Zu dumm zum Beten. Heiko Rosner

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Zu dumm zum Beten - Heiko Rosner

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      „Der stinkt ja!“

      „Guck dir mal die Jacke an, igitt!“

      Das reichte. Auf seine Dakota-Jacke ließ Siebzehn nichts kommen. Sie mochte verfranselt und abgewetzt sein, an einigen Stellen war sogar das Leder durchgerieben und die Füllung hing raus, aber das änderte nichts daran, dass es sich um eine Original-Dakota-Jacke mit Büffelschädel und blutenden Augen handelte. Die wurden nur einmal hergestellt, damals in den Neunzigern, noch nicht einmal in Dakota, sondern in einer kleinen Schneiderei aus New Orleans, lange bevor Katrina kam. Dakota-Jacken waren Kult. Es gab kaum noch welche, selbst im Internet wurden sie zu Höchstpreisen gehandelt. Man musste nur höllisch aufpassen, dass man nicht an Fälschungen geriet. Die gab es haufenweise. Sie waren gewöhnlich leicht zu erkennen: Wenn der erste Blutstropfen unter dem rechten Auge nicht die Form von Kuba hatte, konnte man davon ausgehen, dass der Etikettenbetrüger sein Mittagessen mit Stäbchen aß.

      Siebzehns Dakota-Jacke war echt. Mit Kuba am rechten Fleck! Und niemand, NIEMAND machte sich über sie lustig! Schon gar nicht diese Wachtelweiber mit ihren kreischenden Scheißkindern!

      Mit einem tiefen Bud-Spencer-Knurren, das durchaus als Warnung zu verstehen war, erhob er sich zu seiner vollen Größe von 1,93 Meter. Ohne übereilte Hast, fast wie in Zeitlupe. Die Furien wichen ehrfüchtig einen Schritt zurück. Als er stand, tat er so, als müsste er sich Staub oder giftige Babypampe von den Schultern seiner Dakota-Jacke schlagen. Aus den Augenwinkeln registrierte er, dass das fliegende Kind auf der Auslage eines Gemüsestands zwischen Erbsen und Chicoree gelandet war und von der umsorgenden Mutter so hektisch in die Höhe gerissen wurde, das es mit dem Kopf gegen eine Schrifttafel knallte, die in graziler Schönschrift von den Sonderangeboten des Tages kündete. Die Tafel krachte zu Boden, das Kind fing an zu schreien, der Ökobauer kam angewetzt.

      Siebzehn zückte seine Polizeimarke: „Wer hat hier Penner gesagt?“, fragte er mit einer Stimme, die wie Keilschrift in 3D die Luft durchstanzte. „Das ist Beamtenbeleidigung.“ Er sprach in seinen Ärmel. „Hier ist Siebenacht, wir haben einen Larry. Ich wiederhole, einen gottverdammten Larry. Die Weiber haben das versaut. Alle festnehmen.“

      Die Kinderwagenmütter erstarrten. In der Luft lag der Geruch nach Meerrettich und geplatzter Fruchtblase.

      Siebzehn ließ von seinem Ärmel ab, sein Befehlston blieb verärgert. „Das kann teuer werden, meine Damen. Sie haben einem Drogendealer zur Flucht verholfen. Ich war dicht dran an dem Saukerl. Wegen Ihnen ist er mir durch die Lappen gegangen. Herzlich Dank nochmal!“

      Bei der Erwähnung des Wortes „Drogendealer“ ging ein entsetztes Raunen durch die Kinderwagenkolonie. Der Ökobauer, der fragen wollte, wer ihm den Schaden an seinem Gemüsestand ersetzen sollte, zog sich zurück. Mit Bullen wollte er so wenig zu tun haben wie mit Bio.

      Paris Hilton Nasenspitze wurde weiß: „Das... das haben wir nicht gewollt“, flötete sie entsetzt. „Wirklich nicht. Tut uns schrecklich leid, Herr Kommissar.“

      „Hauptkommissar“, korrigierte Siebzehn, sein kantiges Kinn in Position schiebend. „Und das mit dem Penner will ich mal überhört haben“, grollte er, während er sich blassgrünen Aleteschleim von der Schulter flitschte. „Sonst ist bald ganz schnell das Betreuungsgeld futsch.“

      Die Gabi Zenckers verstummten schockiert, als würde der Verlust ihrer Goetz-Kundenkarten auf dem Spiel stehen. Nur die Obelix-Frau blieb misstrauisch: „Das haben Sie doch nicht zu bestimmen“, sagte sie mit in den Hüften gestemmten Oberschenkelarmen. „Soll ich Ihnen was sagen? Sie sind überhaupt kein Polizist. Und Sie reden auch nur mit Ihrem Ärmel, aber da ist gar keiner drin. Ich glaube, ich rufe jetzt die Polizei.“

      „Nur zu“, ermunterte Siebzehn die Dicke. „Wenn die Kollegen kommen, wird es allerdings offiziell. Das heißt für alle eine Nacht im Hotel zur gesiebten Aussicht. Viel Vergnügen.“ Er ratterte die Sätze roboterhaft herunter, als wäre es ihm völlig egal, in welchem Knast die Mehrfachmuttis in der nächsten Nacht versauerten.

      Das saß. Paris Hilton drängelte sich vor und schob die Obelixfrau zur Seite. „Bitte, Herr Hauptkommissar“, flüsterte sie beschwörend und teuer odorierend. „Sie meint das nicht so. Können wir das nicht gütlich regeln?“ Sie überraschte ihn mit einem Zaubertrick. Wie aus dem Nichts hielt sie einen 200-Euro-Schein in der Hand. „Das alles ist ein schreckliches Missverständniss. Wir können die Sache doch sicher anders aus der Welt schaffen – oder, Herr Hauptkommissar?“

      Siebzehn war eigentlich unbestechlich. Obwohl, diese Augen, dieser Mund, die waren fast mehr wert als 200 Euro. Ganz kurz überlegte er, wie es wohl wäre sie zu küssen. Eine schwachsinnige Idee. Aber sie erinnerte ihn etwas an... an... ach, den Namen hatte vergessen. Außerdem musste er einkalkulieren, dass der Gemüsestandtyp die Bullen rief, und bei denen würde er mit einer Polizeimarke aus der „Dirty Harry“-Special-DVD-Kollektion garantiert kaum Eindruck schinden.

      Siebzehn griff zu. Die Menschen sollten sich schließlich auf ihre Polizei verlassen können. „Alles klar, Siebenacht, hat sich erledigt“, sagte er in seinen Ärmel. Mit der anderen Hand ließ er den gelben Merkeldollar in seiner Jacke verschwinden. A. hieß sie, jetzt fiel es ihm wieder ein. A. Und wenn schon. Das waren Erinnerungen, die es nicht mehr gab.

      „Okay, meine Damen.“ Er rückte von der Blonden ab, denn er kam sich vor wie in einem Parfum-Tornado. „Dann will ich es ausnahmsweise einer Verwarnung bewenden lassen“, sagte er mit gebieterischer Stimme. „Ich muss sie trotzdem auffordern, den Platz zu räumen. Es gehen Ermittlungen vor sich. Wenn ich Sie also freundlich bitten dürfte...“

      Er durfte. Zum Abschied legte er eine Hand an die nicht vorhandene Schirmmütze und hinterließ eine Paris Hilton, die ihren Freundinnen noch tagelang von diesem merkwürdigen Polizisten mit der Rastafrisur und der speckigen Lederjacke erzählte. Der Mütterknoten löste sich auf und rackelte schwatzend und gestikulierend Richtung Douglas-Stänkerei, wo es weniger Drogensüchtige gab. Nur Madame Obelix warf Siebzehn einen verdrießlichen Blick zu, den der Hauptkommissar mit einer Kusshand quittierte. Höflichkeit im Dienst zahlt sich aus, alte Beamtenregel.

      Um einen unverhofften Geldregen von 200 Euro reicher, setzte Hauptkommissar Siebzehn seinen Weg zu Jimmy’s fort. Jimmy’s – eigentlich ein blöder Name für einen italienischen Schnellimbiss, zumal keiner in der Familie von Big G ein einziges Wort Englisch sprach. Aber Grazziano war der Meinung, ein internationaler Name wäre besser fürs Geschäft, weil die Deutschen den Italienern den Duce und Ballotelli übel nahmen, und der Umsatz gab ihm Recht. Jimmy’s war eine Goldgrube. Auch an diesem Tag brummte der Laden, fast alle Hocker waren besetzt, aber Siebzehn erspähte einen freien Platz in der Südkurve, neben zwei älteren Damen, die eben im Begriff waren, zu zahlen. Den enterte er und griff sich die Speisekarte, die er zwar auswendig kannte, aber zur Feier des Tages wollte er heute etwas Ausgefallenes bestellen, schließlich konnte er sich ein gastronomisches Upgrade mit den 200 Kujambels locker leisten.

      Grazziano begrüßte den Stammgast mit überschwenglicher Geste, so wie Italiener das in Coppola-Filmen tun oder Makler, wenn sie ganz exklusive Dachgeschosswohnungen mit Blick auf die Punks vom Spritzenplatz anboten. „Dottore!“ Eine fleischige Pranke umschlang Siebzehns Hand und ließ für quälende Sekunden nicht los. „Lange nicht gesehen. Was kann ich für dich tun?“

      „Ein Frühstücksbier wär schon mal nicht schlecht.“ Unauffällig forschte sein Blick nach Letitia. Hatte sie etwa einen freien Tag? „Essen überleg‘ ich mir noch. Kannst du was empfehlen?“

      „Alles ist gut bei mir. Weißt du doch. Bestes Pizza von Hamburg.“

      „Nee, auf Pizza steh ich heute nicht so. Aber sag mal,

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