Doppelspitze. Gerhard Weis
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Die nötig gewordenen Behandlungen beim Proktologen konnten mir gar nicht gefallen. Bei der ersten fiel ich sogar in Ohnmacht. Das muss man sich mal vorstellen. Ich, Giselher Finger, Steelball und Senior Member der Saardéros, angeblich härter als jeder US-Navy-Seal, kippte einfach so um. Nur weil etwas Fremdartiges in meinem Hintern Einzug gehalten hatte. Das war mir ausgesprochen peinlich. Dabei meinte es der Onkel Doktor bestimmt nur gut, als er seinem Neuzugang rektal eine Überraschung bereitete.
»So, Herr Finger, dann ziehen Sie bitte mal Hose und Eierbecher aus, krabbeln auf die Liege und gehen in den Vierfüßlerstand!«
Gesagt, entblößt, gekrabbelt. Während sich der grobe Kerl die Bescherung betrachtete, hielt mir eine Arzthelferin die Arschbacken auseinander.
»Mensch, Herr Finger, es wird höchste Zeit, dass wir Ihnen helfen. Das sieht wirklich nicht schön aus, fast schon nach Lepra. Fürwahr, Sie haben immer feste gedrückt. Ich mach Ihnen jetzt ein Gummiband um das Wehwehchen. Keine Angst, es wird nicht wehtun.«
Von wegen! Was hatte sich dieser Sadist dabei nur gedacht? Sollte so ein eiskaltes, grässliches Instrument wirklich diagnostischen oder gar therapeutischen Zwecken dienen? Das konnte ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Aber wer weiß, vielleicht hatte ja des Proktologen Gemahlin eine dieser neuerdings so populären Partys veranstaltet und ihr Gatte im Eifer des späteren Gefechts versehentlich die Waffen vertauscht, waren meine Gedanken. Die Zeiten hatten sich nun einmal geändert. Als ich noch ein Kind war, besuchte die Avon-Beraterin gebührlich keusche Frauen – beispielsweise meine Mutter. Später begeisterten die Super-Tuppers wohlerzogene deutsche Hausfrauen in der Küche. Wenn ich mich nicht irre, widmete ABBA denen sogar einen Schlager. Aber mittlerweile ging es im Wohnzimmer mit Zielrichtung Schlafzimmer ganz anders zur Sache. Spätestens nach dem zweiten Glas Rotkäppchensekt. Voll im Trend waren konspirative Treffs, bei denen ultrabraven Heimchen ultrascharfe Wäschestücke schmackhaft gemacht wurden. Gegen derart Spitzfindiges gab es im Grunde nichts einzuwenden. Im Gegenteil! Mit Straps und Spitzenhöschen getunt, durfte sich manche graue Maus auf etwas gefasst machen. Vorausgesetzt, Frau Birkenstock war zu einer appetitlichen Präsentation frivoler Stofffetzen in der Lage und trug vernünftiges Schuhwerk – auf keinen Fall aber Lockenwickler. Und wenn der Postmann am Wochenende gleich mehrmals klingeln sollte, durfte das provozierende Klack-Klack der schwarz lackierten Stilettos natürlich nicht zur Unzeit, zur Sportschau oder so, zu hören sein.
Richtig pathologisch wurde es aber erst dann, wenn den Säuischsten der feuchtfröhlichen Damenrunde entartete Plastikprodukte eindeutiger Bauart aufgeschwatzt wurden. Bei einer unserer Sitzungen im Dorfbrunnen hatten wir uns über dieses höchst primitive Phänomen unterhalten:
»Das sind ganz raffinierte Weibsbilder. Die machen mit dem feuchten Trieb der vielen Doofchen im Land ihr Geschäft. Eigentlich gehört denen das Handwerk gelegt. Meinst du nicht auch, Finger?«
»Genau, Heiner. Wer sonst, als eine von Sinnen geratene Frau, kommt schon auf die Idee, solch ein klobiges Ding zu erwerben? Wo es doch so schöne, filigrane Originale gibt, die meist sogar kostenlos ihren Dienst verrichten, nicht wahr? Man muss deren Besitzer bloß höflich fragen. Stimmts oder hab ich recht, Saardéros?«
»Stimmt, Finger, du hast wieder mal recht! Stattdessen wählt die coole Jule neuerdings ein Dings aus Glas oder, noch schlimmer, aus Edelstahl. Die spinnen, die Weiber!«
»Mensch, Bodo, gab es nicht jüngst Gerüchte, dass diese schamlosen Dildofeen jetzt auch bei uns ihre feurigen Mitbringsel feilbieten?« …
So etwas ähnliches wie ein Dings aus Edelstahl einverleibt zu bekommen, war dann aber des Gutgemeinten zu viel. Ich reagierte reflexartig auf diesen für mich völlig ungewohnten Stimulus und fiel tief in Ohnmacht. Gleichsam einem Kind, das instinktiv die Augen schließt, wenn der Bi-Ba-Butzemann nachts neben seinem Bettchen steht. Glücklicherweise krachte ich nicht auf den Fußboden, sondern lediglich … auf dem Therapietisch zusammen. Die Zeit meiner kognitiven Abkehr war herrlich. Es müssen Minuten gewesen sein. Da ich nur recht widerwillig wach werden wollte, wurde ich mit Leitungswasser (mein Hemd war patschnass!) geweckt. Hatte ich doch eben noch so angenehm geträumt:
Im Zauberwald von Brocéliande saßen König Artus, der Druide Merlin und der furchtlose Jäger Giselher Finger auf einer geheimnisvollen, moosbewachsenen Lichtung früh abends zu Tisch. Derselbe war Jahrzehnte zuvor von Torquil McFadden, einem blinden keltischen Bildhauer, aus einem Block schwarzen Granits – in der Form eines der Länge nach durchschnittenen Apfels – meisterlich gemeißelt worden. Zu jener Zeit galt der Apfel als ein Symbol sinnlicher Lust und Begierde. Seine Form wurde mit den weiblichen Brüsten, das Kerngehäuse mit der Vulva verglichen. Die Oberfläche der Tafel war fein poliert und glänzte wie Speck. Ein würdiger Platz für dieses erlesene Trio, das mit großem Appetit ein am offenen Feuer gebratenes Wildschwein verspeiste. Finger hatte den Keiler mit dem königlichen Schwert vor Tau und Tag tollkühn erlegt. Artus selbst hatte ihm Excalibur zu eben jenem Zweck überlassen. Als Beilage gab es ein Püree aus Artischocken und ofenfrisches Baguette.
Musikalisch begleitet wurde die Tafelrunde von Hugo Lindenzwerg und Elfi Pirelli. Während der kurzwüchsige Barde mit zarter Stimme Minne sang, vertrieb die vollbusige Elfi mit ihrem Schmettergesang Wotan. Zwischendurch servierte sie Eierlikör. Hugos verschlissene Stimmbänder gehörten regelmäßig geölt. Im Verlaufe dieser Serenade sprachen Artus und Merlin mit Hingabe einem Château Pétrus zu, wohingegen der mit der Flasche großgezogene Jäger lieber zu einem Stubbi griff.
Die Sonnenstrahlen, welche den Zauberwald an diesem lauschigen Flecken breit gefächert durchdrangen, verursachten auf der Tischoberfläche – insbesondere aber auf dem im Zentrum der Lichtung majestätisch thronenden Menhir – prismatische Reflexe unbeschreiblicher Art. Der phallusförmige Hinkelstein kam mir wie ein mittelalterlicher Kernreaktor vor. Er spendete der Gesellschaft eine wohltuende Wärme und dem Gelände ein schwarz-rot-goldenes Antlitz. Um ihn herum schien der Boden zu brennen, wenn seine knisternde Spitze wieder einmal rhythmisch pulsierte. Dieser visuelle Reiz, gepaart mit dem Duft erlesener Gaumenfreuden und der Kakophonie bizarrer Nachtmusik, erzeugte eine erlauchte Atmosphäre unter den Anwesenden.
Inspiriert durch die auf Liebreiz getrimmten Texte des Panikbarden tauchte, wie aus dem Nichts, die ohnegleichen weißhäutige Fee Viviane unter der Tafel auf. Nur mit einem Feigenblatt höchst despektierlich bekleidet, verführte sie Merlin – der sich dies nur zu gern gefallen ließ! – nach allen Regeln der französischen Kunst. Derweil flocht der mit der Schnute scharfgemachte Druide das feuerrote Haar Vivianes mit flinken Fingern zu einem entzückenden Rapunzelzopf und schickte sich seinerseits an, seiner mit bretonischem Dialekt dozierenden Französischlehrerin Griechisch-Unterricht erteilen zu wollen. Finger, schamhaft und keusch erzogen, konnte einen solchen Affront vor den Augen des Königs unmöglich dulden. Er beendete den Sprachunterricht