Mellow Tior. Shey Koon

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Mellow Tior - Shey Koon Mellow Tior

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immer nach Aurilia, oder?“

      Mellow horchte gespannt auf.

      „Ja, ich suche Großmutter Auri schon seit einigen Tagen. Weißt du vielleicht, wo sie sich befindet?“

      Seine Stimme bebte vor Aufregung und er konnte die Spannung kaum mehr ertragen.

      „Nein, über den Verbleib Aurilias weiß ich nicht Bescheid.“

      Mellow atmete enttäuscht ein und schnaufte entmutigt aus.

      „Aber ich kenne jemanden, der vielleicht Auskunft geben kann.“

      Noch bevor Mariana weitersprach, verschwand Mellow aus ihrem

      Blickfeld und wachte zuhause, noch immer über seinem Bett gebeugt, auf. Mit aller Mühe zwang er sich, erneut einzuschlafen, erkannte aber, dass es sinnlos war. Er war innerlich viel zu aufgewühlt.

      Mit einem Satz sprang er hoch, öffnete die Türe, rief laut nach BigBig und rannte mit ihm in der Hand auf die Straße. Er sprintete ohne Umweg zu Minjas Haus. Der Himmel war wolkenlos und er sah die vielen Sternschnuppen auf die Erdoberfläche treffen. Er hämmerte kraftvoll gegen die Türe, aber niemand öffnete. Mellow rüttelte fest am Türknauf, drehte wild in beide Richtungen, es half nicht, die Türe blieb verriegelt. Er rannte ums Haus, überprüfte jedes Fenster, in der Hoffnung, dass er durch eines schlüpfen könnte. Jedoch ohne Erfolg.

      „BigBig, ich brauche deine Hilfe. Flieg und wecke Minja!“

      BigBig befolgte die Bitte, noch immer gekränkt, weil Mellow ihm die Türe vor dem Schnabel zugeschlagen hatte. Er flog auf den Kamin, blickte nach unten in den Schlot, sah den Ruß und schüttelte sich vor Ekel. Eisvögel achteten peinlich genau darauf, sich nicht zu beschmutzen. Doch dann bemerkte er erleichtert, dass ein Oberlicht geöffnet war. Zu schmal für einen Jungen, für einen kleinen Piepmatz aber eine Leichtigkeit. BigBig tschiepte befreit auf.

      Mellow wartete ungeduldig, verkrampfte, fühlte sich abermals beobachtet. Nervös prüfte er die Umgebung, erspähte einen heruntergekommenen bulligen Mann in zerlumpten Klamotten. Der bärtige Mann gammelte auf der gegenüberliegenden Straßenseite, winkte Mellow eifrig zu. Mellow winkte nicht zurück. Der Mann jaulte auf, drehte sich um und schlurfte davon. BigBig flog heran und setzte sich auf Mellows Handrücken. Er drehte seinen Kopf mehrmals von links nach rechts und hob ab in Lüfte. Mellow überlegte nicht lange und rannte die Straße hinunter, auf direktem Weg zum Hauptquartier Wolke 7 am Waldesrand.

      Völlig aus der Puste kam er an. Bei dem Versuch die Stahltüre zu öffnen, stellte er fest, dass sie von innen verriegelt war.

      „Sind heute alle Türen für mich verschlossen?“

      Er klopfte, rief nach Minja, rüttelte und zog mit aller Kraft an der Stahltüre. Vergebens. Die Türe bewegte sich keinen Millimeter. Niedergeschlagen setzte er sich auf den Boden.

      „Mist. Echt, wie verhext. Wo seid ihr?“

      BigBig landete auf seinem Kopf, rupfte ihm am silbernen Haar. Mellow war froh darüber, dass sich sein kleiner Freund, der Eisvogel, beruhigt hatte. Nach einer geraumen Zeit spitzte Minjas Kopf aus dem Dickicht hervor. Sie hielt nach allen Richtungen Ausschau.

      „He, Minja. Hier bin ich!“, rief Mellow laut aus.

      Minja blickte in seine Richtung und winkte ihn herbei. Mellow

      sprang auf, rannte zur Türe, nahm seine beste Freundin in den

      Arm und entschuldigte sich aus vollem Herzen.

      „Ich weiß ja, dass du traurig bist, weil dir deine Großmutter

      fehlt. Aber ich tue dir überhaupt nichts und du bist so giftig

      zu mir.“, schellte Minja ihn.

      Ansatzlos verpasste sie Mellow einen Bauchschlag, der sofort in die Knie ging und nach Luft japste. BigBig flog nach unten, flüchtete vor dem Streit, in die schützende Sicherheit.

      „So, das musste jetzt einfach sein.“

      Mellow stand wieder auf, hielt sich den Bauch, atmete tief durch und blickte Minja verständnislos an.

      „Was ist, Mellow? So ist es mir ergangen, als du mit deinen Fäusten auf mich eingeprügelt hattest. Ich hatte bestimmt keinen Spaß dabei. Das kannst du mir glauben. Jetzt sind wir quitt. Und kein Wort mehr darüber.“

      Sie blickten sich wütend an, brachen dann aber doch in einem schallenden Gelächter aus. Hand in Hand gingen sie nach unten. BigBig zupfte sich seinen Schlafplatz bequem. Mellow berichtete ihr von seinem unbegreiflichen Erlebnis am goldenen See.

      „Ja, sie besaß unbeschreiblich schön geformte Flügel mit einem hohen Bogen und einem spitzen Auslauf nach unten.“, schwärmte er. „Und ihre Federn schimmerten dunkelviolett. Sie ist einzigartig und wunderschön.“

      Minja überreichte Mellow die Nussschokolade und goss ihnen beiden einen Schluck hellbraunen Karamellsirup in die Gläser. Dann fragte sie ihn nach jeder erdenklichen Einzelheit aus und er stand ihr brav Antwort und Rede. Vergessen war ihr übler Streit. BigBig war froh, dass der Friede einkehrte. Mellow schleckte sich genüsslich über die pappigen Lippen.

      „Und weißt du was das Beste daran war? Mariana kennt jemanden, der vielleicht Bescheid weiß, wo Großmutter sich befindet.“ Seine Augen strahlten vor Zuversicht.

      „Das ist prima! Jetzt musst du nur noch schlafen und an den goldenen See zurückkehren.“

      „Ach, Minja. Wenn das nur so einfach wäre. Ich bin so aufgeregt, dass es mir schwerfällt, einzuschlafen und zu träumen.“

      „Vielleicht kann ich dir weiterhelfen. Wenn Onkel Klaus kein Auge zubekommt, dann trinkt von dem blauen Sirup, den der von deiner Großmutter bekommen hatte.“

      Und so begaben sich die zwei auf den Weg zu Minjas Haus. Sie kramte im weißen Arzneischrank ihres Onkels, nach kurzem Stöbern fand Minja das Fläschchen und überreichte es ihrem besten Freund. Mellow verstaute die bläuliche Flüssigkeit sofort in seiner Hosentasche. Er nahm sich vor, noch am selben Abend davon zu trinken.

      Sie schlenderten durch das sonst so belebte Dorf, das jetzt einen ausgestorbenen Eindruck hinterließ. Ödnis durchzog die leeren Wege und keine einzige Menschenseele war zu sehen. Bei Mellow drehte es sich eh nur noch um einen Gedanken. Er wünschte sich sehnlichst den Traum herbei, damit er die wunderschöne Mariana wiedertraf.

      Sie schritten an den verrammelten Häusern vorbei, deren Fensterläden zugenagelt waren und die eine feindselige Stille ausstrahlten. Die Hunde waren aus ihren Zwingern und die Pferde von den Koppeln geholt worden, zurück in die sicheren Häuser und Ställe. Auch auf dem Spielplatz, in der Nähe von Wolke 7, fehlten die Kinder, die sonst so lautstark und ausgelassen spielten. Friedhofsstimmung breitete sich wie ein Fluch über das gesamte Dorf Nuckelon aus. Erleichtert trafen sie in ihrem Kellerraum ein und sperrten die Welt aus. BigBig schlief tief und fest auf seinem Schlafkissen. Minja zeigte Mellow ihre neuen Skizzen für das Fernrohr und sie fachsimpelten über die Weite, die sie mühelos damit erreichen könnten. So verflogen die Stunden bis zum Abend ziemlich schnell. Mellow bereitete sein Abendmahl vor. Er holte den blauen Sirup hervor, der süßlich duftete, und goss sich einen kräftigen Schluck ein. Und es dauerte keine Minute, bis ihm schläfrig die Augen zufielen. Aber so sehr er es auch wünschte, der goldene See blieb fern.

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