Außerirdische schenkten ihm ein zweites Leben. Helmut Adler
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Zu jener Zeit wurde der Bach oberhalb des Wasserfalles gestaut und gelangte in einer Rohrleitung zur Turbine, die das Mahlwerk der Mühle, als auch das Horizontalgatter antrieb. Wenn die Mühle außer Betrieb war, floss die Lutter in einem tiefen Graben und dann
unterirdisch unter dem hohen, von allen Seiten offenen Dreschschuppen hindurch, um auf dem Nachbargrundstück wieder an die Oberfläche zu treten. In der Erntezeit herrschte auf dem weitläufigen Mühlengrundstück Hochbetrieb, wenn Tag und Nacht die Erntewagen vorfuhren und das Getreide der Bauern und „Kleinen Leute“ gedroschen wurde …
Markus hatte längst seinen Weg fortgesetzt und den sehr breiten, befestigten Feldweg, Ölweg genannt, erreicht. Es ging immer steiler bergan. Er musste hin und wieder eine Pause einlegen und ging dabei seinen Kindheitserinnerungen nach:
In den ersten Lebensjahren wuchs er nicht im Elternhaus auf, sondern wohnte mit seiner Mutter bei der ortsansässigen Hebamme. Sie war in den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren bei vielen Kindern Geburtshelferin und sorgte so für den Lebensunterhalt. Erst als sein Vater aus der französischen Kriegsgefangenschaft heimgekehrt war, zogen sie in die Hackemühle zurück. Ein Jahr später wurde seine Schwester geboren – ein Sonntagskind …
Vom Waldrand des Lipsberges fiel der Blick auf die mehrere Hundert Meter entfernte Springmühle am Fuße des Springkopfes – ein unvollendeter Neubau, an der Stelle der geschichtsträchtigen alten Mühle aus Fachwerk.
Markus genoss diesen Ausblick eine geraume Zeit. Vom Sportplatz, oberhalb der Springmühle und dicht an der Landstraße gelegen, drangen Laute herauf, wie sie Kinder von sich gaben, wenn sie Fußball spielten.
Die Wasseroberfläche der beiden großen Forellenteiche unterhalb der Springmühle kräuselte der Wind. Als die Fischteiche noch nicht vorhanden waren, ernährten saftige Wiesen die Milchkühe des Nachbarn. In den Sommermonaten hatte Markus oft mit dem Nachbarjungen seines Alters hier die Kühe gehütet und stundenlang im kalten Lutterbach gespielt. Nur wenige Meter oberhalb der Mühle entspringt der Bach.
Im Schatten der hinter dem Berghang stehenden Sonne wurde es allmählich kühl. Markus setzte seine Wanderung auf dem vom letzten Regen durchweichten Randweg des Lipsberges fort.
Am Fischerskopf angelangt, hatte er einen der wenigen Plätze in der Umgebung erreicht, von wo aus das ganze, langgestreckte Dorf und das sich nach Norden hin weitende Luttertal eingesehen werden kann. Das enge Tal wird gegenüber dem Lipsberg vom Iberg mit dem Stadtwald und am Ausgang vom Höhenzug des Lengenberges abgeschlossen.
Weithin sichtbar leuchteten in den letzten Sonnenstrahlen des Tages die hellgrauen, zerklüfteten Felsen der Maienwand, einem beliebten Aussichtspunkt zweihundert Meter über der Talsohle des ausgehenden Luttertales.
„So trifft man sich!“, stand unverhofft seine ehemalige Klassenkameradin Monika mit ihrer kleinen Enkelin hinter Markus.
„Ich habe euch gar nicht kommen hören“, erwiderte er überrascht.
„Du warst scheinbar in Gedanken – oder die Ohren lassen dich im Stich.“
„Nein, nein, ich höre noch ganz gut – wo kommt ihr her?“
„Wir waren auf dem Kleinen Anger …“
„Wie heißt du denn?“, fragte Markus die Kleine, die sich ängstlich hinter ihrer Oma versteckt hielt.
„Sandra“, antwortete Monika und fügte hinzu:
„Vor Fremden hat sie Angst. Sie ist selten in Lutter und kennt nur unsere Nachbarn.“
„Wie geht es deiner Tochter und dem Schwiegersohn?“, wollte Markus wissen.
„Sie sind kürzlich umgezogen, wegen der Arbeit und wohnen jetzt in Kassel. Gott sei Dank, dass beide eine Arbeit haben!“
„Da geht es uns Rentner besser – wir haben zwar wenig Rente, aber dafür viel Zeit, um die Schönheiten der Natur und unserer Heimat zu genießen.“
Die Kleine mit ihren graublauen Augen und den kurzen, blonden Zöpfen wurde unruhig und drängelte:
„Ich will nach Hause …“
Oma Monika gab schließlich nach und verabschiedete sich:
„Wir sehen uns ein Andermal!“
Markus sah ihnen nach, bis sie hinter der Gartentür ihres Grundstückes am Ortsrand verschwunden waren.
Das Dorf lag wie ausgestorben zu seinen Füßen.
Jede Viertelstunde schlug die Turmuhr der aus Sandsteinen und weißem Klinkermauerwerk auf einer Anhöhe errichteten, neuromanischen Dorfkirche.
Auf dem Friedhof am Hang des Kirchberges haben seine Eltern ihre letzte Ruhestätte gefunden.
Wenn er an seine verstorbenen Eltern dachte, wurden immer wieder Erinnerungen an die gemeinsam verbrachten Jahre wach.
Je älter und einsamer er wurde, desto mehr sehnte er sich nach der Geborgenheit, die er als Kind im Elternhaus erfahren durfte.
Im Jahr der Geburt seiner Schwester Verena wurde Markus eingeschult.
Zwei Jahre später erkrankte er an Gelenkrheumatismus und behielt einen Herzklappenfehler zurück.
Mitte der Fünfziger Jahre erfolgte die Grundsteinlegung für den langersehnten Schulneubau im Ort und ein Jahr später die feierliche Einweihung der Zentralschule, in der auch die Kinder der Nachbarorte Kalteneber und Fürstenhagen unterrichtet wurden.
Markus hatte nur das letzte Schuljahr die neue Schule besucht …
Inzwischen war er dem leicht abschüssigen Randweg des Lipsberges gefolgt.
Von der Sitzgruppe oberhalb der Trift schienen die Kirche, das ehemalige Schwesternhaus und das Fachwerkgebäude der Alten Schule zum Greifen nahe zu sein.
Als Markus Kind war, begann hier oben die beliebteste Rodelbahn des Ortes – zentral gelegen, sehr steil und mit einem Auslauf bis zum Gemeindehaus und darüber hinaus –.
Zurück in der Gegenwart ließ Markus den Tag bei mehreren Glas Bier in der Gaststätte „Zum Luttertal“ ausklingen.
Es war ein nasskalter, trüber Dezembertag, Mitte des Monats.
Markus hatte seine nächsten Angehörigen zur Geburtstagsfeier eingeladen. Wie in den Jahren zuvor, waren nur seine Schwester Verena, ihre Tochter Ramona mit Ehemann Matthias erschienen.
Die beiden Frauen hatten sich fein herausgeputzt, konnten jedoch ihre Körperfülle kaum verbergen. Vom Äußeren und Wesen war ihre Verwandtschaft mit Markus nicht zu leugnen. Nur der schmächtige,
schwarzhaarige Gatte der Nichte, ein ungeduldiger, aufgeregter Mensch, fiel aus dem Rahmen der stets bedächtigen, Ruhe und Gelassenheit ausstrahlenden Familienmitglieder.
Wie gewünscht, hatten die Gratulanten anstelle von Geschenken eine große Schwarzwälder Kirschtorte und frischen selbstgebackenen Obstkuchen mitgebracht …
Nachdem die Kaffeetafel aufgehoben