Einer von Zweien. E. K. Busch

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Einer von Zweien - E. K. Busch

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Ich war mir nicht ganz sicher, traute mir selbst nicht mehr.

      *

      Im Herbst dann trennte sich Marion von meinem Bruder. Es war eine seltsame Angelegenheit. Eines verregneten Tages kam Fred sehr aufgelöst nach Hause, den Motorradhelm unterm Arm stand er einen ganzen Moment im Flur und die Tropfen liefen von seiner Jacke auf den Fußboden, dass Mutter sich beschwerte, als sie es sah. Als er dann in sein Zimmer trottete, wischte ich erst den Boden, klopfte dann vorsichtig an.

      Zu diesem Zeitpunkt war Fred bereits in den Lagerraum umgezogen. Eines Morgens, da waren wir wohl vierzehn oder fünfzehn gewesen, hatte er verkündet, er bräuchte ein eigenes Zimmer und so hatte ich ihm geholfen, sich dort unten in dem Raum mit dem vergitterten Fenster einzurichten. Sein Bett hatten wir heruntergebracht, den Schreibtisch, den Stuhl und eine Kommode. Und so wohnte er von diesem Tag an zwischen den Kartons und Kisten.

      Manchmal nahm er Freunde mit zu sich und auch Marion hatte mit ihm alle Zeit in dem kleinen Zimmer verbracht, hatte sich kaum ins Wohnzimmer oder die Küche gewagt. Manchmal war sie auch über Nacht geblieben, dann hatte ein unterschwelliges Kichern das Haus erfüllt. Häufig jedoch hatte sie nicht bei uns übernachtet, eher war Fred des Nachts hinüber zu ihr geschlichen. Denn Marions Vater hatte die Beziehung nur ungern gesehen.

      „Fred?“, fragte ich zögerlich: „Darf ich hineinkommen? Was ist denn los?“

      Eine ganze Weile rührte sich überhaupt nichts, und ich erinnerte mich an frühere Zeiten, wenn Fred sich eingeschnappt und beleidigt in sein Zimmer zurückgezogen hatte. Den Vorsatz jedoch, nie mehr mit mir zu sprechen, hatte er nie länger als eine Viertelstunde einhalten können. Wohl auch, weil er nach dem Verrauchen der ersten Wut rasch hatte einsehen müssen, dass ich im Grunde – wie immer eigentlich – im Recht war. Dieses Mal jedoch schien er weder zornig noch beleidigt, nein viel mehr niedergeschlagen und das war trotz seiner üblichen völlig übertriebenen geradezu theatralischen Gefühlsausbrüchen beunruhigend. So nämlich hatte ich ihn noch nie erlebt. Ich klopfte ein weiteres Mal an, Fred zeigte jedoch erneut keine Reaktion. Einen Moment überlegt ich, ob ich nicht einfach eintreten sollte, Höflichkeit hin oder her, dann jedoch packten mich Zweifel. Wir waren beide keine Kinder mehr. Ich hatte kein Recht, mich über seine Wünsche hinwegzusetzen. Und ganz offensichtlich wollte er jetzt seine Ruhe. Ich klopfte noch ein letztes Mal, weil drei mir eine gute Zahl zu sein schien, hatte mich aber bereits zum Gehen gewandt, als sich die Tür einen Spalt breit öffnete. Fred schien tatsächlich geweint zu haben. Ich versuchte seine verklebten, rötlich geschwollenen Augen zu ignorieren. - Ich hatte angenommen, er wäre mittlerweile in der Lage, sich zumindest ein wenig zusammenzunehmen.

      „Kann man irgendetwas für dich tun, Fred?“, fragte ich und bemühte mich auf dem schmalen Grad zwischen Mitgefühl und Mitleid zu wandeln.

      „Marion hat mit mir Schluss gemacht“, erklärte Fred lediglich und schloss dann die Tür weit kraftvoller als er sie geöffnet hatte. Etwas verdattert blieb ich auf dem Flur stehen, dann blickte ich auf meine Armbanduhr. In zwei Stunden säße ich üblicherweise mit dem Mädchen in dessen hübschem Zimmer, um ihr mit den nervigen Lateinaufgaben zu helfen. Es war nicht anzunehmen, dass Fred sich bis dahin wieder beruhigen und mit mir sprechen würde.

      Mir wurde etwas bang bei der Vorstellung, unvorbereitet auf seine Ex-Freundin zu treffen. Wer konnte schon wissen, was zwischen den beiden vorgefallen war? Die ganze Sache schien mir überhaupt völlig unwirklich. Schließlich war Fred ihr treuer ergeben als es jeder Hund hätte sein können. Sie war sein ein und alles. - Oder hatte sie sich in einen anderen verliebt? In meiner jämmerlichen Lächerlichkeit zog ich sogar in Erwägung, dass ich dieser jemand war. Dann jedoch schalt ich mich einen Narren, da ein schönes und beliebtes Mädchen wie Marion sich nicht mit einem hässlichen Langweiler wie mir abgeben würde. - Doch für den Moment ließen sich nicht alle Träume vertreiben und es sollte sich zwei Stunden später herausstellen, dass ich tatsächlich Grund für die Trennung der beiden war, wenn auch auf eine Weise, die ich mir nicht hätte erträumen lassen.

      Ich war ziemlich unkonzentriert während der verbleibenden Minuten, erwartete auch insgeheim eine telefonische Absage oder einen Einwand Freds, der doch genau um den Nachhilfetermin wie um alle anderen Termine Marions wusste. Es geschah jedoch weder das eine noch andere und so verließ ich denn tatsächlich das Haus, das Lateinbuch unter dem Arm, und konnte selbst nicht glauben, dass es zu diesem Treffen kam. Denn wenn gleich ich in meinen Träumen schon viele intime Stunden mit Marion verbracht hatte, so waren unsere bisherigen Treffen doch stets vom Bewusstsein durchdrungen gewesen, dass sie meinem Bruder gehörte, ganz und gar. Dabei könnte ich so viel werben, wie ich wollte, sie würde mir niemals die Gunst erweisen und ich würde sie niemals annehmen können. Und obwohl ich wusste, dass das Mädchen trotz Trennung noch immer Fred gehörte, weil er sie nun einmal zuerst gehabt hatte, musste ich mich bemühen, das euphorische Zappeln im Bauch zu ignorieren.

      Auch Marion schien geweint zu haben und obwohl es regnete, bat sie mich nicht hinein. Den Hund hielt sie erst am Halsband fest, damit er nicht zu mir hinausliefe, sperrte ihn dann jedoch hinter sich ins Haus. Etwas zu energisch schloss sie die Tür und hätte fast Gretchens Schnauze eingeklemmt. Ich stand etwas unbeholfen auf der Steintreppe, der Regen lief mir von den Haaren ins Gesicht und den Nacken hinunter. Das Lateinbuch hielt ich vor der Brust unter der Jacke.

      Seit dem Moment, indem sie die Tür auf mein Klingeln geöffnet hatte, war mir immer klarer geworden, dass es zwischen ihr und mir eine unangenehme Aussprache geben würde. Und als sie nun den Mund öffnete und ein vorwurfsvolles Quaken zwischen ihren Lippen hervorkam, überraschte es mich nicht im Geringsten. Dennoch traf mich ihr böser Blick bis ins Mark. „Hat Fred dir nicht Bescheid gegeben?“, und sie verschränkte die Arme. Auch weil es ziemlich frisch war draußen und sie nur eine feine, weiße Bluse trug.

      „Er meinte, ihr hättet euch getrennt“, versuchte ich so neutral wie möglich vorzubringen und wischte mir den Regen aus dem Gesicht.

      „Ja, also. Warum bist da dann gekommen?“, erwiderte sie ein wenig schroff und drehte sich ein wenig zur Tür, weil sie offensichtlich gerne wieder hinein ins Warme gegangen wäre. Dabei stand sie doch unter dem Vordach, im Trockenen.

      „Was hat denn das eine mit dem andren zu tun?“, fragte ich.

      Sie sah mich ungläubig an, so als sei der Zusammenhang doch völlig klar. Ich schüttelte langsam den Kopf, wandte dann ein: „Zum einen komme ich zur Nachhilfe und nicht zu wer-weiß-was sonst, zum anderen mag ich zwar Freds Bruder sein, aber eben nur sein Bruder. Nur weil ihr beide Streit habt...“

      Sie unterbrach mich zornig: „Ich will überhaupt nichts mehr mit euch beiden zu tun haben. Nicht mit dir und erst recht nicht mit Fred. Also lasst mich doch einfach in Frieden“, und sie wandte sich um und griff nach dem Türknauf. Ich machte eilig ein paar Schritte die Steintreppe hinauf zu ihr, sie sah mich verärgert an.

      „Was denn?“, rief sie aufgebracht, als ich sie zurückhielt.

      „Also entschuldige Mal“, meinte ich etwas forsch und wischte mir erneut das Wasser aus dem Gesicht.

      „Würdest du wenigstens die Güte besitzen und mir erklären, warum du mit mir brichst?“

      Einen Moment sah sie mich nur zornig an, dann erwiderte sie: „Weil Fred ein Vollidiot ist und du... Ihr seid beide völlig irre. Ich habe keine Lust mehr, da noch länger mitzumachen. Ihr macht mich noch ganz krank mit eurem Mist!“

      Damit öffnete sie die Haustür.

      „Aber was hat Fred denn gem...?“

      „Sieh ihn dir doch an, Konrad!“, und jetzt schrie sie mich regelrecht an.

      „Meinst

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