Die Krieger des Horns - Blutmond. Josefine Gottwald
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Читать онлайн книгу Die Krieger des Horns - Blutmond - Josefine Gottwald страница 4
Irgendwo hinter den Hügeln geht langsam die Sonne auf. Ein dünner Nebelschleier liegt über der Prärie, als wir hinaus in die weite Graslandschaft reiten. Um mich herum sieht alles gleich aus und ich erinnere mich selbst, dicht bei der Gruppe zu bleiben, um den Anschluss nicht zu verlieren. Danny erzählte einmal, dass sich ab und zu Cowboys verirren und nicht mehr nach Hause finden. Aber wahrscheinlich darf man darauf nicht viel geben, wenn es von ihm kommt ...
Als ich nach Andy rufe, bilden sich kleine Atemwölkchen vor meinem Mund und ich bin froh, dass mir seine Mutter doch den Poncho einreden konnte, der mich nun wärmt. Es ist kaum zu glauben, dass die Sonne in wenigen Stunden erbarmungslos auf uns herunterbrennen wird.
Andy hält sein Pferd an und wartet auf mich. Ich lasse Luna ein Stück traben, um zu ihm aufzuschließen.
„Ist alles in Ordnung?“, fragt er und zieht seinen Hut tiefer in die Stirn. Bis eben hat er sich noch mit seinem Vater unterhalten, Señor Davis, der die Reiter anführt und dem die Ranch gehört, auf der ich arbeite.
„Ich bin froh, dass ihr mir dieses wollene Ding angezogen habt!“, lache ich. „Ich wusste gar nicht, wie kalt es um diese Zeit hier draußen noch ist!“
„Meine Mutter wird sich freuen, das zu hören“, sagt er mit einem Lächeln. Dann lenkt er Dragón dichter an mich heran und ergänzt: „Vielleicht sollten wir öfter so früh ausreiten; da ist das Land noch ruhig und niemand vermisst uns ...“ Er macht eine Pause. „Es ist natürlich logisch, dass du die Prärie im Morgengrauen nicht kennen lernen kannst, wenn wir immer nur in den Sonnenuntergang reiten.“ Er zwinkert mir zu. Dann beugt er sich zu mir herüber und versucht, mich zu küssen. Ich muss mich in die Bügel stellen, um ihn zu erreichen, und ich stoße einen kleinen Schrei aus, als unsere Pferde sich voneinander entfernen und ich beinahe das Gleichgewicht verliere. Andy hält mich mit einem Arm fest, die Zügel führt er locker in der linken Hand. Wir sehen uns an und müssen beide lachen; dann küssen wir uns noch einmal.
Ich spüre deutlich Dannys bohrenden Blick im Rücken. Bei den vielen Vorschriften, die er mir macht, könnte man fast glauben, er hält sich für meinen Vater. Am liebsten würde er mir auch den Umgang mit Andy und Robin und die Arbeit auf der Davis Ranch verbieten. Es gibt ja auf unserer eigenen Ranch genug zu tun, hält er mir immer wieder vor – in solchen Situationen ist es tatsächlich einmal unsere Ranch … Aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, für ihn die Ställe auszumisten; dafür fühle ich mich in den Monaten, die meine Mutter und ich jetzt bei ihm wohnen, viel zu wenig zu Hause. Hin und wieder erwische ich mich bei dem Gedanken, lieber zu Andy zu ziehen; und wahrscheinlich geht das an meiner Mutter nicht ganz vorbei, schließlich verbringe ich jeden freien Moment bei der Familie Davis. Ein bisschen hilft es mir, zu vergessen und nicht mehr an die Dinge zu denken, die Mom wahrscheinlich niemals verstehen würde. Wie könnte sie auch: Untote, die Blut saugen, magische Pferde, schwarze Magie – das alles ist so unrealistisch, dass ich es manchmal selbst nicht glaube. Aber wir haben es alle erlebt.
Als ich mich von Andy selbst im Sattel kaum lösen kann, sagt Danny irgendetwas hinter meinem Rücken, worüber die Männer, die mit ihm reiten, schallend lachen müssen. Ich kann mir denken, welcher Art diese Bemerkung war und rolle nur mit den Augen. Meistens versuche ich so zu tun, als würde es mich überhaupt nicht interessieren, was er sagt. Aber natürlich verletzt es mich trotzdem.
Robin spornt seinen Hengst zu einem kurzen Sprint an und schließt zu uns auf. Er sitzt so gerade im Sattel von Destino, als wäre er mit ihm verwachsen.
Ich muss beinahe schmunzeln bei seinem stolzen Blick. Er schnaubt wie ein wütender Stier, als er sagt: „Perdón, dass ich euch störe, aber ich laufe Amok, wenn ich es noch länger mit diesen Burros aushalten muss! Wie schaffst du das nur, Querida? Du bist zu bemitleiden!“
Ich versuche, gelassen zu antworten. „Ich verbringe einfach so viel Zeit wie möglich mit euch!“
Die beiden tauschen einen Blick und Robins Züge entspannen sich. Die übertriebene Sorgenfalte verschwindet von seiner Stirn, als er sieht, dass es mir gutgeht. Sofort tritt das vieldeutige Lächeln wieder in sein Gesicht und er schüttelt den Kopf, während er mich ansieht, als wäre ich unfassbar für ihn. Manchmal glaube ich, die beiden wissen gar nicht, wie gut mir ihre Anwesenheit tut. „Ich glaube, ohne euch würde ich sterben!“, gestehe ich, und Robin lacht, weil er es für einen Scherz hält.
Andy hält noch immer meine Hand, während wir nebeneinander herreiten. Die drei weißen Pferde in einer Reihe sehen aus wie aus einer Show, ihr Fell glänzt in der Morgensonne, Mähne und Schweif wippen bei den ausgreifenden Bewegungen und ihre blauen Augen strahlen so viel Weisheit aus, dass jeder von ihrem Bann ergriffen wird, ohne zu wissen, was es ist, dass diese Pferde so faszinierend macht. Wenn ich versuche, mich genau zu konzentrieren, fühle ich das Leuchten, das von ihrer Stirn ausgeht. Gemeinsam mit unseren Freunden besitzen wir die sechs letzten Einhörner, die es gibt. Wahrscheinlich sind auch sie ein Grund, weshalb ich es schaffe, Dannys Launen zu ignorieren.
Er sagte, Luna würde mir nur Ärger bringen. Und zu viel kosten. Es stimmt, sie ist wählerisch bei den Kräutern, die sie frisst, und empfindlich gegen Nässe und Zug. Aber ihre Seele ist meiner so tief verbunden, dass ich glaube, ohne sie nur noch ein halber Mensch zu sein. Sie versteht all meine Gedanken und schafft es immer wieder, mir Mut zu machen oder mich zu beruhigen.
Während wir im versammelten Trab durch die Prärie schaukeln, beobachte ich Robin und Andy und versuche zu ergründen, was sie beschäftigt. Luna erkennt meine Sorge sofort und richtet ihre Ohren nach links und rechts zu den anderen Einhörnern, um ihnen ihre Aufmerksamkeit zu widmen.
Geht es ihnen gut?, frage ich sie in Gedanken, ohne dass meine Freunde es hören können.
Sie nickt mit dem Kopf, als ob die Fliegen sie stören würden; dabei schnaubt sie beruhigend. Sie verarbeiten es nach und nach. Im Moment haben sie genug Ablenkung, aber sie werden trotzdem noch Zeit brauchen.
Jetzt nicke ich, obwohl sie es nicht sehen kann. Ich würde so gerne mehr tun, denke ich, und Andy blickt mich unvermittelt an, weil ich seine Hand gedrückt habe. Als er mich fragt, ob alles in Ordnung ist, bin ich froh, dass er nicht die Gabe des Gedankenlesens besitzt. Wenn ich versuche, über die Geschehnisse im Wolf Forest zu reden, wird er meistens schweigsam oder tut, als wären seitdem schon Jahre ins Land gegangen. Dabei sind es gerade mal ein paar Monate ...
„Dort sind sie!“, ruft Jeremy Davis plötzlich nach hinten und deutet auf einen Hügel, wo er seine Herde entdeckt hat. Die Mustangs, die dort bis eben noch gegrast haben, heben aufmerksam die Köpfe, als wir uns nähern – unschlüssig, ob sie flüchten oder warten sollen.
Andy schnalzt mit der Zunge und wir schließen zu seinem Vater auf.
Anstatt sein Pferd zum Galopp anzuspornen, springt Señor Davis aus dem Sattel, lässt die Zügel auf den Boden fallen und läuft der Herde zu Fuß entgegen.
Nach kurzem Zögern wiehert die Leitstute, freudig, ihn erkannt zu haben. Dann gerät Bewegung in die Herde: Wie ein roter Blitz schießt der Leithengst um seine Stuten herum und rast geradewegs auf Jeremy zu. Seine Mähne fliegt, als er sich einen Weg durch den dünnen Nebel bahnt, die Nüstern sind vor Aufregung gebläht und die Augen geweitet. Erst kurz vor Señor Davis hält der Hengst abrupt an; hinter ihm legt sich der Staub.
Andy lacht, als er sieht, wie angespannt meine Züge waren. Er drückt meine Finger und erklärt: „Das ist Zorro, der beste Hengst, denn wir bisher hatten, wir züchten seit vielen Jahren mit ihm. Er ist der Stammvater aller wilden Fohlen!“
„Es sieht nicht einfach aus, ihn zu zähmen!“, sage ich lächelnd.
„Das