bis zum letzten Tropfen. Die falsche Allianz, in die Ihr Euch verstrickt habt, und in der Ihr nun zappelt wie in einer Fußangel, die wird auseinanderbrechen, ja, die Risse sind schon mit bloßem Auge erkennbar und nicht mehr zu kitten“, stellte er hämisch fest. Sie würden schon bald völlig preisgegeben sein, nackt würden sie dastehen und keiner würde dann mehr seine schützende Hand über sie halten, denn keiner wolle einen Krieg.
„Ich wundere mich, was Ihr überhaupt wollt“, stieß sie hervor, ihre hohe, gepresst klingende Stimme verwünschend, „wenn man Eurer Argumentation folgte, dann wäre das Herzogtum Jülich ohne einen männlichen Erben für Euch sowieso wertlos.“
Kaum dass sie diese unüberlegten Worte ausgesprochen hatte, fürchtete sie für einen kurzen Moment, dass er sie mit bloßen Händen erwürgen würde, so hasserfüllt war der Blick, den er in ihren Hals bohrte. Trotzdem sprach sie, eigentlich mit der Absicht, einzulenken, aber fatalerweise wie berauscht von der Wirkung, die ihre Worte ausübten, hastig weiter, und versicherte ihm, dass eine gütliche Einigung alles sei, was Brandenburg anstrebe, dass alles, was sie wolle, ein Platz am Verhandlungstisch sei. Was ihr auch zustehen würde.
Der Kurfürst hatte sich wieder im Griff und betrachtete sein Gegenüber gefährlich milde. Ob sie sich seit neuestem für die Prinzipalin der westlichen Lande halte, fragte er samtweich? Denke sie, sie sei eine Art Amazonenkönigin, in deren Welt die Herrschaft von einem Weib auf das nächste übergehe, und wo die Männer kastrierte Narren seien? Ja? Falsch sei das, ganz falsch. Sie habe keine Bedeutung und keine Stimme, ließ er sie zynisch wissen, sie sei ein Nichts.
„Hast du wirklich angenommen“, er wechselte zum vertraulichen Du, das aus seinem Mund nicht familiär sondern beleidigend klang, „dass ich mit einem Weib, das sich nicht mit Dingen befassen sollte, die“, hier tippte er sich mit dem Zeigfinger an die Schläfe, „weit außerhalb seines Verstandes und seiner naturgegebenen Fähigkeiten liegen, auf Augenhöhe verhandeln würde? Wer, glaubst du eigentlich, dass du bist? Ist dir überhaupt klar, welche Last du für die Menschen in deiner Umgebung darstellst? Nein? Aber du weißt doch ganz bestimmt, dass du zuhause als Plage giltst, als Geißel, als eitriges Geschwür am Hintern des Kurfürsten? Dass manche Menschen der Meinung sind, man müsste deinetwegen den Kreis der Apokalyptischen Reiter auf fünf erweitern? Auch wenn“, lachte er meckernd, begeistert von seinem Witz, und sah sich Beifall heischend im Raum um, in dem es ganz still geworden war, „die Kanoniker im Vatikan da noch ein Wörtchen mitzureden hätten! Nein? Aber dass man dir den Tod wünscht, damit der Weg für den Kurfürsten frei ist, sich eine neue Frau zu nehmen, eine Frau, die ihren Platz kennt“, rief er entrüstet und mit übertrieben gerunzelter Stirn, als könne er ihre Ahnungslosigkeit kaum fassen, „das ist dir doch bekannt!?“ Oh jaja, er könne ihr einen Brief des Landgrafen Moritz von Kassel zeigen, in dem explizit dieser Gedanke weitergesponnen werde, machte er weiter, und genoss ihr Entsetzen.
Aber, schloss er wie beiläufig und schaute versonnen in seinen leeren Becher, das sei für ihn selbst ohnehin nebensächlich. Er habe keine weitere Verwendung für sie, er benötige sie ausschließlich als Übermittlerin seiner Botschaft. Denn das, was er ihr gesagt habe und noch sagen werde, das solle sie in Berlin berichten. Husch, husch, er macht eine scheuchende Handbewegung, sie solle schnell laufen und seine Worte wie ein braves Hündchen dorthin tragen.
Er hatte gesprochen und dabei ohne Unterlass gelächelt. Und die Kurfürstin, deren Wangen brannten und deren Beine sie kaum mehr tragen wollten, schwindelte, verwundet und elend.
Eines noch wolle er seiner teuren Cousine in aller verwandtschaftlichen Verbundenheit nämlich noch mit auf den Weg nach Hause geben. Etwas zum Nachdenken, sagte er kalt, und beugte sich nach vorne zu ihrem Ohr:
„Ohne das Haus Sachsen würdet Ihr Brandenburger noch immer in fensterlosen Fliehburgen hausen, um Euch herum stinkenden Morast, wie Vieh, und Ihr würdet märkischen Sand fressen. Was in Berlin von Wert ist, jegliche Kunst, ein jegliches Bauwerk von ansprechender Gestalt, das ist nur geborgt, abgekupfert, es stammt aus zweiter Hand. Allein durch Sachsens Vorbild und Führung lebt Ihr in Berlin wie Menschen.“
Anna sah nur noch die schwarze Höhle seines Mundes, die sich beim Sprechen verformte, sie sah seine flaumigen, fetten Backen, die über den engen Kragen flossen und bei jedem Wort vibrierten. Wie Nägel trieb er ihr die Worte ins Ohr. Und mit jedem Hammerschlag wurde das Brausen und Rauschen darin lauter.
Seine Stimme senkte sich zu einem gespenstischen Flüstern, sie hatte Mühe ihn zu verstehen.
„Wenn ich also nicht das bekomme, was mir von Rechts wegen zusteht, dann werde ich Dich von Deinem hohem Ross und den alten Säufer von seinem Thron stürzen, ich werde Euch beide aus Brandenburg vertreiben und dafür sorgen, dass die Kurfürstenwürde an ein anderes Haus vergeben wird. Hast. Du. Mich. Verstanden.“
Nach diesem Monolog drehte er sich ansatzlos weg, und rief, als hätte er seine Rolle gewechselt, als hätte er wie im Theater den Bühnenvorhang zur Seite gezogen und einen neuen Akt beginnen lassen, gut gelaunt