Silber. Hans.Joachim Steigertahl

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Silber - Hans.Joachim Steigertahl

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das Zeichen Boleslavs um die Pferde antraben zu lassen. Doch der unterhielt sich mit seinen Gästen und rief auch noch Pritbor hinzu. Nervös nestelte Cuno an seinem Waffenrock herum, zog das steigerthalsche Wappen gerade und versuchte, Salwa so gut wie möglich zu sehen. Die winkte ihm kurz zu und als Boleslav in dem Moment den Befehl zum Angriff gab, war Cuno zu überrascht, um an Taktik zu denken. Er setzte die Lanze auf den Oberschenkel, gab Váží die Sporen und raste auf Miška zu, dessen Lanze schon am rechten Ellbogen eingelegt auf Cuno gerichtet war. Als sie nur noch wenige Längen trennten, ließ Cuno seine Lanze nach vorne sinken und traf Miškas vom Schild geschützten linken Arm, während er selbst sich unter dem beim Aufprall etwas zu hoch geratenen Lanzenkopf Miškas durchbückte, so dass der halbe Schaft ihm über den Rücken glitt, ihn aber nicht aus dem Gleichgewicht brachte. Am Ende der Kampfbahn wendeten beide ihre Pferde und stürmten erneut aufeinander zu. Diesmal gab es kein Entrinnen. Cuno flog aus dem Sattel und krachte auf den sowieso schon schmerzenden Oberarm. Aber im Fallen hörte er den Aufschrei Salwas. Als er wieder auf die Füße kam, sah er, dass sie die Hand vor den Mund hielt und ihn mit Tränen in den Augen ansah. Das war der Kraftspender, der ihm gefehlt hatte. Miška und Cuno standen einander nun – so gebot es die Regel – zu Fuß gegenüber, Kurzschwert und kleines Schild. Miška stürmte auf Cuno zu, den Schild halbhoch gehalten, das stumpfe Schwert in der Faust, bereit, von unten nach oben zuzustechen. Cuno wartete, bis der Tscheche schon fast nah genug für einen Streich war und wechselte dann blitzschnell Schwert und Schild, so dass Miška nun vor seinem Schwert den Schild Cunos hatte, während dessen Linke einen mächtigen Schlag gegen den Kopf des Gegners landete. Miška stolperte kurz und warf sich mit einem lauten Schrei auf den Kleineren, der wieder Schwert und Schild zu tauschen versuchte, aber doch zu langsam war. Der Schild fiel ihm nach dem ersten Schlag aus der Hand, Miška setzte ihm das Schwert an die Halsbeuge und schlug zu. Stöhnend sank Cuno in den Matsch der Kampfbahn und gnädiges Vergessen legte sich um ihn.

      Als er wieder zu sich kam und versuchte, die Augen zu öffnen, lag er in dem kleinen Zelt, das den Kämpfern als Ankleide diente. Draußen hörte er das Geschrei der Kämpfenden, drinnen lag Tibor bewusstlos neben ihm, und Friedrich wartete , nun wirklich heulend, auf seinen Einsatz. Aber da spürte Cuno, wie jemand ein feuchtes Tuch auf seine Stirn legte und ihm vorsichtig das Gesicht zu reinigen versuchte. „Du kannst es sicher nicht ertragen, schmutzig zu sein!“ sagte die helle Stimme Salwas hinter ihm. Er öffnete die Augen und schaute hoch. Ihre Stimme hatte geklungen, als ob sie sich über ihn lustig machen würde, aber als er ihr ins Gesicht sah, bemerkte er die Tränen, die ihr über die Wangen liefen. „Warum müsst ihr nur immer kämpfen, es gibt doch Wichtigeres, das immer gilt – frag deinen Tasso!“ Mit Mühe hob er seinen Arm und legte seine Hand auf ihre. „Danke!“

      Neben im rührte sich Tibor und Salwa konnte nicht anders als auch ihm die Stirn zu kühlen, bis er ganz erwachte. „Wie sieht es draußen aus?“ fragte Cuno, die unverfänglichste Frage, die dem Vierzehnjährigen einfiel. „ Miška hat bisher alle besiegt, aber so übel wie euch beide hat es keinen erwischt. Johann ist erst im vierten Anlauf gefallen und, Pjotr hat sich, glaube ich, von alleine fallen lassen und tat sich damit gar nicht weh. Juri fiel gleich, hat aber Miška im Fußkampf fast besiegt – jetzt ist noch Friedrich dran, aber sicher nicht lange!“ „Stimmt!“ Das war Pritbor, der gerade die Decke am Eingang des Zeltes zurückschlug. „Miška kann sich zum Ritter schlagen lassen und auch der Rest hat sich gut gehalten –bis auf Friedrich – der dürfte schon oben in eurer Kammer auf dem Strohsack liegen und heulen! Lasst sehen, was ist euch passiert?“ Salwa rückte zur Seite und der stämmige Ritter machte kein Federlesen aus seiner Überprüfung. Beide Jungen zogen vor Schmerz die Luft durch die Zähne ein, als er sich Arme, Beine und Brustkorb der beiden vornahm. „Sehr schön – nichts wirklich kaputt, auch wenn es noch ein paar Tage weh tun wird. Du, Tibor, brauchst nochmal ein paar Fußkampfübungen, damit dich so einer wie dein Bruder nicht wieder niederschlagen kann. Ich verstehe schon, dass er die Schmach vom letzten Jahr, gegen den kleinen Bruder verloren zu haben, tilgen musste, aber du hättest auch damit rechnen müssen und dich besser sichern. Und nun zu dir, Cuno: Dafür, dass du erst ein Jahr bei uns bist, hast du dich gut geschlagen; der Trick, Schild und Schwert erst in der einen, dann in der anderen Hand zu führen, hat schon manchen großen Ritter zu Boden gebracht. Was dir noch fehlt, ist Kraft und Sicherheit. Die Kraft wirst du bekommen, wenn du ab nächster Woche wieder richtig laufen kannst und der Schwarze Boris dich in den Berg scheucht!“ Damit verließ Pritbor die drei und gesellte sich wieder zu den Gästen, um einen ordentlichen Schluck auf die Erfolge zu nehmen. Cuno überlegte verzweifelt, wie er das Gespräch mit Salwa, die ihn jetzt fragte wo und wie es weh täte, so hinbiegen konnte, dass dabei mehr als nur das Gesagte gesprochen wurde, als die Decke des Zeltes wieder gehoben wurde. Eine der Mägde schaute scheu herein und überbrachte ihre Botschaft: „Ritter Přemisl bietet euch an, das Badehaus zu benutzen; Frau Aljina hat warmes Wasser bringen lassen. Neben dem Becken findet ihr ein Fläschchen mit einer Tinktur, die sollt ihr auf die schmerzenden Stellen reiben.“ Und damit war sie verschwunden. Salwa musste trotz immer noch rollender Tränen über das ganze Gesicht grinsen. „Da wird unser Cuno sich aber freuen! Und, ehrlich gesagt, ich auch, denn so, wie ihr beide gerade riecht, ist es keine Freude, heute Abend beim Festmahl neben euch zu sitzen! Bis später!“ Sie ließ ihre Hand etwas länger als notwendig auf Cunos Stirn liegen und verschwand dann ebenfalls durch die Zeltdecke.

      „Ist das das Mädchen aus Pisek, von dem du erzählt hast?“ Tibor schien der Schlag seines Bruders schon weniger zu beschäftigen als seine Neugier. „Ja.“ „Die ist wirklich süß – diese Haare, diese Haut – aber das mit den grünen Augen war hier im Zelt gar nicht zu erkennen – ich glaube, da hast du aufgeschnitten!“ Cuno quälte sich auf die Füße. „Ich glaube nicht. Wenn wir nachher mit ihr zu Abend gegessen haben und die Halle wie üblich festlich erleuchtet ist, wirst du schon sehen. So, und jetzt lass uns baden gehen!“ Tibor war gar nicht so begeistert, seinen ganzen Körper nass zu machen, aber Cuno hatte schon so oft das Baden als etwas Schönes erwähnt, dass er sich ohne Murren ebenfalls aufrichtete und mitkam, und wenn es nur war, um seine Neugier zu befriedigen!

      Das Badehaus war hinter dem Turm, der die Kemenate verbarg, in halber Höhe angebaut. Eigentlich war die Kemenate das Frauenhaus, aber BoleslavPřemisl hatte es wie viele andere als die Privatgemächer der Familie gebaut. Cuno und Tibor mussten erst einmal die Treppe im Turm hinauf, dann durch die von einem Gewappneten bewachte Tür in den eigentlichen Wohnbereich, und da erwartete sie schon die Magd, die ihnen vorher die Nachricht gebracht hatte und wies ihnen den Weg: Hinter einer festen Holztür öffnete sich ein wohl zwanzig auf vierzig Fuß großer Raum, angenehm erwärmt durch ein großes Feuer im Kamin und in das in der Mitte liegende Becken sprudelte – wie Salwa es erzählt hatte – dampfendes Wasser aus einem Holzrohr. Die beiden Jungen entledigten sich der Reste der Rüstungen, dann der Unterkleider und stiegen vorsichtig in das Becken. Kaum hatten sie es sich auf den gemauerten Bänken im Becken gemütlich gemacht, kam Pritbor herein, und rief nach draußen: „Genug Wasser! Abstellen!“ Dann wandte er sich an Cuno und Tibor: „Das warme Wasser hilft den Muskeln, den Schmerz zu vertreiben und es verhindert, dass Schlimmeres als Schmerzen daraus entstehen. Lasst euch erst einmal durchwärmen, und dann nehmt die Tinktur von Frau Aljina und reibt sie in die schmerzenden Stellen. Die Magd wird euch saubere Kleidung bringen, eure dreckige könnt ihr morgen waschen und die Rüstungen morgen polieren. Wir erwarten alle Kämpfer beim Abendmahl. Es wird schließlich das letzte Mal sein, dass Miška als Knappe in unserer Halle sitzt!“

      Etwa eine Stunde später saßen zwei wohlriechende, saubere und aufgeregte Knaben neben ihren Knappenbrüdern und Salwa gegenüber. Cuno gratulierte Miška, der sich sichtlich freute, dass seine härtesten Gegner wieder auf den Beinen waren. „Danke für die guten Wünsche! Und ich muss sagen, du warst ein harter Brocken, genau wie Tibor. Und wenn ich euch nicht alle besiegt hätte, hätte ich wenigstens Baden wollen. Ich weiß noch, wie das mir beim ersten Kampf wohl getan hat!“ Alle waren durstig und hungrig, und wie es Brauch war in Jihlava, musste der Sieger des Tjost die Unterlegenen und die Gäste bewirten, so dass sich Miška erst einmal seinen Pflichten widmen musste. Tibor, Johann, Juri, Pjotr und Friedrich stürzten das erste Bier hinunter, Cuno blieb beim Wasser, da er wusste, dass das Bier ihn zu schnell wirres Zeug reden ließ, und das wollte er heute Salwa gegenüber nun wirklich

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