Silber. Hans.Joachim Steigertahl
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Er ließ die deutschen Ritter passieren, verabschiedete sich von jedem und gab Cuno einen Schlag mit der behandschuhten Rechten auf die Schulter: „ Du wirst sehen, Jihlava ist nicht weit weg – wann immer du willst – du bist willkommen!“ Und dann leiser: „ Ich glaube auch, bei Salwa. Viel Glück!“ Und damit ließ er sie auf die steinerne Brücke über die Otava, auf dem Weg weiter in Richtung Sonnenaufgang.
Iglau, Frühjahr 1318
Cuno wälzte sich ächzend auf die Seite. Sein Strohsack lag innen an der dem Regen ausgesetzten Wand der Knappenkammer – immer der Platz für Neulinge - und machte ihm bei starkem Regen die der Wand zugewandten Seite klamm vor Feuchtigkeit. Seine Glieder schmerzten von den Übungen des Tages, die Stelle am Oberarm, wo heute das Holzschwert Pritbors niederschlug wie ein Brechhammer, war geschwollen und sicher schon grün-blau. Er hatte Hunger und war aufgeregt wegen morgen:
Seit einem Jahr war er jetzt als Knappe bei Boleslav Přemisl. Der war wie Salwa ihn beschrieben hatte, so breit wie hoch – und er war groß! Er sah ihn täglich an der Tafel, selten beim Training, aber seine tiefe, wohlklingende Stimme zeigte den ganzen Tag, dass er in der Nähe war. Cuno war wie die anderen Knappen Pritbor von Jihlavy unterstellt, einem Ritter ganz aus der Nähe, der seit Jahrzehnten für Boris die Ausbildung der Knappen übernommen hatte, weil der Hausherr selbst zu wenig Zeit und Geduld dafür besaß. Das bedeutete aber auch, dass Pritbor fast nach Gutdünken mit den 7 Jungen verfahren konnte, die als Knappen dienten. Neben Cuno als dem bisher jüngsten waren das Miška, Tibor, Johann, Juri, Pjotr und Friedrich.
Miška, der Älteste hatte seinen Strohsack direkt hinter der Tür. Das war der Platz, von dem aus man am besten Handeln konnte, je nachdem, wer oder welche Anforderung zur Tür hereinkam. Und gegen diesen musste Cuno am Morgen im Tjost antreten.Miška war Tscheche und stolz darauf. Und überzeugt, dass er, sowie er zum Ritter geschlagen wäre, alle, die keine Tschechen waren, also nicht zur Česka gehörten, aus Böhmen vertreiben würde.Sein jüngerer Bruder Tibor war Cunos besonderer Freund: sie waren ungefähr gleich alt, versuchten, in der wenigen Freizeit, die sie hatten, ihren Schatz an Liedern gemeinsam zu erweitern und sie waren beide von dem gleichen Mädchentyp fasziniert. Cuno erkannte zunehmend, dass er alle weiblichen Wesen, die jünger waren als Boleslavs Frau Aljina, mit Salwa verglich! Tibor war ein Jahr länger in Jihlava als Cuno, aber Cunos Vorbereitung in Steigerthal hatte aus ihm einen ebenbürtigen Kämpfer gemacht. Johann war wie Cuno aus Thüringen, aus einem edlen, aber armen Rittergeschlecht, das auf einer halbverfallenen Burg nahe der Eger im Grenzgebiet zu Böhmen hauste. Trotzdem hielt er sich für den Vornehmsten unter den Knappen und ließ sich nur hin und wieder herab, mit den anderen die Zeit zu verbringen. Juri war der Sohn eines Bergmeisters aus Mähren, etwas weiter Richtung Mittag als Jihlava, der eigentlich nur zu Boleslav gekommen war, um mehr über das Bergwesen zu lernen, aber der Ritter hatte so viel Gefallen an ihm gefunden, dass er ihn seiner Knappenschar zugesellte, ganz zum Stolz von Juris Eltern. Pjotr war der Sohn eines polnischen Adligen, mit dem Boleslav Handel zu treiben pflegte und den der Böhme auf Bitten der Eltern als Knappe aufgenommen hatte, damit er bei Pritbor von Jihlavy Zucht und Ordnung lernte, was ihm seine Eltern wohl nicht beibringen konnten. Er war der Störenfried in der Gruppe – außer Miška natürlich – der immer wieder daran schuld war, wenn Pritbor sich genötigt sah, die ganze Knappenschar zu bestrafen. Und dann Friedrich: schmächtig, dunkles, dünnes Haar und einem Gesichtsausdruck, der zeigte, dass er gleich zu heulen anfangen würde, und er war in hohem Grad ängstlich. Seine bayrische Familie war sicher froh, ihn für eine Weile los zu sein! Er war auch schuld, dass Wolf nicht im Zimmer der Knappen schlafen durfte, sondern sich im Stall eine Kuhle bei Cunos Pferd machen musste.
Das Pferd! Cuno hatte es ja von zu Hause mitgebracht, damals noch jung, kaum geschult, aber der lange Weg hatte den Hengst einiges lernen lassen, und der Weiße Boris, der Stallmeister der Přemysliden in Jihlava, dem das Pferd sofort gefallen hatte, hatte ihn zu einem richtig guten Streitross erzogen, auch wenn er ein wenig zu klein und leicht war; deshalb hatte Boris ihm auch einen anderen Namen gegeben: statt „ Hasso“ hieß er nun „der Kleine“, auf tschechisch „ Váží “.
Morgen also Tjost gegen Miška. Für beide war es eine wichtige Entscheidung. Natürlich wäre es eine große Überraschung, wenn er gegen den fünf Jahre älteren und sicher doppelt so schweren Miška gewinnen würde, aber Pritbor hatte angekündigt, dass er aus dem Verlauf des Turnieres heraus entscheiden würde, ob Cuno weiterhin ganz die ritterlichen Übungen durchleiden musste, oder ob er zu gewissen Zeiten den Schwarzen Boris begleiten könnte, den Bergmeister Boleslavs, um das Berghandwerk zu erlernen.
Für Miška war der Tag entscheidend, weil er nach Vorgabe des Knappenmeisters die anderen Knappen, die das Gleiche wie er, nur noch nicht so lange, gelernt hatten, besiegen musste. Erst dann könne ihn Johann von Luxemburg, der derzeitige böhmische König, zum Ritter schlagen. Zweimal schon hatte Miška es nicht geschafft: beim ersten Mal hatte er zwar alle anderen besiegt, aber es gab keinen König, der ihn hätte in den Ritterstand erheben können. Und als Johann sich im Jahr, bevor Cuno nach Jihlava kam, endlich als König durchgesetzt hatte, war Miska seinem eigenen Bruder, gegen den er wohl nicht mit aller Macht gekämpft hatte, unterlegen! Für ihn ging es also um alles oder nichts, und dementsprechend würde er die anderen Knappen zu vernichten versuchen, Cuno als jüngsten zuerst.
Im Geist ging Cuno nochmal den Ablauf des Tjosts durch; er wusste, wie er die Lanze beim Gegner anzusetzen hatte, auch wenn es morgen um stumpfe, vorne gepolsterte Stangen ging; er wusste auch, wie er verhindern konnte, dass sich die Lanze in den anstürmenden Angreifer verhakt und ihn damit vom Pferd zog. Aber würde es so gehen? Und dann kam das Schwerste: mit stumpfem Schwert und dem kleinen Schild zu Fuß in der schweren Rüstung gegen den größeren Gegner durchhalten – er konnte sich nur auf seine Schnelligkeit verlasen, an Kraft hatte er Miška nichts entgegenzusetzen. Wenn der wieder, wie letzte Woche, es schaffte, ihm den Schild aus der Linken zu schlagen, könnte er sich das Wissen über den Bergbau, weswegen er ja seiner Meinung nach eigentlich hier war, noch für ein weiteres Jahr aus dem Kopf schlagen. Wenn er Váží dazu brächte, dass er einen Schritt zu der Seite machen würde, die dem anstürmenden Miška abgewandt ist, dann hätte der seine Lanze falsch gesetzt und Cuno hätte eine zweite Chance. Aber wie soll er das schaffen. Und dann kam ihm der Gedanke, Wolf mit auf den Turnierplatz zu nehmen; wenn der rechtzeitig seinen Freund Váží anheulen würde, lehnte der sich sicher auf Wolfs Seite und Miška stürmte ins Leere… „Euer Vater hat schon Recht: Betrug sollte nicht sein. Und Betrug lohnt sich nicht.“ Die Stimme Cuonrads von Hohnstein hallte in seinem Kopf wider. Er hatte das gesagt, nachdem der alte Gernot wutentbrannt gegangen war, weil ihm das Verschneiden der Münzen als Betrug erschien. Es war Betrug, auch wenn es die Landgrafschaft in dem Jahr gerettet hatte und unterdessen die meisten verschnittenen Münzen wieder eingesammelt und gereinigt waren.
Als Cuno in voller Rüstung auf Váží in die Kampfbahn ritt, war er froh, dass er Wolf nicht zum Betrug mitgebracht hatte; und er war froh über seinen Helm, der verbarg, dass ihm das Blut ins Gesicht schoss: Auf der einfachen Tribüne saßen Graf Heinrich von Pisek, seine Gemahlin Ermingilda und ihr Patenkind Salwa neben Boleslav Přemisl, um dem Tjost zuzuschauen und den Fortschritt der Knappen zu begutachten, während Pritbor Ausrüstung, Waffen