Geh in die Wueste. Christine Jörg

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Geh in die Wueste - Christine Jörg

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„Wir müssen ein wenig proben.“

      „Ich finde den Weg“, sagte Ruth nur, „schließlich wohne ich lange genug in der Gallmayrstraße.“

      „Wir treffen uns am besten in La Peseta“, schlug Fernando munter vor.

      „Okay“, antwortete Ruth.

      „Muy bien“, stellte Fernando fest, „Grüße deine Eltern unbekannterweise von mir, und ich entschuldige mich für die Unannehmlichkeiten. Tschüs, meine Liebste.“

      „Tschüs, te quiero“, rief Ruth kurz, doch sie war sich nicht sicher, ob Fernando die letzten Worte gehört hatte.

      „Mama“, Ruth ging in die Küche. „Fernando kann am Wochenende nicht kommen. Sie haben einen Auftritt. Ich werde am Samstag direkt nach der Arbeit nach München fahren.“

      „Lohnt sich das denn?“, wollte ihre Mutter wissen.

      „Für Fernando lohnt sich das immer“, stellte Ruth nüchtern fest und hatte ihre Enttäuschung während des Telefongesprächs schon vergessen.

      „Sag mal, Ruth“, hörte sie ihre Mutter sagen. „Hier gibt es doch das Haus International. Da könnten deine Freunde auch auftreten. Du solltest nachfragen.“

      „Und wo sollen die drei übernachten, wenn sie von München kommen?“, Ruth schaute ihre Mutter fragend an.

      „Na, hier bei uns“, meinte die nur. „So viel Platz haben wir schließlich und es wäre nur für ein Wochenende.“

      „Ja“, Ruth fand die Idee gar nicht mehr so schlecht. „Ich frage im Haus International nach. Dann kann ich das Thema am Wochenende bei den Dreien erwähnen.“

      Am Samstag war Ruth zwar erledigt von der Arbeitswoche, trotzdem fuhr sie, wie sie es mit Fernando vereinbart hatte, nach München.

      Zu ihrer Überraschung holte ihr Liebster sie vom Bahnhof ab. Sie fiel ihm um den Hals und sie küssten sich.

      „Ich habe nicht viel Zeit“, erklärte Fernando, als sie in der S-Bahn saßen. „Ich muss gleich zur Peseta. Die anderen warten auf mich.“

      „Kann ich meine Tasche in die Wohnung bringen?“, wollte Ruth wissen, „dann komme ich gleich mit.“

      „Ja“, meinte Fernando lächelnd. „So viel Zeit muss sein.“

      Ruth öffnete die Wohnungstüre, ging sofort in ihr Zimmer und stellte die Tasche in eine Ecke. Fernando folgte ihr, drehte sie zu sich um, legte seine Arme um sie und küsste sie lange. Doch dann besannen sie sich auf die Verabredung mit Atilio und Oscar. Sie lösten sich voneinander und verließen die Wohnung beinahe fluchtartig.

      „Hola, amigos!“, wurden Fernando und Ruth lautstark von Atilio und Oscar begrüßt. Sie gaben sich, wie es üblich ist, Küsschen rechts und links auf die Wange.

      Die Proben begannen und Ruth hörte dem Trio interessiert zu. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie schrecklichen Hunger hatte. Sie wartete jedoch, bis die drei Männer ihre Proben beendet hatten.

      Der Wirt, selbst ein halber Latino, stellte ihnen Empanadas mit Hackfleischfüllung hin. Die Fleischtaschen waren gut gewürzt und Ruth bekam Durst. Die anderen schien das Pikante nicht zu stören. Als Ruth nach Trinken verlangte, lachten sie nur und erklärten ihr, es sei besser zuerst Brot zu essen, als das Feuer im Mund durch ein Getränk löschen zu wollen.

      Während sie beim Essen saßen, erzählte Ruth vom Internationalen Haus in Kempten.

      „Ich habe dort nachgefragt“, erklärte sie, „die wären durchaus an einem Auftritt von euch interessiert.“

      „Was?“, lachte Atilio, „bist du jetzt unser Impresario?“

      Oscar und Fernando schauten etwas pikiert.

      „Und wie soll das gehen?“, wollte Oscar ärgerlich wissen. „Wir fahren am Abend hin, treten auf und hauen wieder ab. Wie weit ist der Ort überhaupt weg?“

      „Na ja“, Ruth war unsicher geworden, „eineinhalb Stunden mit dem Zug oder Auto.“

      „Und das für einen Auftritt“, ungläubig schüttelte Atilio den Kopf.

      Ruth wurde ärgerlich. „Aber ihr lasst mich ja nicht ausreden“, sagte sie schnell, „ihr könntet bei uns übernachten. Bestimmt wäre es möglich zwei Abende zu arrangieren. Dann würde sich die Sache doch lohnen. Oder?“, setzte sie vorsichtig hinzu. Sie konnte nicht verstehen, weshalb die Freunde ihren Vorschlag so vehement ablehnten. Schließlich hatte sie es nur gut gemeint und wollte den Dreien zu mehr Taschengeld verhelfen.

      „Frag doch mal.“ Fernando mischte sich erst jetzt ins Gespräch ein.

      „Gut“, sagte Ruth nur. Sie war beleidigt. Etwas mehr Begeisterung hatte sie seitens der drei Männer erwartet.

      Der Abend verlief nach dieser kleinen Auseinandersetzung friedfertig. Fernando, Atilio und Oscar traten erst gegen halb zwölf Uhr auf. Also hatten sie Gelegenheit, ihre Mitstreiter anzuhören. Die waren nicht schlecht, doch als das Trio auftrat, gab es anhaltenden Applaus. Sie waren inzwischen in Insiderkreisen gut bekannt. Auch die Zugaben wollten nicht enden.

      Nach der Vorstellung blieben sie zu einem Umtrunk in der Peseta Loca und kehrten erst gegen drei Uhr nach Hause zurück. Atilio, der als einziger ein Auto besaß, fuhr zuerst Fernando und Ruth nach Hause. Die beiden Männer, Oscar und Atilio wohnen im gleichen Wohnheim.

      Ruth und Fernando waren zum Umfallen müde. Sie kuschelten sich aneinander und schliefen friedlich ein.

      *

      Das nächste Wochenende besuchte Fernando Ruth. Er kam schon am Freitagabend mit dem Zug. Ruth war natürlich erfreut. Für sie stand es fest, sie stellte ihren Eltern ihren Zukünftigen vor. Auch wenn einige das anders sahen.

      Ruth parkte das Auto ihres Vaters am Bahnhof. Natürlich war sie viel zu früh dran. Zunächst blieb sie im Auto sitzen und hörte Radio. Zehn Minuten vor Ankunft des Zuges aus München verließ sie den Wagen und schaute auf dem Fahrplan nach dem Gleis. Gerade, als sie zum Bahnsteig kam, hörte sie die anonyme Stimme aus dem schrecklichen Lautsprecher. Der Zug hatte zehn Minuten Verspätung. Scheiße, ist das erste, was Ruth durch den Kopf schoss. Sie schaute auf ihre Armbanduhr, verglich sie mit der Bahnhofsuhr. Es änderte nichts: zehn Minuten blieben zehn Minuten. Nervös lief sie in langsamen Schritten auf dem Bahnsteig entlang. Nach dem zehnten Mal kannte sie jedes Steinchen, jedes Loch auf dem Bahnsteig. Auch das Angebot des Automaten hatte sie inzwischen auswendig gelernt. Sie überlegte, wie die Chips wohl aussahen, wenn sie von oben bis zur Öffnung nach unten fielen.

      Noch fünf Minuten! Zum Auto zu gehen, lohnte sich nicht mehr. Ruth trug nur ein dünnes T-Shirt. Die Jacke lag im Auto. Sie begann zu frieren. An den Armen bildete sich Gänsehaut.

      Da, endlich wurde die Ankunft des Zuges angesagt.

      Was, wenn Fernando nicht im Zug saß? Ruth verwarf diesen entsetzlichen Gedanken sofort wieder. Er würde kommen, schließlich hatte er es versprochen.

      Natürlich stieg Fernando, wie verabredet, aus diesem Zug. Sie begrüßten sich freudig. Hand in Hand gingen sie zum Auto, das Ruths Vater seiner Tochter großzügig überlassen hatte.

      Mit

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