Die Geschwister Bourbon-Conti - Ein fatales Familiengeheimnis. Bettina Reiter

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Die Geschwister Bourbon-Conti - Ein fatales Familiengeheimnis - Bettina Reiter

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ihren Mann zum ersten Mal gesehen hatte. Bereits in jungen Jahren hatte er einen Buckel gehabt. Noch dazu war sein Gesicht stark behaart gewesen, was beinahe animalisch wirkte. Man konnte es nicht anders sagen: Er sah aus wie ein Werwolf. Aber nach ihrer Erkrankung durfte sie als Letzte über Äußerlichkeiten richten.

      Mit zwanzig Jahren hatte sie ihren siebzehnjährigen Cousin 1. Grades geheiratet. Einen Mann mit mehreren Gesichtern, der ständig zwischen Himmel und Erde jonglierte. Mal war er blendend gelaunt, mal zu Tode betrübt oder er hatte einen Wutausbruch. Hinzu kam die Kinderlosigkeit. Mehr und mehr setzte ihm dieser Umstand zu, weil er sich nicht wie ein ganzer Mann fühlte. Also beschlossen sie, so zu tun, als wäre sie schwanger. In diesen neun Monaten hatte sie ihn zum ersten Mal glücklich erlebt, weil ihn viele plötzlich wahrnahmen. Zumindest in seiner Welt. In ihrer Realität wurde hinter vorgehaltener Hand darüber getuschelt, welches Monster sie im Bauch tragen würde.

      Anfang Dezember fuhren sie dann offiziell für einige Wochen zum Château ihres Mannes, suchten jedoch bei Nacht und Nebel die stadtbekannte Hurenmutter Gourdan auf. Eine berechnende und kalte Frau. Am liebsten wäre sie sofort wieder gefahren. Doch als ihnen die Gourdan den drei Tage alten Säugling gezeigt hatte, war für einen Moment die Welt stehen geblieben und am Morgen danach war alles anders gewesen. Luc wurde zu ihrem Sohn. Die nächsten zwei Jahre ging alles gut und es hatte den Anschein gehabt, als wäre ihr Mann mit der Situation zufrieden. Bis zu ihrer Schwangerschaft, die sie förmlich überrollt hatte. Ab da änderte sich ihr Mann. Luc und auch ihr gegenüber. Er wurde abweisend und musterte sie manchmal, als wäre sie eine der Huren, die auf dem Landsitz der Gourdan ihre Kinder zur Welt brachten, die dann gewinnbringend verkauft wurden.

      Als ihr Mann schließlich an Pocken erkrankte, hatte sie ihn trotz allem rund um die Uhr gepflegt und sich wirklich Sorgen gemacht. Danach war sie krank geworden, doch er hatte nicht einmal den Leibarzt rufen lassen. Das musste sie selbst veranlassen. Im Grunde war das der Anfang vom Ende gewesen, denn nach ihrer Genesung fing er an, sie zu schlagen. Immer wieder war sie zu ihrer Mutter geflüchtet. Einmal blieb sie sogar wochenlang mit den Kindern in einem Kloster in Paris. Aber letztendlich war sie seine Ehefrau und musste zu ihm zurückkehren.

      Dann trat der schöne Marschall in ihr Leben. Zu diesem Zeitpunkt war sie innerlich so gebrochen gewesen, dass sie keinen Selbstwert mehr hatte und sich alles andere als attraktiv fühlte. Deshalb wollte sie nicht am Sommerball auf Schloss Ussé teilnehmen, doch ihre Mutter kannte kein Pardon. Im Nachhinein sollte es wohl so sein, denn mitten unter den Gästen sah sie ihn. Ein Blick in seine braunen Augen hatte genügt, um sich unsterblich zu verlieben. Und das, obwohl sie bereits mit Henriette schwanger gewesen war. Umso weniger hatte sie damit gerechnet, dass ihre Zuneigung auf Gegenseitigkeit beruhen würde und doch war es genauso gewesen. Er, der schöne Marschall und sie, die von einer Krankheit gezeichnete Prinzessin, begannen eine Affäre, die sie auch nach Henriettes Geburt weiterführten. Seine Nähe, Liebe und Fürsorge hatten ihr unsagbar gutgetan. Endlich war sie jemandem wichtig. Jemandem, der als oberflächlich diffamiert wurde, aber das genaue Gegenteil war. Er liebte sie um ihrer Selbstwillen und hatte ihr Worte zugeflüstert, die sie bis heute tief in ihrem Herzen bewahrte. Von seiner Zärtlichkeit ganz zu schweigen. Doch leider sollte ihr Glück nicht von langer Dauer sein.

      Babette bekam eine Gänsehaut und rieb sich die Arme.

      Eines Abends kam sie nichtsahnend nach Hause. Ihr Mann schlug sie sofort mit der Faust ins Gesicht, kaum dass sie die Tür ihres Stadtpalais hinter sich zugezogen hatte. Diesem Übergriff folgte eine Brutalität, die Todesangst in ihr ausgelöst hatte. Nur mit letzter Kraft hatte sie es zu einem Arzt geschafft, nachdem er endlich von ihr abließ. Wohlweislich hatte ihr Mann dem Hausmädchen Benedikta sowie dem restlichen Dienstpersonal freigegeben.

      Sie war blutüberströmt gewesen und brauchte Wochen, um sich zu erholen. Hinzu kam, dass sie um das Leben ihres Geliebten bangte. Schweren Herzens sagte sie sich deswegen von ihm los und weihte ihre Mutter in alles ein, auch was Luc betraf. Denn sie wusste nicht, ob sie überleben würde und wollte für den Fall der Fälle reinen Tisch machen. Ihre Mutter, die während ihrer Bettlägerigkeit die Kinder zu sich nach Versailles geholt hatte, brachte daraufhin Luc zurück …

      Hätte ich ihr bloß nie unser Geheimnis anvertraut, dachte Babette und seufzte. Lotti war außer sich gewesen und ließ Luc seitdem bei jeder Gelegenheit spüren, dass er nicht zur Familie gehörte –zumindest in ihren Augen. Dabei konnte der arme Junge am allerwenigsten für die Umstände.

      Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Erschrocken drehte sich Babette um.

      Ihre Mutter rauschte in den Salon herein, als hätte sie gespürt, dass sie gerade an sie gedacht hatte. Sie trug ein grünes Atlaskleid und ein Pelzcape. Das Haar hatte sie über eine Fontange aufgetürmt. Das Familiendiadem mit den lupenreinen Diamanten glitzerte an ihrem faltigen Hals.

      „Was schaust du so verschreckt? Ich bin es nur“, meinte sie leichthin. „Nicht der Leibhaftige.“ Sie rümpfte die Nase. „Oder unsere allseits verhasste Françoise. Na ja, kommt beides auf das Gleiche heraus. Sogar ihr Mann nannte sie liebevoll Madame Luzifer.“ Mit Schwung warf sie das Cape neben die Briefe – die sich heillos über den Tisch verteilten – und ließ sich auf den Stuhl plumpsen, auf dem Babette zuvor gesessen hatte. Die Mutter wirkte erschöpft, gleichzeitig aufgekratzt.

      „Warst du wieder beim Kartenspiel?“, forschte Babette alarmiert nach.

      „Blödsinn! Ich habe euch ja versprochen, dass ich meine Hände davon lasse. Zumindest außerhalb unserer Familie.“ Lotti hatte im Laufe der Jahre eine Spielleidenschaft entwickelt, die völlig aus dem Ruder gelaufen war. Immens hohe Schulden waren die Folge gewesen, an die hundertsiebzigtausend Livres keine Seltenheit. Früher hatte der König alles beglichen. Doch seit seinem Tod konnte sie nicht mehr aus dem Vollen schöpfen.

      „Wo warst du dann?“

      „Bin ich dir etwa Rechenschaft schuldig?“

      Babette trat zum Tisch, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ebenfalls. „Warst du beim Marquis de Lassy?“, platzte sie mit ihrem Wissen heraus und sammelte die Briefe zusammen.

      „Wieso sollte ich mich mit diesem Mann treffen?“

      „Weil ihr eine Affäre habt?“

      „Wer sagt das? Du?“

      „Komm schon, Mutter. Die Spatzen pfeifen es längst vom Dach. Außerdem brauche ich dich nur anzusehen. Wieso streitest du es ab? Stehst du etwa nicht dazu?“

      Lotti beugte sich über den Tisch. „Ich rede ungern darüber“, ließ sie endlich die Katze aus dem Sack. Babette unterbrach ihr Tun. „Weil es niemanden etwas angeht, außer Léon und mich. Davon abgesehen habe ich keine Lust, dass sich meine Schwester wieder wie eine Hyäne auf etwas stürzt, das mir wichtig ist. Du kennst sie ja. Françoise nutzt jede Möglichkeit, um solche Dinge in den Dreck zu ziehen.“

      „Der Marquis ist dir also wichtig?“, erkundigte sich Babette.

      „Mittlerweile schon.“

      „Schade, dass du so wenig Vertrauen zu mir hast. Oder glaubst du, dass ich postwendend zu Françoise gegangen wäre, um es ihr zu erzählen?“

      „Das nicht, aber auch aus anderen Gründen wollte ich es für mich behalten. Ein Geheimnis kann nämlich äußerst prickelnd sein. Sogar in meinem Alter.“ Ihre Mutter nahm das Cape und legte es sich auf den Schoß. Abwesend strich sie darüber. „Allerdings war es ohnehin nur eine Frage der Zeit, wann die Sache auffliegt.“

      Babette versuchte die Bilder vor ihrem geistigen Auge zu verdrängen, wie sich ihre sechzigjährige Mutter mit ihrem

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