Anne und die Horde. Ines Langel
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Noch bevor Papa die Küche betrat, erschien Swontjes Kopf im Türrahmen. Er lachte verächtlich.
„Mann, was soll denn das sein. Der Nudelroboter?“
„Haha, sehr komisch!“, sagte Anne und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Swontje, bitte“, sagte Mama. „Das ist doch süß.“
Mama küsste Anne auf die Wange. Papa kam mit dem Fotoapparat. Er strahlte als er Anne sah.
„Oh, Anne. Warst du auf Safari?“, fragte er. „Das müssen wir festhalten. Stell dich doch mal ans Fenster.“
Anne wollte nicht, doch ihre Eltern waren so glücklich, dass sie nicht anders konnte. Sie stellte sich vors Fenster, und sie lächelte breit, obwohl sie vorne eine Zahnlücke hatte.
Frau mit Hut
Papa hatte das Foto von Anne auf Safari ausgedruckt und in die Küche gehängt. Für ihn war alles ein großer Spaß. Natürlich glaubte auch Mama nicht, dass ein behaartes Tier Erdnüsse in die Küchenschublade gelegt hatte. Sie sah verwundert auf die Nüsse und meinte:
„Ich wusste gar nicht, dass du so gerne Erdnüsse isst.“
„Tue ich ja auch gar nicht. Ich habe sie doch gefunden.“
„Eigenartig, es isst doch auch sonst niemand Erdnüsse von uns.“
Triumphierend hielt Anne die Nüsse unter Mamas Nase. Das war der Beweis.
„Siehst du, ich sage ja, dass hier jemand umgeht.“
„Und Nüsse verteilt?“, fragte Mama.
Der skeptische Blick sagte Anne, dass sie verloren hatte. Hier würde ihr niemand glauben.
„Es gibt bestimmt eine andere Erklärung, als eine riesige haarige Spinne, die in unsere Küchenzeile kriecht und…“
„Keine Spinne“, rief Anne genervt. Nervös drehte sie die nierenförmigen Dinger in ihrer Hand hin und her. „Ich habe dir doch gesagt, dass es sich um ein haariges…“
„Ach Anne“, meinte Mama und bekam den „Blick“. So schaute sie immer nur, wenn sie meinte verstanden zu haben, was das eigentliche Problem war.
„Dir ist sehr langweilig hier nicht wahr?“
Anne verdrehte die Augen. „Nein, ich…“
Mama hatte den Kopf schief gelegt und Annes Schulter gestreichelt. Anne wäre am liebsten davongelaufen.
„Ich verstehe das. Wir sind gerade erst hergezogen, und du hast noch keine Freunde. Die Schule geht erst in fünf Wochen wieder los. Du bist schon ein bisschen einsam, nicht wahr? Ich verspreche dir, dass ich mir was einfallen lasse.“
Mama hatte Wort gehalten und sich etwas einfallen lassen. Zum einen hatte sie ihrer Tochter eine Dauerkarte fürs nahe Schwimmbad gekauft. Anne sollte so oft hin- gehen, wie sie wollte.
„Bestimmt wirst du dort schnell ein paar Freundinnen finden.“
Anne hatte dazu nichts gesagt. Mama meinte es ja gut.
Zum anderen hatte Mama beschlossen, dass Anne neue Bücher brauchte. Aus diesem Grund waren sie gerade auf dem Weg zu einer Buchhandlung, die Mama beim letzten Einkauf entdeckt hatte. Eigentlich freute Anne sich auf die neuen Bücher, dummerweise wusste sie aber auch, dass Literatur nichts an dem Problem ändern würde. Zwar hatte Anne ihrer Mutter nichts mehr erzählt, doch sie hatte weitere Erdnusshaufen gefunden. Einer hatte im Badezimmer gelegen, an der Stelle, wo Mama ihren Schmuck hinlegte, wenn sie ihn vorm Schlafengehen auszog. Die Erdnüsse waren aufgetaucht und Mamas Ohrringe verschwunden. Seit Tagen suchte sie danach. Papa hatte selbst den Siphon aufschrauben müssen. Es hätte ja sein können, dass die Ohrringe ins Waschbecken gefallen waren und nun im Abfluss steckten. Natürlich hatte Papa nichts außer Schmutz und Haaren gefunden. Anne hatte die Nüsse an sich genommen, noch bevor ein anderer sie gesehen hatte. Nachher hätte Mama noch gedacht, dass sie hinter der ganzen Sache steckte. Erwachsene kamen oft auf komische Ideen. Sie hatte die Nüsse zu den anderen in ein altes Goldfischglas geworfen, das unter ihrem Bett stand. Einen weiteren Haufen hatte sie im Flurschränkchen entdeckt. Sie hatte keine Ahnung, ob, und wenn ja, etwas fehlte, denn hier wurde alles Mögliche gesammelt. Auch diese Nüsse waren im Glas gelandet. Lustig war, dass Swontjes Schlüssel verschwunden war. Die Ordnung in Person konnte ihn einfach nicht finden. Allerdings hatte Anne keine Nüsse gefunden, weshalb es sein konnte, dass Swontje den Schlüssel tatsächlich nur verloren hatte. So oder so, es war bewiesen:
Irgendjemand geht bei uns im Haus um und sammelt glänzende Dinge.
Der steinerne Kopf
„Anne, du schläfst ja fast ein beim Gehen.“
Mamas Worte rissen Anne aus ihren Gedanken. Sie sah auf. Ihre Mutter stand im Eingang zu einem kleinen Laden. Die Türe hielt sie lässig mit einem Fuß geöffnet.
„Komm schon, wir sind da.“
Mit diesen Worten verschwand sie im Laden. Anne sah sich um. Mama hatte sie zu einem alten Steingebäude mitgenommen. Das Haus besaß einen olivfarbenen Anstrich. Neben der dunklen Holztüre war in einer Nische ein Frauenkopf aus Stein aufgestellt worden. Der Kopf wirkte sehr lebensecht, erschreckend lebensecht. Die Frau trug einen weißen Hut, von dem drei schwarze Federn abstanden. Ihr Gesicht war blass rosa, der Mund sehr rot. Er bildete ein stummes „Oh“. Sie hatte eine feine kleine Nase. Die Augen waren braun. Sie sahen aus wie Mandeln. Die Augenbrauen waren nach oben gezogen. Zusammen mit dem Mund gaben sie dem Gesicht einen Ausdruck von Überraschung. Unterhalb des langen Halses kam ein Teil der Schultern zum Vorschein. Die Frau hatte etwas Blaues an.
Vielleicht ein Kleid?
Anne schauderte. Ein ungutes Gefühl schnürte ihr die Kehle zu. Sie wusste, dass es Unsinn war, doch sie traute sich nicht, an diesem Kopf vorbeizugehen. Vorsichtig ging sie einen Schritt weiter auf die Türe zu. Sie ließ den Kopf nicht aus dem Blick. Als sie näher kam, konnte sie kleine Falten um den Mund und auf der Stirn erkennen. Anne schluckte, machte aber noch einen Schritt.
Sind das Wimpern?
„Anne, was trödelst du denn schon wieder?“
Mama hatte von innen die Tür geöffnet, um zu sehen, wo ihre Tochter blieb. Anne zuckte zusammen. Erschrocken sah sie ihre Mutter an. Wortlos zeigte sie auf den Frauenkopf. Mama sah in die gewiesene Richtung und lächelte.
„Ja, sehr schön, nicht wahr? “, sagte sie und warf einen kurzen Blick auf das Bildnis.
Anne schüttelte den Kopf, doch Mama bemerkte es nicht. Sie griff nach der Hand ihrer Tochter und zog sie hinter sich her in den Laden. Anne warf im Vorbeigehen einen letzten Blick auf den Frauenkopf. Sie hätte schwören können, dass die Mandelaugen sie ansahen.
Rasmus Merymend
Vom