DIE NACHT DER ENGELSTRÄNEN. Michael Stuhr
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Читать онлайн книгу DIE NACHT DER ENGELSTRÄNEN - Michael Stuhr страница 8
"Mit seinen Scheinwerfern lockt er die Brüder doch nur an." Todesangst hatte in dieser Stimme mitgeschwungen.
"Kann ihm doch egal sein. Der sitzt oben auf dem Bahndamm in seinem Turm. An dem fällt der ganze Rotz doch vorbei."
Das Geräusch der Flugmotoren ebbte langsam ab.
Wieder dieses Schaben, wie von Eisen auf Beton.
"Vorsicht!"
Dann ein Aufschrei und ein harter Schlag.
"Alwin, verdammt, ich hab doch gesagt, pass auf! - Alwin?"
Eiskalt lief die Gänsehaut meinen Rücken hinunter. Alwin! - Das Bild vervollständigte sich.
"Voll auf die Kiste geknallt. – Ich glaub der ist hin! Soll ich ..."
"Keine Zeit jetzt. Gleich ist die zweite Welle da. Leg ihm schnell was unter den Kopf und komm!"
Wieder die Stimme aus dem Funkgerät: "Zweite Welle, drei Minuten!"
"Was machst du hier?" - Eine der Stimmen von vorhin! Aber näher jetzt, leiser, wärmer. "Du gehörst nicht hierher!" Ganz dicht neben mir wisperte es. Es meinte mich. "Geh weg! Wir sind alle ..."
"Ich kann nicht!" Wieder versuchte ich aufzuspringen. "Ich bin gefangen!"
"Du darfst nicht hierbleiben! Vielleicht kann ich dir helfen."
"Ja bitte! Ich will weg hier!"
"Schnell, bevor die zweite Welle kommt“, flüsterte die Stimme neben mir. "Die zweite Welle ist schlimmer! Zuerst ist die Stadt dran, dann die Brücke!"
"Ich kann nicht!" Verzweifelt riss ich an meinen unsichtbaren Fesseln. Es war als stecke ich in Beton.
"Lauf weg! Lauf weg!“, drängte die Stimme. "Jetzt!"
Voller Entsetzen spürte ich, wie die Hitze um mich herum sich noch verstärkte. Ich glaubte ersticken zu müssen.
"Verzeih mir“, hörte ich ein letztes leises Wispern. Dann fühlte ich einen harten Schlag. Ich dachte, alle Knochen müssten mir brechen, aber ich war frei. Taumelnd wirbelte ich herum und rannte, so schnell ich konnte zur Straße hinauf. Mein verletzter Knöchel schmerzte wahnsinnig. Trotzdem kämpfte ich mich immer schneller durch das dichte Gebüsch.
Deutlich konnte ich jetzt wieder das tiefe Brummen der Bombenflugzeuge hören. Weit entfernt begann eine Flak zu feuern.
Ich rannte, wie um mein Leben, die Straße entlang. Hinter mir verklangen die Stimmen:
"Scheinwerfer! Zielerfassung!"
Schneller, so schnell wie nie zuvor flogen meine Füße über den Asphalt.
"Höhe sechstausendachthundert!"
Ich rannte.
"Bestätige sechstausendachthundert!"
"Nach Erfassung Feuer ohne Befehl!"
Mein Herz raste. Meine Lungen wollten zerreißen. Dann brach hinter mir die Hölle los. Das ganze Tal war erfüllt vom Lärm der Geschütze. Es war, als würde die Luft erbeben. Eine gigantische Welle dumpfer Detonationen wälzte sich näher. Das Abwehrfeuer steigerte sich zu einem wahnsinnigen Crescendo. Erst als ich auf dem nächsten Hügel angekommen war, blieb ich stehen und schaute mich um. Bis hier herauf war die rasend schnelle Folge von Abschüssen zu hören., bis plötzlich eine alles übertönende, ohrenbetäubende Detonation den ganzen Spuk beendete.
Kraftlos sackte ich auf der Stelle zusammen, auf der ich gestanden hatte. Mein verletzter Knöchel tat teuflisch weh. Frisch fuhr der Wind in meine offene Jacke. Schwer atmend hockte ich auf der Straße. Gott sei Dank war jetzt alles vorbei!
"Wollen Sie nicht doch lieber mitkommen?“, fragte hinter mir eine Stimme in der Dunkelheit. Ich spürte, wie mein ganzer Körper sich verkrampfte. Langsam drehte ich mich um.
"Haben Sie sich verletzt?"
Erleichtert atmete ich auf. "Könnten Sie mir bitte hochhelfen? - Ich habe mir den Knöchel verstaucht."
Höflich hielt der Taxifahrer mir seine Hand hin und stützte mich die paar Schritte bis zu seinem Wagen. Warum hatte ich das Auto nicht gehört? War es immer noch nicht vorbei?
"Haben Sie auf mich gewartet?“, fragte ich ihn, als er die Beifahrertür schließen wollte.
Er lachte: "Was? Gewartet? Zwei Stunden lang? - Mädchen, sie sind gut!" Kopfschüttelnd warf er die Tür ins Schloss.
Aber - ich war doch höchstens eine Viertelstunde ...
Der Fahrer klemmte sich hinter das Lenkrad. Mißtrauisch musterte er mich: "Sagen Sie mal, Mädchen ..."
"Ja?"
"... sind sie wirklich nur umgeknickt?"
"Ja!" Heftig nickte ich mit dem Kopf. "Nur umgeknickt! - Amtmann-David-Straße bitte!
Tante Lucy war echt sauer!
"Tut mir Leid, ich bin umgeknickt!" Mein Gehumpel kam mir jetzt gerade recht. Ich brauchte nicht einmal zu simulieren.
"Ach, umgeknickt? Und dann kann man natürlich nicht mehr telefonieren, was?"
"Äh, ja - irgendwie ging das Handy nicht. Jetzt geht es aber wieder!"
"Spar dir deine Ausreden und schreib mir gleich mal deine Nummer auf! - Wo bist du denn umgeknickt?"
"Am Viadukt“, Ich hätte mir auf die Zunge beißen können! "Aber da war es noch hell!“, fügte ich hastig hinzu!
Tante Lucy schob mir Zettel und Stift über den Tisch. "Am Viadukt? Weißt du, dass Opa Alwin damals da draußen umgekommen ist?"
"Ja!“, sagte ich und begann zu schreiben. "Ja, ich weiß."
"Soll ein feiner Kerl gewesen sein."
"Ja!" Ich nickte. "War er! - Ganz bestimmt!"
Am nächsten Morgen war Jochen wieder da. Er hatte penetrant gute Laune, und versuchte nach Kräften mich zu ärgern. Natürlich hatte meine Tante ihm erzählt, dass ich mir in der Nähe des Viadukts den Knöchel verstaucht hatte.
Schließlich hörte er auf, mich damit aufzuziehen und schnappte sich die Sonntagszeitung.
Ein Weilchen blätterte er schweigend vor sich hin, während ich mitleidig alle Zehen meines bandagierten Fußes einzeln bedauerte. Plötzlich stutzte er, und warf mir einen schnellen Blick zu.
"Was is los?“, fragte ich freundlich. "Hab ich Warzen?"
Jochen schaute mich über die Zeitung hinweg forschend an. "Du warst doch gestern abend am Viadukt?"
"Ja,