Geh in die Wueste. Christine Jörg
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„Ach, das ist so eine Sache“, stöhnte Fernando und holte sie aus ihren Gedanken. „Ein Telefon für alle. Meistens ist niemand da, der abnimmt, und geht doch einer ans Telefon, macht er sich nicht die Mühe die gewünschte Person zu suchen, sondern sagt einfach, sie sei nicht da.“
„Unverschämt!“, ereiferte sich Ruth.
„Es gibt keinen regulären Telefondienst“, meinte Fernando nur, „deswegen habe ich dir weder meine Adresse noch meine Telefonnummer gegeben. Ich hätte es dir gleich erklären sollen. Aber gib mir mal einen Zettel“, gleichzeitig streckte Fernando unerwartet die rechte Hand aus und berührte flüchtig Ruths linke, „dann schreibe ich dir die Adresse und Telefonnummer trotzdem auf.“
Als Fernando ihre Hand berührte, durchzog Ruth ein warmes Gefühl. Es dauerte nur Sekunden! Dann tat sie, wozu sie aufgefordert worden war und holte Zettel und Stift.
Ruth reichte ihm beides. Er schrieb seine Daten auf und gab Papier und Kugelschreiber zurück.
„So“, sagte Ruth munter, „wenn du willst, können wir gehen. Ich bin fertig.“
Fernando erhob sich gemächlich und ging langsam zur Zimmertüre. Dort blieb er kurz stehen, drehte sich um und schaute Ruth fest in die Augen. Diese wäre beinahe in ihn gerannt. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Fernando an der Türe anhielt. Jetzt stand sie ganz nah vor ihm.
Fernando lächelte sie an, drehte sich wieder um und öffnete die Türe.
Was war das denn, stellte sich Ruth die Frage. Da sie keine Antwort darauf kannte, folgte sie dem Mann schweigend.
„Wir gehen essen“, rief sie Gabi kurz zu, die sie links durch die offene Türe in der Küche hantieren sah.
„Viel Spaß und guten Appetit“, war die Antwort. Schon waren Ruth und Fernando geradeaus durch die Wohnungstüre verschwunden.
Weit wollten sie nicht gehen, also entschieden sie sich für die Pizzeria um die Ecke. Die kleinen Tische waren alle besetzt, deshalb mussten sie sich zu einem anderen Paar setzen. Als Fernando ihr den Stuhl zurechtrückte, konnte Ruth es nicht glauben. So gute Manieren hatte sie Fernando nicht zugetraut. Dass er ihr die Restauranttüre aufgehalten hatte, okay, aber Stuhl zurechtrücken und sich erst setzen, als sie saß! Sie dachte bislang, das machten nur die alten Männer. Ruth fühlte sich plötzlich damenhaft.
Die Unterhaltung wurde auf Spanisch geführt und Fernando wunderte sich über Ruths ausgezeichnete Sprachkenntnisse.
Auch er schien neugierig zu sein und wollte einiges über Ruth wissen. Was sie studierte, Geschwister und noch einiges mehr. Sie erzählte, dass sie fürs Lehramt studierte.
Ja, Lehrer brauchte man immer, meinte er. Als Ruth ihm erzählte, dass sie nicht wusste, ob sie wirklich eine Planstelle bekommen würde, wenn sie einmal mit dem Studium und der Referendarzeit fertig war, sagte Fernando spontan. „Dann kommst du nach Chile, da findet sich immer etwas.“
Ruths Herz begann heftig zu schlagen. Konnte es sein, dass es auch bei Fernando Liebe auf den ersten Blick war? Oder hat er das mit Chile nur so dahin gesprochen? Sie beschloss im Augenblick nicht nachzuhaken und der Aussage nicht allzu viel Bedeutung beizumessen. Doch es war, wie in nordamerikanischen Filmgerichten, wenn der Verteidiger oder der Staatsanwalt etwas sagte, und der Richter dann die Geschworenen bat, das Gesagt nicht zur Kenntnis zu nehmen. So kam Ruth Fernandos Satz, dass sie in Chile unterrichten konnte, immer wieder in den Sinn. Klar, sie kannte Fernando zu wenig, aber wenn man verliebt war, spielte das keine Rolle.
Von Fernando erfuhr sie, dass er für ein zehnmonatiges Praktikum bei Siemens nach München gekommen war. Er war bei Siemens in Chile bereits angestellt, jedoch wurde ihm dort nahegelegt, das Praktikum in Deutschland zu absolvieren.
Seit drei Monaten war er nun in München und würde noch sieben bis acht Monate bleiben. Dann musste er zurück.
„Und gefällt es dir hier“, wollte Ruth wissen und schaute von ihrer Pizza hoch.
Fernando antwortete nicht sofort, doch dann hob auch er den Kopf und schaute Ruth in die Augen. „Ich weiß nicht recht. Bei den Deutschen fehlt ein wenig die Herzlichkeit. Jeder arbeitet vor sich hin, geht nach Hause und das war’s dann. Bei uns in Chile geht man ein wenig aus und diskutiert und trinkt etwas zusammen. Hier ist es schwierig Kontakt zu bekommen.“
„Ich denke, da muss ich dir leider recht geben“, gestand Ruth ein. „Und von Siemens? Hast du keine Freunde und Arbeitskollegen, die sich um dich kümmern?“
„Das ist es ja eben“, erklärte Fernando ruhig, „jeder kehrt nach der Arbeit sofort nach Hause zurück. Deswegen bin ich immer mit Freunden von Süd- und Mittelamerika zusammen.“
„Das ist ja gut und recht“, wandte Ruth ein, „aber Deutsch lernst du dabei nicht viel.“
„Ja“, gab Fernando mit traurigem Gesicht zu, „ich dachte nicht, dass es so schwierig sein würde.“
„Dann sollten wir nicht Spanisch miteinander sprechen“, gab Ruth zu bedenken und zog die Augenbrauen hoch.
„Eigentlich nicht“, Fernando war einer Meinung mit ihr, „aber du sprichst so gut und ich höre dir gerne zu, wenn du Spanisch sprichst.“
„Das ist ein Grund, aber kein Hindernis“, sagte Ruth streng. „Von jetzt an sprechen wir Deutsch.“
„Bitte nicht jetzt und hier“, flehte Fernando in gebrochenem Deutsch und legte dabei seine rechte Hand auf Ruths linke.
Die Gabel, die Ruth in der Hand hielt, fiel krachend auf den Teller. Beide erschraken und begutachteten ob Schaden entstanden war. Peinlich berührt schaute Ruth in die Runde. Einige Gäste von den umliegenden Tischen hatten neugierig zu ihnen herübergestarrt. Gleich darauf schauten sich Ruth und Fernando wieder an und lächelten.
Oh, du meine Güte, diese schönen Augen! Kein Wunder, dass ich mich sofort in ihn verknallt hatte. Das war verrückt. Ruth entzog Fernando die Hand nicht. Der hielt sie weiterhin fest, zog sie schließlich an seine Lippen und setzte sie sanft darauf. Ruth fühlte wie eine Gänsehaut über ihren Arm und dann über den ganzen Körper wanderte. Zum Glück trug sie lange Ärmel, so fiel es nicht auf. Jetzt nur nicht rot werden, befahl sie sich.
Als sie mit Essen fertig waren, blieben sie noch ein wenig sitzen und unterhielten sich. Fernando wollte für beide bezahlen, doch Ruth lehnte das ab.
„Ruth“, beharrte Fernando, „ich habe dich eingeladen. Also!“
„Ich möchte das nicht“, widersprach Ruth, „schließlich bist du auch Student und musst dein Geld zusammenhalten.“
„Trotzdem, heute ich bin dran“, dabei legte Fernando wieder seine rechte Hand auf Ruths linke, „und nächstes Mal du. Okay?“
Ruth ließ sich breitschlagen. Schließlich wollte sie hier keinen Zwergenaufstand veranstalten.
Dann verließen sie die Pizzeria und gingen ein wenig spazieren.
„Kannst du auch länger in Deutschland bleiben, wenn du möchtest?“,