Flut über Peenemünde. Rainer Holl

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Flut über Peenemünde - Rainer Holl

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um sich blickend, ging er einmal um das Haus herum, trat dabei auf die vielen kleinen Pflasterbruchstücke, um keine Spuren zu hinterlassen. Er sah und hörte nichts, war überzeugt, dass sich niemand im Haus befand. Dennoch drückte er zur Sicherheit dreimal – wie als persönliches Erkennungssignal vereinbart – mit dem Knöchel des rechten Zeigefingers auf die Klingel.

      Keine Reaktion.

      Joachim holte sein Schlüsselbund aus der Hosentasche, zögerte. Den Schlüssel zu ihrem Haus hatte er sich besorgt, ohne dass Viola es bemerkte. Einen besonderen Grund gab es dafür nicht, er wollte eben nur auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

      Joachim schloss auf und ging langsam in die dunkle Wohnung. Auf dem Fußboden leuchtete ihm ein unbeschrifteter weißer Briefumschlag entgegen, den er nach kurzem Zögern an sich nahm. Den Schalter für die Außenjalousie des Fensters fand er im einfallenden Licht der Straßenbeleuchtung. Für den Gang durch das Haus konnte er keinerlei Zeugen gebrauchen. Auf der kleinen Kommode im Schlafzimmer lag ein Koffer, zur Hälfte gepackt für die Urlaubsreise, die sie aber ganz offensichtlich nicht angetreten hatte.

      Walters Befürchtungen kanalisierten sich in eine bestimmte Richtung, ehe er sich an den Briefumschlag erinnerte und ihn bei vollem Licht aufriss. Er enthielt ein weißes Blatt mit einem aufgedruckten schwarzen Symbol, das er trotz einer kleinen Ergänzung sofort wiedererkannte. Es war das Tattoo von Violas Schulter. Wie auf dem Foto an der Wand seines Zimmers. Ergänzt mit zwei Symbolen an beiden Seiten. Erschrocken blickte er sich im Raum um, horchte. Er sah niemand und hörte nichts.

      Joachim bemühte sich, seine Gedanken zu ordnen.

      Viola war tot. Wurde im Wasser gefunden. Wieder dachte er an ihre eigenartige Reaktion bei seinem Erscheinen. Und jetzt dieses Papier. Es konnte nur für denjenigen gedacht sein, der zuerst das Haus betreten würde.

      Fragen stürmten auf ihn ein.

       War es von Viola?

      Diesen ersten Gedanken verwarf Joachim sofort wieder als unmöglich. Die Umstände sprachen dafür, dass seine Geliebte zurück in ihr Haus kommen wollte, jedoch daran gehindert wurde. Den Grund dafür hatte er eben im Fernsehen gesehen.

      Blieb also nur, dass jemand von seiner Beziehung zu Viola wusste und ihm das auf diese geheimnisvolle Weise deutlich machen wollte. Zumindest dem, der als erstes das Haus betreten würde. Warum auch immer.

      Konnte jemand ahnen, dass ich das bin? Werde ich beobachtet?, schoss es ihm durch den Kopf.

      Wie sollte er darauf reagieren? Sollte er zur Polizei gehen und sagen, wer die Tote ist? Falls die es noch nicht wusste? Und dann sogleich zugeben, wann und unter welchen Umständen er sie zuletzt gesehen hatte?

      Wer würde ihm glauben, dass er damit nichts zu tun hatte? Ein furchtbarer Verdacht kam auf: Stimmte das überhaupt?

      Was war nach seinem Weggang im Studio passiert?

      Ein anderer Gedanke elektrisierte ihn. Wer stand hinter all dem? Warum musste Viola sterben? Hatte es vielleicht sogar mit dem Deich zu tun? War es ein Warnsignal von Bernecker?

      Doch diese Vermutung hielt kaum einer Prüfung stand.

      Joachim Walter setzte sich, nahm den Kopf in beide Hände und versuchte sich zu beruhigen. Allmählich konnte er die aberwitzigsten Thesen zurückdrängen.

      Er bemerkte mit Schrecken überdeutlich, dass ihm die Kontrolle über die Situation völlig verloren gegangen war. Dennoch fühlte er sich dazu gedrängt, einen Entschluss zu fassen. Jetzt sofort, in diesem Augenblick.

      Mit mechanischen Bewegungen nahm er den Umschlag an sich und verließ das Haus so vorsichtig wie er es betreten hatte. An das Foto in seinem Zimmer dachte er nicht mehr.

      Den Mann, der alles beobachtete, konnte er nicht bemerken.

      7 Freitag, 2. November, 7.00 Uhr

      Die polternden Geräusche passten nicht zu den Männerhänden auf ihrem Körper. Als sie dagegen protestieren wollte, war ihr Mund wie zugeschnürt. Ihre gerade begonnenen Lustschreie verwandelten sich plötzlich in metallischen Lärm. Dann erst erwachte Erika Walter und begriff, dass ihr Traum aufgehört hatte. Und dass es Freitag war.

      Wie jeden Freitag wurde sie vom Müllauto aus dem Schlaf gerissen. Pünktlich gegen 6.45 Uhr ersetzte das Fahrzeug jeden Wecker in der schmalen Straße, in der solche Geräusche auch um die Ecke durch das hintere Fenster dringen.

      Der Abend in ihrer Frauenrunde hatte für Erika erst nach Mitternacht sein Ende gefunden, die Stimmung war wie immer prächtig. Eine Mischung aus älteren und jüngeren, in Partnerschaft und alleine lebenden Frauen sorgte für die nötige Atmosphäre, jede konnte ihre Erfahrungen aus dem – oder ohne das – Zusammenleben mit Männern beitragen.

      Nach einigen Minuten Zögern und der Hoffnung, dass die verbliebene Müdigkeit wenigstens den Schlaf erhält, ergab sich Erika in das Unausweichliche und wälzte sich unwillig aus dem Bett. Mit genau der Laune versehen, die jemand hat, der zu früh und nicht freiwillig einen viel zu kurzen Schlaf beenden musste, begab sie sich aus ihrem Schlafzimmer nach unten in die Küche. Bei gutem Willen begründete sie die Tatsache getrennter Schlafzimmer gerne als Zeichen von Individualität, eine andere Sicht würde das als Spiegelbild ihrer Ehe bezeichnen. Joachim und sie hatten sich damit arrangiert, wer den Vorschlag gemacht hatte, musste jetzt keiner von beiden mehr. Es war nichts, worüber sie sich den Kopf zerbrachen.

      In Erwartung eines frischen Morgenkaffees öffnete Erika die Tür zur Küche – und wurde enttäuscht. Die Kaffeemaschine war leer, ganz entgegen der Gewohnheit von Joachim, etwas mehr Kaffee aufzusetzen, als er trinken wollte. Diese kleine Gefälligkeit wuchs mit den Jahren in seinem Verständnis zu einer selbstlosen Tat gegenüber seiner Ehefrau heran, kurz bevor er gegen 6.30 Uhr das Haus in Richtung seines Büros verließ und sich dabei bemühte, keinen Lärm zu machen.

      Erika wollte schon ihre Enttäuschung mit der zu ihrer Laune passenden akustischen Stärke entfalten, besann sich aber und stieg die Treppe wieder hinauf. Vielleicht hatte der ältere Herr ja einfach verschlafen. Die gute Stimmung vom Vorabend kehrte zurück. Sie wollte ihren Ehemann ausnahmsweise einmal sanft aus dem zu langen Schlaf holen und den kleinen Triumph auskosten. Leise öffnete sie Joachims Schlafzimmertür und – sah ein unberührtes Bett! Die Möglichkeit, dass Joachim nach dem Aufstehen selbst das Bett gerichtet hätte, schloss sie aus, das war ihm noch nie passiert.

      Der erste Schreck wich einem Gefühl von Selbstberuhigung. Wurde er etwa gestern unerwartet in Anspruch genommen und musste auswärts übernachten? Je mehr sie darüber nachdachte, desto weniger glaubte sie an diese Möglichkeit, dann hätte er wenigstens eine Nachricht hinterlassen. Bei ihrem Aufbruch am gestrigen Abend gab es dazu keinerlei Anzeichen.

      Wo war er?

      Warum rief sie ihn nicht einfach auf seinem Handy an? Sie war so durcheinander, dass sie an diese Möglichkeit zunächst gar nicht gedacht hatte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass ihre Kontakte sich immer mehr verselbstständigten, jeder praktisch sein eigenes Leben führte.

      In der Vorfreude, die Unsicherheit würde sich jetzt auflösen, wählte sie seine Nummer. Eine elektronische Stimme verkündete, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar sei. Also hatte er das Handy ausgeschaltet oder nicht rechtzeitig aufgeladen?

      Oder…? Die Ungewissheit wuchs.

      Mittlerweile

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