Anne und die Horde. Ines Langel

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Anne und die Horde - Ines Langel

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der lächelnde Mund, sogar die kleine Brille, die er immer trug. Der Eindruck wurde dadurch verstärkt, dass er kaum noch Haare auf dem Kopf hatte und der Hals sehr kurz war.

      „Anne!“, rief Herr Friedel und lachte. „Mensch, das ist ja schön, dich zu sehen. Hast du dich mittlerweile bei uns eingelebt? Was machst du denn so früh hier unten im Schlafanzug?“

      „Morgen Herr Friedel“, stotterte Anne und hoffte, dass Mama nichts mitbekommen hatte. „Ich möchte in den Keller.“

      „Ganz alleine? So mutig war ich in deinem Alter aber nicht.“

      „Ist ja nur kurz“, sagte Anne schnell und hoffte, dass Herr Friedel ihr die Aufregung nicht anmerkte. “Und Sie? Morgenspaziergang?“

      Herr Friedel zeigte auf seinen Dackel. „Otto muss Pipi.“

      Anne lächelte, bückte sich und streichelte den Hund.

      „Na Otto, wie geht es dir heute Morgen? “

      „Otto hat immer gute Laune“, meinte Herr Friedel fröhlich.

      Anne lächelte. „Das hat er von Ihnen.“

      Herr Friedel schaute erst überrascht drein, lachte dann aber herzlich.

      „Da hast du Recht, Anne. Wenn man so lange zusammenlebt, wird man sich immer ähnlicher“

      Anne lachte ebenfalls. Herr Friedel suchte und fand in seiner Tasche zwei Karamellbonbons.

      „Hier Anne, gib eins deinem Bruder, ja? Wir müssen. Otto drängt. Viel Spaß im Keller.“

      Friedel blinzelte ihr mit dem rechten Auge zu. Anne tat es ihm gleich, obwohl sie nicht wusste, warum. Sie sah den beiden nach, wie sie in die Sonne traten, dann setzte sie ihren Weg in den Keller fort. Die Kellertüre quietschte, als Anne an ihr zog, fast wie in den Gespenstergeschichten, die Mama manchmal zum Besten gab. Anne atmete tief ein. Sie wusste, dass es keine Gespenster gab. Allerdings war dieses Wissen durch die Ereignisse der letzten Tage ein wenig geschwächt worden. Das Neonlicht surrte, ansonsten war es still. Anne brauchte einige Zeit, bis sie den richtigen Holzverschlag gefunden hatte. Papa hatte den Familiennamen auf die Tür geschrieben, sonst hätte Anne wohl alle Schlösser durchprobieren müssen. Das Schloss öffnete sich problemlos. Der Keller war so gut wie leer. Mama hatte vieles weggeworfen, als sie umgezogen waren. Papas Werkzeug war ordentlich in einem Regal an der rechten Wand untergebracht. Auf der linken Seite befanden sich Mamas Dekorationssachen für Karneval, Ostern, Weihnachten und Kindergeburtstage. Anne wusste, dass in den blauen Kartons der Weihnachtsschmuck war. Sie öffnete einen und schaute verzückt auf eine Reihe kleiner roter Glöckchen. Sie waren genau wie die Kugeln aus dünnem Glas und glänzten wie poliert. Anne nahm ein Glöckchen aus der Schachtel. Es war leicht wie eine Feder. Ein kleiner Klöppel steckte in seinem Hohlkörper. Wenn man es schüttelte, bimmelte es sogar. Dieses kleine Glöckchen war die perfekte Falle für jemanden, der glänzende Dinge stahl. Da war sich Anne ganz sicher.

      Die Glöckchenfalle

      Anne saß auf ihrem Bett und drehte das Glöckchen in ihren Händen. Bei jeder Umdrehung schlug der kleine Klöppel an.

      Pling, pling, pling, pling…

      Anne hörte es gar nicht, sie war mit ihren Gedanken weit weg. Sie musste sich eingestehen, dass sie Angst hatte. Sie hatte keine Ahnung, mit wem sie es hier zu tun hatte. Doch eines wusste sie ganz sicher, dieser Jemand war kein Mensch. Allerdings auch kein Tier. Für ein Tier war er zu intelligent. Intelligente Wesen konnten sehr viel gefährlicher werden als zum Beispiel ein wilder Elefant. Das sagte Papa immer, und Anne glaubte ihm. Aber sie durfte sich nicht einschüchtern lassen. Sie musste ihren Kompass wiederhaben, unbedingt. Sie brauchte ihn. Anne seufzte tief. In diesem Augenblick betrat Mama ihr Zimmer.

      „Anne-Maus, Zeit zum Schlafen.“

      Anne nickte stumm, legte sich auf die Seite und wartete, dass Mama die Decke über sie zog.

      „Geht es dir immer noch nicht gut?“, fragte Mama fürsorglich und befühlte Annes Stirn.

      „Geht schon“, meinte Anne.

      Mama lächelte und zog die Decke über ihre Tochter.

      „So, nun mummel dich ganz fest ein, und morgen sieht die Welt schon wieder viel

      besser aus.“

      Anne lächelte ihre Mutter an: „Ja, bestimmt.“

      „Ganz bestimmt“, sagte Mama und küsste sie auf die Wange. „Schlaf gut, mein Mausezahn.“

      „Nacht“, sagte Anne und schloss die Augen.

      Mama löschte das Licht und zog beim Rausgehen die Tür hinter sich zu. Kaum war sie draußen, richtete sich Anne wieder auf. Sie legte das Glöckchen, das sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, auf den Nachttisch. Dann zog sie das Rollo so weit hoch, dass genügend Licht von der Straße hereinfiel, um das Glöckchen im Auge zu behalten. Es würde nicht leicht sein, im Dunkeln wach zu bleiben und aufmerksam alles zu beobachten, was vor sich ging. Doch Anne musste es versuchen.

      Die Minuten verstrichen. Annes Augenlider wurden immer schwerer. Ihr war klar, dass sie wahrscheinlich nicht die ganze Nacht durchhalten würde, deshalb hoffte sie innständig, dass bald etwas passierte. Sie hatte kein Talent, lange wach zu bleiben. Noch nicht mal Sylvester schaffte sie es, bis Mitternacht durchzuhalten. Das hier war eine echte Herausforderung.

      Zwei Mal waren ihr die Augen zugefallen, zwei Mal war sie erschrocken wieder zu sich gekommen und hatte mit Erleichterung festgestellt, dass die Glocke noch da war. Angestrengt überlegte sie, wie sie sich wach halten konnte, als sie plötzlich ein Geräusch hörte. Anne hielt die Luft an und lauschte. Jemand war vor ihrer Tür. Sie konnte ein leises Schaben hören. Anne starrte auf die Klinke.

      Sie konnte sie im Dunkeln kaum erkennen, hätte aber schwören können, dass sie sich bewegte. Und tatsächlich, ihre Zimmertür wurde langsam aufgeschoben. Anne zog sich die Decke bis unter die Nase. Gebannt starrte sie Richtung Tür. Das Herz schlug ihr bis zum Halse. Dann sah sie etwas das Zimmer betreten. Es konnte nicht größer als einen Meter sein und war in der Dunkelheit kaum zu sehen. Langsam kam dieses Etwas auf sie zu. Annes Finger verkrampften sich in der Decke. Sie schloss die Augen bis auf einen Schlitz, durch den sie beobachtete, was geschah. Anne meinte, einen runden Kopf mit spitzen Ohren auf einem gedrungenen Körper zu erkennen. Als das Wesen noch näher kam, sah sie das dunkle Fell. Annes Herz raste. Das konnte der Dieb sein, den sie fangen wollte. Aber der mutige Vorsatz war untergegangen in ihrer Angst. Sie wollte schreien und brachte keinen Ton heraus.

      Der Eindringling stand nun so dicht vor ihr, dass sie ihn hätte berühren können. Das Wesen aber beachtete Anne nicht, ja schien sie nicht mal zu bemerken. Es starrte nur auf das Glöckchen auf dem Nachttisch, das im einfallenden Licht der Straßenlaterne matt glänzte. Anne zweifelte nicht länger an der Absicht des haarigen Wesens. Trotzdem war sie erleichtert. Wenn das Wesen nur Augen für das Glöckchen hatte, drohte ihr offenbar keine Gefahr. Sie fasste wieder Mut.

      „Oh“, flüsterte das Wesen. „Glänzeding. Feines Glänzeding.“

      Anne schluckte. Das Wesen konnte sprechen. Seine Stimme klang hell und ein bisschen näselnd. Das machte Anne noch ein bisschen mutiger. Wenn das Wesen sprechen konnte, war es auch möglich, sich mit ihm zu verständigen. Aber dazu musste verhindert

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