Außerirdische schenkten ihm ein zweites Leben. Helmut Adler

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Außerirdische schenkten ihm ein zweites Leben - Helmut Adler

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Markus den Schaden an der Zauntür behoben hatte, verließen sie gegen Mittag die Sternwarte.

      Markus begann das neue Jahr mit gemischten Gefühlen: Es deutete alles darauf hin, ein Schicksalsjahr zu werden. Fremde Mächte, denen er hilflos ausgeliefert war, bestimmten über ihn. Er vermied es, Pläne für die Zukunft zu schmieden. – „Hatte er eine Zukunft und wie würde sie aussehen?“ Fragen über Fragen. Markus lebte auf Abruf, mehr oder weniger in den Tag hinein, so, wie ein Mensch, der an einer unheilbaren, tödlichen Krankheit leidet …

      Im Januar zeigte sich der Winter von seiner unangenehmen Seite. Es stürmte und schneite tagelang ununterbrochen – ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür lassen würde.

      Markus und Dux machten es sich deshalb in der kleinen, gut beheizten, Junggesellenwohnung gemütlich.

      Markus, ein ausgesprochener Langschläfer, der erst abends richtig munter wurde, verbrachte die meiste Zeit vor dem Fernseher und verfolgte aufmerksam das Zeitgeschehen. Sein vierbeiniger Freund und Begleiter Dux leistete ihm dabei Gesellschaft.

      Wenn er früher in der dunklen Jahreszeit allein war und ihn Depressionen plagten, versuchte er, sie zu überwinden, indem er den Alkohol zuneigte und die Abende in der Dorfkneipe verbrachte.

      Das war jetzt anders.

      Markus erledigte mit Freude die übliche Hausarbeit und hörte nebenbei Radio. Auch konnte er stundenlang Zeitung lesen. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dem Lokalteil der Tageszeitung, für den er in jungen Jahren selbst einmal geschrieben hatte. Ihn interessierte, was in seiner Heimat – dem Eichsfeld, einem Landstrich zwischen dem Harz, Thüringer Wald und Meißner tagtäglich passierte. Obwohl er seit Jahren zurückgezogen in seiner eigenen Welt lebte, war er keineswegs weltfremd, wie viele Dorfbewohner glaubten.

      Spätabends, Dux war längst auf „seiner“ gut gepolsterten Schlafcouch eingeschlafen, wurde im Fernsehen eine Dokumentation über den Bau der Berliner Mauer gezeigt.

      In Markus wurden unwillkürlich Erinnerungen an die Zeit vor dem Mauerbau wach, die er als Heranwachsender selbst miterlebt hatte: Dem Grundschulbesuch im Ort folgte die weiterführende Mittelschule in der nahe gelegenen Kreisstadt Heiligenstadt. Er fuhr in der 10. Klasse täglich mit dem Bus zur Schule. Als Fahrschüler war er unabhängig und nach Erledigung seiner Schulaufgaben frei wie ein Vogel.

      Weil der Bus wegen der Arbeitszeit der Arbeiter und Angestellten erst spät zurückfuhr, begann er, bei schönem Wetter über den Höhenzug des Iberges nach Hause zu wandern. Dabei erkundete er das ausgedehnte Waldgebiet auch abseits der Wege. Bald kannte er den Stadtwald besser als die einheimischen Städter. Nach einer Stunde Fußmarsch endete der dichte, Schutz bietende Buchenwald. Vor ihm lag das weite Luttertal: Der Heimatort im Süden, die bewaldeten Muschel-kalk-Steilhänge des Lengenbergs im Südwesten und dort, wo die Sonne untergeht, der aus der Landschaft herausragende Kegel des Rustebergs, jenseits des Leinetals.

      Wenn er einen romantischen Sonnenuntergang erleben durfte, packte ihn das Fernweh. Am liebsten würde er dorthin gehen, wo das „gelobte Land“ begann – doch die Grenze schien unüberwindbar.

      Als den Schulabgängern nach zwei Jahren angestrengten Lernens das Zeugnis der Mittleren Reife vom Direktor der Schule feierlich überreicht wurde, fehlte der Klassenlehrer.

      Er war in den Westen gegangen …

      In den langen Sommerferien hatte sich Markus mit dem etwas jüngeren Nachbarjungen David angefreundet, einem begeisterten Fußballspieler und talentierten Torwart. David war groß und schlank, hatte kurze, pechschwarze Haare, braune Augen und war stets zu Streichen aufgelegt. Wenn sie nicht auf dem Sportplatz Fußball spielten, halfen sie den Nachbarn bei der Feldarbeit oder sie durchstreiften stundenlang die nahen Wälder, Berge, Täler und Feldfluren. So lernten sie jeden Weg in der Umgebung kennen. Von seinen kümmerlichen Ersparnissen hatte er sich ein Luftdruckgewehr

      zugelegt und lag an manchen Tagen von früh bis spät auf der Lauer, um Spatzen zu schießen. Es gab sie so zahlreich, dass die Bauern von einer Spatzenplage sprachen.

      Anfang September begann ein neuer Lebensabschnitt. Er begann ein dreijähriges Studium am Eisenacher Institut für Lehrerbildung.

      Von dem Geld, das ihm seine Eltern zugesteckt hatten, kaufte er ein kleines, transportables, astronomisches Fernrohr. Mit dem im Garten aufgestellten Fernrohr beobachtete er in den Ferien den Mond und die Planeten. Schon in diesem schwach vergrößernden Refraktor waren auf der Mondoberfläche sehr viele interessante Krater, Gebirge, Täler und flache, weite Ebenen, die „Mondmeere“ zu erkennen. Zu Beginn des zweiten Studienjahres brach er das Studium ab.

      Seine Eltern waren entsetzt, aber es half nichts – es gab kein Zurück. Nun stand er mit leeren Händen da – keine Studium, keine Lehre und keine Arbeit.

      Wenige Monate später ergab sich die Gelegenheit, als ungelernte Kraft bei einer Bank in der Stadt angestellt zu werden, die er auch nutzte.

      Im Frühjahr des folgenden Jahres setzte er die Tradition aus der Mittelschulzeit fort und wanderte, anstelle mit dem Bus zu fahren, nach Feierabend über den Iberg nach Hause.

      Unterwegs traf er viele Heiligenstädter, auch Leute, die in der Stadt Kurgäste des Kneipp-Bades waren.

      Wenn er markante Aussichtspunkte aufsuchte, übermannte ihn immer öfter das Fernweh. Besonders schlimm war es, wenn bei guter Durchsicht der Atmosphäre der Hohe Meißner mit seinen schlanken, weit in den Himmel ragenden Rundfunk- und Fernsehtürmen ganz nah schien.

      Am Abend des 12. August, ein Sonnabend, war die Familie zu einem Fernsehabend bei einem Nachbarn eingeladen. Als sie in der Nacht heim gingen, ahnten sie nicht, was sich zur selben Zeit in Berlin und an der Zonengrenze ereignete. Als sein Vater am Sonntag früh das Radio einschaltete, um Nachrichten zu hören, waren sie geschockt. Sein Vater sagte mit weicher Stimme:

      „Jetzt sind wir für immer eingesperrt …“

      Nachdem kurz darauf der Versuch gescheitert war, ihn „freiwillig“ als Grenzsoldat einzuziehen – sein Herzklappen-fehler hatte ihn davor bewahrt – begann er einen Abitur-lehrgang an der Volkshochschule. Tagsüber musste er am Schreibtisch seine Pflicht erfüllen und zweimal in der Woche nach der Arbeit die Schulbank drücken. Wenn er Unterricht hatte, übernachtete er bei seinem alleinstehenden Großvater mütterlicherseits im Nachbardorf Uder. Sein Opa Josef freute sich, dass er nun regelmäßig Gesellschaft hatte.

      Nach wenigen Monaten der Gewöhnung war er abends hellwach und aufnahmefähig.

      Die zu jener Zeit erworbene Fähigkeit, bis tief in die Nacht aktiv zu sein, hat ihm später als Sterngucker sehr geholfen und manche schöne Beobachtungsnacht beschert …

      Markus unternahm täglich einen kurzen oder längeren Spaziergang mit Dux. Das Tier brauchte Bewegung und frische Luft wie er selbst.

      Eines Nachmittages verweilten sie auf dem Sportplatzgelände neben der Springmühle. Es war in der zweiten Februarhälfte. Tauwetter hatte eingesetzt. Bei Temperaturen weit über Null Grad Celsius schmolz die recht ansehnliche Schneedecke rasch dahin.

      Während die Südhänge des Tales schon abgetaut waren, lag an den Hängen der Nordseite noch Schnee. Wo Markus den Fuß hinsetzte, aus allen Poren sickerte Schmelzwasser. Und wo er hinsah, sämtliche Quellen, die nur zur Schneeschmelze sprudelten, spendeten das kostbare Nass.

      Markus gefiel es zuzusehen, wie Dux sich auf dem nassen, durchgeweichten Rasen des Spielfeldes austobte.

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