Anne und die Horde. Ines Langel
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Anne und die Horde - Ines Langel страница 4
„Na schön“, sagte Mama. „Wir haben ja auch keine Angst, nicht wahr Anne? “
Anne nickte, und zumindest für sie stimmte es. Anne hatte noch nie Angst vor Tieren gehabt, ganz im Gegenteil. Sie wollte Tierforscherin werden und sah sich schon durch afrikanische Savannen und Regenwälder streifen. Mama hingegen tat nur so, als hätte sie keine Angst. In Wahrheit lief sie schon vor Marienkäfern davon.
Papa entstaubte seine Hose, sah sich in Annes Zimmer um und nickte.
„Langsam wird es wohnlich“, meinte er. „Na kommt, ich helfe euch schnell mit dem Rest, und dann kochen wir was Leckeres. Ich kriege langsam Hunger.“
Die Eltern machten sich an die Arbeit. Sie überlegten, was es zu essen geben könnte. Die haarige Spinne war bereits vergessen. Anne starrte ihr Bett an.
Das war keine Spinne und auch kein Affe.
Dessen war sie sicher. Allerdings hatte sie keine Ahnung, was es sonst gewesen sein könnte. Hier ging etwas vor, und Anne musste herausfinden, was es war.
Erdnüsse in der Küchenschublade
Als Mama und Papa am nächsten Tag zum Einkaufen gingen, durfte Anne zu Hause bleiben. Sie durfte nicht oft und auch nie lange alleine bleiben. Doch Papa meinte, dass man auch mal eine Ausnahme machen konnte. Anne vermutete, dass sie nach all dem Ärger mit dem ungewollten Umzug versöhnlich gestimmt werden sollte. Ihr Bruder Swontje fuhr immer mit zum Einkaufen. Wie ein nörglerisches Kleinkind versuchte er die Eltern zu überreden, ihm allerlei Unfug zu kaufen. Anne war zu groß, um sich so albern zu benehmen. Ihr Bruder hingegen war immer nur auf seinen Vorteil bedacht. Als die Drei im Aufbruch waren, hatte Swontje ihr schnell noch die Zunge raus gestreckt. Aber sie hatte sich nicht provozieren lassen.
Anne hatte noch zu viel zu erledigen. Vor allem musste sie auf die Jagd gehen. Wäre doch gelacht, wenn die große Abenteuerin und Zoologin Anne-Lindje Kolbe das haarige Ding nicht zu fassen bekäme. Kaum war sie allein, zog sie ihre Ausrüstung an. Omas altes Nudelsieb war aus Blech. Mama benutzte es nicht, doch weil es schön bemalt war, hing es als Zierde an der Küchenwand. Anne nahm es vom Haken und setzte es sich auf den Kopf. Sie fixierte es mit Paketschnur unter ihrem Kinn. Es war immer gut, einen Helm zu tragen. Um Bauch und Rücken band sie sich zwei kleine Sofakissen. Darüber trug sie Mamas Wildlederweste. Handschuhe fand sie in der Schuhkiste. Dort fingerte sie auch Papas Arbeitsschuhe heraus. Die hatten vorne eine Stahlkappe. Sie passten natürlich nicht, doch ausgestopft mit Zeitung rutschen sie nicht mehr von den Füßen. An den Beinen trug Anne die Knieschoner, die fürs Schlittschuhlaufen gedacht waren. Fertig. Nun brauchte sie nur noch eine Waffe und den Kompass. Im Wandschrank fand sie den Staubsauger. Sie zog die Rohre auseinander und nahm das mittlere mit. Eine gute Schlagwaffe. In ihrem Zimmer zog sie die Nachttischschublade auf und entnahm der kleinen Kiste, die sie dort aufbewahrte, den Kompass. Sie liebte den Kompass, er war ihr größter Schatz, etwas, das sie niemals verlieren durfte, wenn sie auch sonst alles verlor. Sie hatte ihn im letzten Spanienurlaub im Schaufenster gesehen und gewusst, dass sie ihn haben musste. Es war nicht einfach nur ein Kompass. Auf der Rückseite befand sich auch eine ausklappbare Lupe.
„Was willst du denn damit?“, hatte Papa sie vor dem Laden gefragt.
„Ich brauche ihn für meine Safari“, hatte Anne gemeint. „Jeder Zoologe hat einen Kompass. Ach bitte, Papa! Bitte!“
Ihr Vater hatte gelächelt und ihr tatsächlich den Kompass geschenkt. Seitdem war kein Tag vergangen, an dem Anne nicht mit dem Kompass unterwegs war. Nur in die Schule nahm sie ihn nie mit. Sie hatte zu viel Angst, er könnte ihr geklaut werden.
Anne begann mit der Suche natürlich in ihrem eigenen Zimmer, denn hier war das haarige Ding zuerst aufgetaucht. Akribisch suchte sie jeden Winkel ab, blickte überall drunter und sah auch in den Schränken nach. Doch sie wurde nicht fündig. Das einzige, was sie fand, waren Wollmäuse.
Als sie sich sicher war, dass sich nichts und niemand in ihrem Zimmer versteckten, verließ sie es, zog die Türe zu und versiegelte es mit gelbem Allzweckklebeband. Hier war sie fertig. Sie ging als nächstes in Swontjes Zimmer. Sie hasste Swontjes Zimmer, doch wenn sie gründlich sein wollte, musste sie auch hier suchen. Ihr Bruder war zwölf, fast dreizehn, doch sein Zimmer sah aus, wie das eines Erwachsenen. Alles hatte seinen festen Platz, nichts lag auf dem Boden, es hing keine Wäsche über dem Stuhl. Die Bücher standen nach Größe sortiert auf den Regalbrettern und seine Starwars-Sammelfiguren waren immer abgestaubt. Anne verzog angewidert das Gesicht. Wie konnte man nur so ordentlich sein? Ihr Zimmer war dagegen ein Schlachtfeld. Mama neckte sie deswegen oft, gerade dann, wenn Anne etwas suchte.
„Wenn du mehr Ordnung hieltest, müsstest du nicht so viel suchen. Ordnung ist das halbe Leben, Anne.“
Es lief ihr eiskalt den Rücken runter bei dem Gedanken, dass dies stimmen könnte. Wenn Ordnung das halbe Leben war, dann machte die andere Hälfte auch schon keinen Spaß mehr. Papa hatte ihr am Tag des Einzugs ein Türschild geschenkt.
„Annes Räuberhöhle. Bitte anklopfen“, stand darauf.
Anne hatte es gar nicht lustig gefunden, vor allem weil ihr Bruder ein Schild mit der Aufschrift „Swontjes Studierzimmer. Bitte Ruhe.“ bekommen hatte.
Studierzimmer, dass ich nicht lache!
Swontje verbrachte doppelt so viel Zeit mit Rollenspielen am PC, als mit seinen Hausaufgaben.
„Warum darf Swontje einen Computer im Zimmer haben und ich nicht?“, hatte sie bei Papa gejammert.
„Weil Swonje ihn ab jetzt für die Schule braucht. Wenn du in die 5. Klasse kommst, bekommst du auch einen Computer für dein Zimmer, versprochen.“
Anne fand das ungerecht, konnte aber nichts dagegen machen. Sie würde noch ein paar Jahre den Gemeinschaftscomputer im Wohnzimmer benutzen müssen.
Swontjes Zimmer war schnell durchsucht. Es gab keine Winkel, in denen man sich hätte verstecken können. Anne versiegelte es mit Klebeband, und zog weiter in das Elternschlafzimmer. Dieses Zimmer war für Anne das schönste der ganzen Wohnung. Selbst wenn die Eltern nicht da waren verströmte es eine Aura von Sicherheit und Geborgenheit. Hier nahm Anne sich besonders viel Zeit. Sie schaute in jede Kiste, in jeden Schrank und auch unter das große Bett. Sie fand nichts Außergewöhnliches, nur ein paar alte Fotos. Mama und Papa bei ihrer Hochzeit. Sie nahm die Bilder an sich. Sie würde sie später in Ruhe mit Mama ansehen. Im Wohnzimmer gab es mehr Verstecke, doch auch hier fand sie kein haariges Ding. Der Flur war ein langer Schlauch, hier konnte sich niemand verstecken. In der Küche durchsuchte sie gründlich den Wandschrank. Als sie dort auch nichts fand, wollte sie schon aufgegeben. Nur aus Trotz lugte sie noch in die Küchenschränke. Sie zog jede Schublade auf. Als sie die letzte Schublade aufzog, hielt sie überrascht inne. Auf dem Schubladenboden lagen drei Erdnüsse. Was hatten die da zu suchen? Anne öffnete die Tür zum Vorratsschrank und überblickte das Angebot. Keine Erdnüsse. Sie hatten noch nie Erdnüsse gehabt. Keiner hier im Haus mochte Erdnüsse. Anne legte den Kopf schief und sah sich die Nüsse genauer an. Nichts Ungewöhnliches war zu entdecken, doch sie gehörten eindeutig nicht hierher. Anne nahm die drei Nüsse an sich. Sie würde sie behalten. Sie wusste zwar noch nicht, ob die Nüsse mit dem haarigen Ding in Verbindung standen, doch sie würde es herausfinden. Gerade, als sie in ihr Zimmer gehen wollte, hörte sie den Schlüssel in der Tür. Die Einkäufer waren zurückgekommen.
„Anne-Maus, wir haben dir was mitgebracht“, rief Mama fröhlich und stand auch schon voll beladen in der Küche. Ihr Blick