Welt mit kleinen Fehlern günstig abzugeben. Peter G. Kügler

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Welt mit kleinen Fehlern günstig abzugeben - Peter G. Kügler

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Oder gar ‚die Kühlschrankkarin’? Auf jeden Fall würde er sich so einen neumodischen Kram nicht kaufen, das stand fest. Er hoffte, dass sich so etwas auf dem Markt nicht durchsetzen würde.

      „Bitte in die Tilmetstraße 83, Schafbich“

      „Gibt es nicht.“

      „Doch, es gibt sehr wohl eine Tilmetstraße, mein liiiiebster Navimaster! Das ist zwar eher ein kleineres Gässchen, das viele Leute nicht finden, aber es gibt sie! Ich werde ja wohl noch wissen, wo ich wohne! Oder ist das etwa zu schwer für dich, Besserwissernavi?“

      „Ich meinte Schafbich“

      „Ja, ich auch! Tilmetstraße 83 in Schafbich! Und jetzt los!“ Pause. „Bitte.“

      Die Stimme wirkte leicht gereizt als sie antwortete: „Hörst du zur Abwechslung auch mal zu, du Verstehverweigerer? Ich sagte ‚Schafbich gibt es nich´’. Jetzt kapiert?“

      „Da gibt es Millionen von Frauen auf dieser Welt, und du landest ausgerechnet bei der einen, deren Auto von einem Navi beherrscht wird, das sich für den größten Scherzkeks diesseits und jenseits des Urals hält! Na herzlichen Glückwunsch! Ist dir eigentlich klar, wie hoch die Chancen stehen, dass so etwas passiert? Du solltest Lotto spielen“, lies sein Kopf verlauten.

      „Schnauze“, murmelte Max und versuchte auffällig unauffällig den Zündschlüssel zu drehen. Das Display hob amüsiert die rechte Augenbraue.

      Natürlich passierte nichts. Aber es musste was passieren bevor ihm was passierte. Und zwar schnell! Wenn es Schafbich angeblich schon nicht gab, dann musste er eben sonst wo hin. Ganz egal wohin, Hauptsache weg von hier. Max lenkte ein und versuchte sich an einer zuckersüßen Stimme.

      „Hör mal, unser erstes Zusammentreffen stand anscheinend unter einem schlechten Stern. Die Umstände waren heute Morgen für mich etwas unglücklich. Daher war ich wohl eben etwas barsch zu dir. Das ist natürlich keine Entschuldigung für mein Verhalten. Das war unangebracht, denn du konntest ja nichts dafür. Es tut mir leid.“

      „Kreide gefressen, was?“, grinste das Display zurück und Max konnte sich nur schwerlich zurückhalten unkontrolliert schreiend auf ein Navigationsgerät einzuschlagen.

      „Das ist jetzt nicht fair. Ich habe mich entschuldigt.“

      „Schon gut. Vergessen wir die Sache“, sagte das Display generös.

      Wieder dieser Drang, diesem arroganten Teil den letzten Transistor aus dem Gehäuse zu schlagen.

      „Nun, wo willst du hin?“

      „Weg von hier. Weit weg. Egal wohin. Nur weg. Am Besten irgendwo, wo ich etwas Ruhe finden und nachdenken kann.“

      „In meiner OVI-Liste…“

      „OV was?“

      „OVI. Orte von Interesse. Kann ich weiterreden oder möchtest du noch schnell die nächste blöde Frage stellen?“

      ‚Wenn das hier vorbei ist, zerlege ich das Ding in seine Einzelteile, ich schwör´s’, dachte Max. „Entschuldige. Bitte rede weiter.“

      „Sicher?“

      Seine Hand umschloss so fest das Lenkrad, dass die Knöchel seiner Finger weiß hervorstachen. Er war froh, dass wenigstens das Lenkrad keine Sprachausgabe hatte und so stumm vor sich hin leiden musste. Er rang sich ein unverfängliches „Ja, bitte.“ ab.

      „Gut. Also in dieser Liste sind eine Menge solcher Orte verzeichnet. Ich würde in deinem Fall ein Cafe, Bistro oder Restaurant vorschlagen.“

      „ESSEN, JAWOHL!“, schrie es in ihm. Alle in seinem Kopf drehten sich ungläubig zum Hungrigen um. „Was denn? Was glotzt ihr so? Wisst ihr eigentlich, wie lange das Frühstück schon her ist?!“ Kopfschüttelnd wandten sie sich wieder der Außenkommunikation zu. Eigentlich war der Vorschlag gar nicht mal so schlecht.

      „Ja, gut. Mal überlegen. Äh, gibt es hier in der Nähe einen Burgerladen?“

      „Ja, das ‚Burgerparadies’.“

      „Prima. Paradies, das klingt gut. Dann fahr mich dorthin.“

      „Nein.“

      Max sog scharf Luft durch die Zähne. „Was ist jetzt schon wieder? Findest du das etwa auch nicht? Habe ich etwa irgendwelche Konventionen nicht eingehalten?“

      „Wenn du so durch die geschlossenen Zähne sprichst bist du kaum zu verstehen. Und überhaupt: wie verkrampft du sitzt! Das ist ungesund. Entspann dich! Werd locker!“

      Max starrte nur noch entrückt auf das Display und spielte in Gedanken sämtliche Möglichkeiten durch, ein Navigationsgerät möglichst langsam und qualvoll zu zerlegen.

      „Er hat Recht, Junge. Mach die Zähne auseinander beim Reden! So kann man ja wirklich kein einziges Wort verstehen!“

      ‚MUTTER!’, schrie Max in seinen Kopf.

      „Ich habe es ja nur gut gemeint. Und das ist jetzt dein Dank dafür!“, kam es verschnupft zurück.

      Eins nach dem anderen. Eins nach dem anderen. Erst das Display. Um Mutter kümmere ich mich später.‘ Er riss sich mit aller Kraft zusammen. „Hättest du die unendliche Güte, mir auch zu sagen, warum du mich nicht dorthin fährst?“

      „Aber natürlich, mein Lieber. Es ist ganz einfach: Ich fahre nämlich gar nicht, sondern du. Ich kümmere mich nur um das Fahrziel und passe auf, dass wir auch dort ankommen. Wenn ich die Route berechnet habe, gebe ich die Zündung frei und du fährst los. Unterwegs passe ich auf, dass du nicht vom rechten Weg abkommst, sozusagen. Hahaha. Kleines Wortspiel zwischendurch. Ein bisserl Spaß muss auch mal sein, nicht wahr? Und was hab ich eben gesagt? Locker bleiben, Junge. Entspannen. Wo waren wir? Ach ja, falls du also vom rechten Weg abkommst, gebe ich Bescheid. Falls du nicht reagieren solltest, kann ich verschiedene Funktionen des Wagens übernehmen und steuern. Blinker, Drehzahl, Bremsen und das ganze Zeugs. Natürlich nur zu deiner Sicherheit. Damit du gut an deinem Ziel ankommst. Meine Entwickler fanden, dass das auch eine gute Diebstahlsicherung sei. Du bist doch kein Dieb, oder? Hahaha. Nur ein Spässle gemacht. Alles verstanden?“

      ‚Die Entwickler gehören erschossen, dachte Max. ‚Oder 24 Stunden in diesen Wagen eingesperrt. Wobei ich nicht weiß, was schlimmer ist.’ Dann sagte er: „Alles klar, dann berechne bitte die Route zum Burgerparadies, damit ich losfahren kann.“

      „Nein.“

      „Nei…!? HEU-WÄÄ-GELLL-CHENNNN! HEU-WÄÄ-GELLL-CHENNNN!“

      „Ich habe sie nicht verstanden.“

      ‚Ich hab´s. Ich röste jeden seiner Transistoren, einen nach dem andern. Stück für Stück. Langsam. Ganz langsam. Danach werden sie püriert und mit einem guten Tropfen verspeist. Ob Rotwein dazu passt? Oder besser ein trockener Weißer?’ Er riss sich aus seinen Gedanken. „Bitte verzeih meine Neugier, aber hättest du die unendliche Güte, mir unwürdigem Wurm zu erklären, warum nicht?“

      „Du brauchst gar nicht so blöd zu machen. Hätten mich meine Entwickler weniger umgänglich programmiert könnte ich jetzt eingeschnappt sein...“

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