Doppelspitze. Gerhard Weis
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»Prost, auf Rick und den duc! Paarreim, Männer!«
»Und auf Giselher, nicht irgendwer! Paarreim, Finger! Möge dir dein Arsch wohlgesonnen sein!«
»Danke, Hoss!«
»Liberté, égalité, fraternité!«
»Jawohl, Heiner, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! Und wenn man bedenkt, das wir sogar den doofsten Kratzbürsten tolerant und geflissentlich humanitär begegnen, gingen wir glatt als Freimaurer durch. Ich meine: Auch wenn der Vatikan die Zugehörigkeit zu dieser edlen Handwerkskunst als unvereinbar mit der katholischen Lehre betrachtet, ist solcherlei menschliches Gebaren ethisch ohne Fehl und Tadel. Meint ihr nicht auch, Saardéros?«
Mein großes Maul funktionierte noch. Für meine Sprüche erntete ich Beifall. Obwohl vermutlich keiner meiner begeistert applaudierenden Freunde verstand, was ich da wieder mal laberte. Egal, Hauptsache mein verlängerter Rücken wurde an dieser historischen Stätte zum Nebenkriegsschauplatz erklärt – trotz meiner unterwegs immer wieder geäußerten Bedenken. Nachdem ich meinen erstaunten Freunden (»Wo haste denn das alles wieder her, Finger?«) abschließend erklärt hatte, dass man den duc in der dreizehnten Spalte des Arc de Triomphe, direkt neben dem schottischstämmigen Étienne Jacques Joseph Alexandre MacDonald, 1. Herzog von Tarent, verewigt hatte, fuhren wir weiter auf der BAB 8 Richtung München. Fürs Erste war der Geschichtsunterricht beendet.
Unterwegs entschieden wir uns, dem ehemaligen Konzentrationslager Dachau einen Besuch abzustatten. Statt, wie für das deutsche Durchschnittsweib typisch, konzeptlos in den auf unserer Route gemeldeten Stau zu brausen, nutzten wir die Zeit sinnvoll und nahmen zum zweiten Mal an diesem Tag historisch erhellende Nachhilfestunden. Dass wir auf Männertour waren, bedeutete entgegen landläufiger Annahme keineswegs, dass wir uns ausschließlich dem Frohsinn hingaben und die bedeutsamen Dinge des Lebens links liegen ließen. Für Typen wie uns traf das Gegenteil zu. Wir waren auf unseren Streifzügen für derartige Abstecher immer zu begeistern.
»Geboren in Braunau – eingebürgert in Braunschweig – Braunhemd – braunes Haus – Eva Braun – braun, braun, braun … überall nur braun. Scheiße ist auch braun, meistens jedenfalls, manchmal aber auch braunrot!«
Ich brauchte kein Gewehr um loszuballern. Wenn der Anlass passte, entwichen, einmal die Automatik entsichert, meiner großen Klappe mitunter großkalibrige Wortsalven. Die konnten einen schwer verletzen. »Braucht der Typ da eigentlich 'nen Waffenschein für seine Gosche?« Diese Frage hatte mal einer gestellt, der Ohrenzeuge meines verbalen Geballeres wurde. Ich muss zugeben, dass es oft nicht einfach war, hinter derartigen Schimpfkanonaden die eigentliche Botschaft zu erkennen.
Dass es ein größenwahnsinniger und brutaler Mensch wie der »Führer«, mag er noch so charismatisch gewesen sein, nach seiner Ernennung zum Reichskanzler fertigbringen durfte, aus einem demokratischen Rechtsstaat in Rekordzeit ein verbrecherisches Unrechtsregime zu formen, um anschließend die ganze Welt ins Unglück zu stürzen, konnte ich meinen Vorfahren nie verzeihen. Schon knapp zwei Monate nach der Machtübernahme hatte die braune Brut damit begonnen, das KZ Dachau zu errichten. Es hielt als Muster für alle späteren Massenvernichtungslager her und stand unter der Herrschaft der SS, Dresscode Hugo Boss. Bis zur Befreiung durch die Amerikaner, zehn Tage vor der bedingungslosen Kapitulation Nazideutschlands, wurde jeder Fünfte dieser mehr als zweihunderttausend unglückseligen Menschen aus ganz Europa ermordet.
»Saardéros, anfangs sollten hier nur die politisch Unbequemen inhaftiert und mundtot gemacht werden. Aber spätestens nach der Verabschiedung der Nürnberger Gesetze wurden in Dachau eine Menge weiterer Häftlingsgruppen ihrer Menschenwürde beraubt: Homosexuelle, Juden, Sinti und Roma … und, und, und. Selbst Menschen, die lediglich als arbeitsscheu galten, haben diese Dreckskerle nicht verschont. Stellt euch mal vor, was die mit eurem Giselher gemacht hätten! Eine Schuld an den Gräueltaten in der Hitlerzeit kann man uns nicht zuweisen. Wir haben Glück, durch die Gnade der späten Geburt Exkulpierte zu sein. Aber auch die verdammte Pflicht, ein Vergessen nicht zuzulassen! Wie seht ihr das?«
»Genauso, Finger!«
In dieser Frage waren wir uns einig.
Ohne nennenswerte Verkehrsbehinderungen am frühen Abend in Ellmau angelangt, wurden wir bei einem Begrüßungsbierchen Zeuge einer blau-gelben Punktlandung. Ob es tatsächlich Jürgen Möllemann war, der mit einem FDP-farbenen Fallschirm auf einer saftig grünen Wiese gekonnt aufsetzte, ist eher unwahrscheinlich. Die Bemerkungen, die uns dabei im herrlichen Abendrot über die Lippen kamen, waren nicht alle vom Feinsten. Wir hatten ja nicht ahnen können, dass der Kopf von »Projekt 18« ein Jahr später eine finale Bruchlandung hinlegen würde. Den restlichen Abend ließen wir in einer der Gaststätten des Ortes locker ausklingen. Am nächsten Morgen wollten wir fit sein.
Das Maß aller DINGSE
Menschen neigen zu Vergleichen. Das liegt in ihrer Natur. Genuin ist auch die Tatsache, dass ein Mann einer Frau imponieren will. Dieser Impetus lässt sich unmöglich verhindern, selbst wenn sich das Mannsbild noch so sehr darum bemüht. Die Programmierung einzelner Abschnitte auf seiner schraubenförmigen Doppelhelix sabotiert eine solche Absicht schon im Ansatz. Ist man als Mann bei einem bedeutsamen Vergleich der Loser, hat man ein ernsthaftes Problem. Die Psychofraktion ist der Ansicht, dass letztlich alles unter den Aspekten der Fortpflanzung zu betrachten sei. Der Sexualtrieb sei die Basis unseres Seelenlebens. Und die sei beim Manne nun einmal besonders breit. Was sich der liebe Gott wohl dabei gedacht haben mag?
In den Augen einer Frau ein Großer zu sein, ist für uns Männer das Größte. Selbst wenn Mann klein ist. Und um herauszufinden, auf welcher Sprosse der Erfolgsleiter wir uns befinden, gibt es Vergleiche. Wie jedermann unschwer nachvollziehen können sollte, kann im konkreten Fall leider nicht jeder Mann der Größte sein, sondern immer nur einer. Das ist logisch. Logisch ist auch, dass all die anderen armen Schweine mit einem mehr oder weniger großen Problem leben müssen. Im Falle der »Dingsvergleiche« ist weniger sogar mehr. Was ein Beispiel dafür ist, wie irreführend der Gebrauch mancher Worte sein kann.
Mann schaut gepiesackt drein, wenn der Nachbar seinen nagelneuen Sechs-Zylinder demonstrativ hinter der eigenen Schrottkarre parkt. Mann übersieht nicht, dass die mondäne Gründerzeitvilla des Herrn Neureich in der Schlossallee deutlich mehr Raum beansprucht als das eigene Reihenhäuschen mit Bonsaigarten in der Badstraße. Mann registriert genau, wie schiefmäulig Madame einer guten Freundin am Telefon erzählt, dass sie für ihren schmierigen Chef schon wieder den maßgeschneiderten Marineanzug in die Wäscherei bringen musste. An Deck der Queen Mary 2 will auch ein hoffnungsloser Fall von Unbenimm ordentlich daherkommen. Und Mann weiß um die neidischen Blicke seiner Herzallerliebsten, wenn die aufgedonnerte Direktorengattin ihren Chihuahua im beigefarbenen Gucci-Täschchen Gassi führt.
Umgekehrt hat Mann, je nach Fasson des Vergleichs, in manchen Fällen die Nase wieder vorn. Dann ist der Verglichene der Loser. Und dem wiederum geht es nicht anders. Der moderne, aufgeklärte Mann vergleicht ständig. Ob er will oder nicht. Alles nur wegen dieses blöden Sexualtriebs. Da gibt es kein Entrinnen. Wohin man auch schaut, die Welt ist voller Loser-Boys. Besonders hart trifft manchen Adamskostüm tragenden Mann der Blick in den Spiegel. Um seine Anatomie ins rechte Licht zu rücken, werden heutzutage auch von Männern wahrlich seltsame Methoden in Erwägung gezogen. Gegen Sport ist nichts einzuwenden. Wie auch? Ein knackiger Körper, durch jahrelanges Training redlich erworben, hebt die Laune und ist nett anzuschauen. Darauf darf man stolz sein: gerechter Lohn für eine ehrliche Leistung! Aber leider werden immer häufiger auch unsportliche Mittel eingesetzt. Um an den gewünschten Stellen richtig was herzumachen, wird gefoult auf Teufel komm raus. Botox-Spritzen, Silikonimplantate, Fettabsaugen … Mann kennt da keine Tabus mehr. Wie die Weiber, such a shame!
Manche