Herr Gars soll heiraten. Eva-Maria Landwehr
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Unten im Hof hatte ein Pferd gewiehert, ein anderes aus den Stallungen geantwortet und dröhnend gegen die hölzerne Wand seines Verschlags getreten.
„Das bereitet mir schlechte Laune, immer müsst Ihr alles so kompliziert machen“, hatte Johann seine Rüge fortgesetzt. Um dann in einem fordernden Ton fortzufahren, dass sie ihm diese Bitte nicht abschlagen könne. Oder müsse er sie wirklich an die Pflichten erinnern, die ihre Stellung mit sich brachte?
Anna hatte sich auf die Lippen gebissen, war sich mit der Hand über die Stirn gefahren und hatte gepresst, aber unhörbar ausgeatmet.
„Gut, wenn Ihr es unbedingt so wünscht“, hatte sie beherrscht erwidert, „dann werde ich mich nicht verweigern. Ich muss aber darauf bestehen“, hatte sie ihren sich bereits abwendenden Mann mit fester Stimme aufgehalten, „dass dieses Heiratsangebot als Euer Angebot gelten wird.“ Eingedenk der Tatsache, dass sie hier nicht auf dem orientalischen Basar seien, könne und wolle sie nur die Unterhändlerin geben.
Sie solle machen und tun, was sie wolle, hatte der Kurfürst geschnauzt und war kopfschüttelnd zur Tür gegangen, aber sie solle es jetzt tun, ja?
Wolfgang Wilhelm war mit zweiunddreißig Jahren eine straffe, elegante, und, selbst zu dieser frühen Stunde, hellwache Erscheinung. Unter einer hohen Stirn leuchteten kleine, lebhafte Augen in einem Kranz von Lachfältchen. Sein Mund, eingerahmt von einem gepflegten Bart, war fast immer zu einem hintergründigen Schmunzeln verzogen. Das Leben hatte es gut mit ihm gemeint. Sein Wissensdurst war ebenso unstillbar wie die finanziellen Mittel, über die er verfügen konnte, umfangreich waren, und so hatte er schon fast ganz Europa bereist. Eine Heirat hatte er bisher erfolgreich umschifft. Er tat, was immer er mochte, war selten, und wenn, dann meist nie lange, jemandes Parteigänger.
Anna hielt ihren Cousin für ein menschliches Vexierbild, charmant, mit vollendeten Manieren, doch stets ungreifbar und kaum zu durchschauen. Sie musste daran denken, wie fasziniert sie als Kind von Gemmen und Kameen, von zu feinsten Porträts und mythologischen Szenen geschliffenen Steinen gewesen war. Die einen vertieft, die anderen erhaben, doch welche war welche? Erst der richtige Lichteinfall brachte es an den Tag. Auf die Entzündung einer solchen Lichtquelle hatte sie bei Wolfgang Wilhelm bislang vergebens gewartet.
Aufmunternd lächelte der Pfalzgraf Anna entgegen, als sie im Nachthemd hinter dem Kurfürsten aus ihrem Schlafzimmer kam, und verbeugte sich so formvollendet, als wäre er beim Eintritt in eine große Festgesellschaft angekündigt worden. Johann, einen Stiefel bereits tragend, zog sich den zweiten ungelenk hüpfend über den anderen Fuß, während er seiner Frau und seinem Gast erklärte, dass er nur kurz nach draußen husche, um zu sehen, ob alles bereit sei, und in wenigen Minuten zurückkehren werde, um Vetter Wolfgang abzuholen.
Er stampfte kurz auf, um den Sitz des Stiefels zu prüfen, griff nach seinen Handschuhen und deutete auf die Treppenstufen. Hier, lachte er, sei doch ein gemütliches Plätzchen für einen kurzen Plausch, rauschte die Treppe hinunter und ließ seine Frau entgeistert zurück.
„Ausgezeichnet“, meinte Wolfgang Wilhelm mit hochgezogenen Augenbrauen, setzte sich auf den oberen Treppenabsatz, wand sich aus seiner engen Lederjacke und breitete diese für Anna als Sitzgelegenheit aus. „Den Regeln des Anstands ist mit der Anwesenheit des Herrn Statthalters“, er wies vielsagend auf den Schatten hinter der Mauer, „ja genüge getan, oder?“
Froh darüber, dass das diffuse Licht des anbrechenden Tages ihrem Gesicht einen unklaren Ausdruck erlaubte, nahm Anna vorsichtig Platz. In einiger Entfernung saß auf dem Boden, bewegungslos und erratisch wie eine Skulptur, eine riesenhafte Dogge, die ihren unergründlichen Blick unverwandt auf ihren Herrn richtete. Verlegen bündelte Anna die weiten Falten von Nachthemd und Morgenmantel eng um ihre Beine und stopfte das Stoffknäuel unter ihre Knie.
Verunsichert und atemlos, wie es unter normalen Umständen niemals ihre Art gewesen wäre, überfiel Anna ihren Cousin mit Fragen, die ungeordnet aus ihr heraussprudelten. Wie schön es sei, ihn zu sehen, man habe das ja lange nicht, was bedauerlich sei, wohin ihn seine letzte Reise geführt habe und ob es mittlerweile überhaupt ein zivilisiertes Land gebe, das er noch nicht in alle Himmelsrichtungen bereist habe, diese prachtvoll gewachsene Dogge sei nicht aus seiner eigenen Zucht, oder etwa doch…?
„Ach, liebe Anna“, unterbrach sie Wolfgang mit einem sanften Lächeln, „wenn Dein Gemahl zurück ist, wird er ungeduldig zum Aufbruch drängen und jede Unterhaltung unmöglich machen. Wollen wir also nicht gleich zum eigentlichen Thema dieser doch eher ungewöhnlichen Unterredung kommen?“
Anna fühlte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg und musste schlucken. Es blieb keine Zeit, vernünftig abzuwägen. „Meine Töchter“, suchte sie mühsam nach Worten, „sind dreizehn, zwölf und neun Jahre alt“. Sie zwang sich, ihren Vetter anzusehen. „Eigentlich sind sie alle noch Kinder, also viel zu jung, selbst Anna Sophia, die Älteste. Sie ist als einzige aber reif genug für eine Verlobung, zur Not auch mit einem viel älteren Mann.“ Zu spät erkannte sie, wie diese Bemerkung sich anhören musste. Wolfgang hätte der Vater des Mädchens sein können.
„In der Tat“, kommentierte der nur, wirkte aber weniger beleidigt als belustigt.
Seine betont gelassene Haltung machte Anna ärgerlich. „Ich halte Euch weder für so begriffsstutzig noch für so boshaft, mir gegenüber den Ahnungslosen zu mimen“, ermahnte sie ihn in sprödem Ton, „und ich werde im Gegenzug nicht versuchen, Euch weißzumachen, dass der Kurfürst eigentlich keine Heirat wünscht, sondern dass ich die treibende Kraft bin und in diesem Moment nur hier sitze, um meinen Gemahl nach unserer Unterredung von den Vorteilen einer solchen Verbindung zu überzeugen.“
Wolfgang Wilhelm, der sie erwartungsvoll beobachtet hatte, wurde ernst und begnügte sich mit einem auffordernden Nicken.
Sie wolle ihm aber auch nichts vormachen, fuhr Anna milder fort. Ihr eigener Einfluss, und das, er kenne sie ja, räume sie nur widerwillig ein, sei so gering, dass man auch bei ihrer beider Einigung fürchten müsse, dass der Kurfürst doch noch den sächsischen Forderungen und Drohungen nachgeben werde. Es sei ihr nicht möglich, irgendwelche Garantien in dieser Hinsicht abzugeben. Falls er jedoch in eine Verbindung ihrer beider Häuser einwillige, solle er das nicht bereuen müssen. Dann könnten Jülich, Kleve und Berg weiterhin die untrennbare Einheit bilden, die ihre beiden Vorväter geschaffen hatten.
Wolfgang Wilhelm bedankte sich artig und, wie zu erwarten, kaum überrascht für die Ehre, die man ihm mit dieser Ehe erweisen würde, machte aber auch seine Bedenken deutlich. „Seid Ihr nicht recht voreilig mit der Verteilung von Besitztum, das Euch noch, ich betone, noch nicht wirklich sicher ist?“
Anna sah ihn nur streng an, worauf er lächelnd seinen Blick senkte. „Tja, wenn denn einen schönen Tages alles glücklich geregelt sein wird“, meinte er, „liebend gerne, das versichere ich Euch“. Um gleich darauf, bescheiden im Ton, aber mit großer Bestimmtheit, für diesen Fall auch das Gouvernement über diejenigen rheinischen Besitzungen zu fordern, die bei den Brandenburgern verbleiben würden. Denn er selbst, so sein Argument, würde im Fall einer Heirat in Düsseldorf Residenz nehmen. Alle Zügel in einer Hand und vor Ort wären stets die besten Voraussetzungen für ein funktionierendes Regiment.
„Ihr macht keine Umwege, um Eure Vorstellungen erfüllt zu sehen“, sagte die Kurfürstin anerkennend, gerade als Johann Sigismund, der die letzten Worte gehört haben musste, die Treppen heraufschnaufte. Was immer sie besprochen hätten, ihm sei alles recht, rief er, ohne sich nach Einzelheiten zu erkundigen, als sich auf der anderen Seite des Treppenabsatzes eine Tür öffnete und ein verschlafenes Mädchen mit zerzaustem Haar durch den entstandenen Spalt lugte.
Das Ännchen solle nur herüberkommen, rief