Doppelspitze. Gerhard Weis

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Doppelspitze - Gerhard Weis

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zu reagieren. Dank Herrn Pavians Dreistigkeit war es la Greco, der in »Hämmerle's Restaurant« die Zeche für zwei köstliche Fünf-Gänge-Menüs zu zahlen hatte. Was dieser gerne in Kauf nahm. Das schräge Bewerbungsschreiben überzeugte die mit allen Wassern gewaschenen Geschäftsführer gerade wegen der amateurhaft gefälschten Urkunden aus Weihenstephan und »Ochsford«. Solcherlei Unverfrorenheit war die beste Grundlage für ein Tätigsein an der Front der Gescheiterten. Somit mündete die mehrsprachig verfasste Kandidatur in ein von Mario und René ursprünglich überhaupt nicht beabsichtigtes Arbeitsverhältnis. Den inguschischen Teil des Stellengesuchs vermochte den beiden auch ihr aus Grosny geflohener Zechbruder Stanislaw Ahmadov nicht zu übersetzen. Der Tschetschene war mit Herrn Pavians Handschrift überfordert. Was aber nicht weiter schlimm war. Angesichts des beigefügten Fotos geriet der Rest zur Staffage, selbst die unverschämten Gehaltsvorstellungen des Fürbittenden. Wer sich traute, eine solche Ablichtung seiner Selbst in fremde Hände zu geben, hatte nichts zu verlieren. Das Votum der Beschäftigten – beim Guide Schluckspecht wurde Demokratie gelebt! – war einstimmig: Dieser Arsch passt zu uns!

      »Hat es Ihnen geschmeckt?«, wollte der ausgesprochen sympathische, nach französischen Sternen strebende, immer gut gelaunte junge Koch hinterher wissen. »Hammer, Hämmerle! Das Essen war ein einziger Schmaus. Besser gehts nicht. Auch der Service, alle Achtung! Die paar Scheinchen habt ihr euch redlich verdient!«, bekam er zu hören.

      »Porro, Saardéros!«

      »Quo vadimus, Finger?«

      »Wohin wohl? Zu Kaiser Augustus!«

      Liebgewonnene Traditionen gehörten gepflegt. Das Café des Römermuseums Schwarzenacker lag nur einen Katzensprung von der Ski- und Wanderhütte Einöd entfernt. Im gepflasterten Innenhof der an das Edelhaus angrenzenden guten Stube wurden wir bestimmt schon erwartet. Mit etwas Glück würden wir alle noch ein Stück Eierlikör- oder Rhabarberkuchen ergattern können. Auch meine Eltern wussten die Qualität des selbstgebackenen Kuchens zu schätzen. Papa sah sich nicht einmal genötigt, die Pächter wegen mangelnder Leistung mit einem seiner gefürchteten Koffer zu tadeln. Von dieser pittoresken Verweilstatt gallorömischen Flairs, dem Tor zum UNESCO-Biosphärenreservat Bliesgau, gelangte unser Tross über Feldwege und Streuobstwiesen entlang der Auenlandschaft der Blies zum Revier der Weißstörche am Beeder Fischweiher. Eine Attraktion! An regen Betrieb gewöhnt, leisteten die Störche den Besuchern der Fischerhütte Gesellschaft. Dabei gingen sie auf Tuchfühlung zu Mensch und Tier. Gigi hielt ich hier sicherheitshalber an der Leine. Wir taten uns jetzt von Runde zu Runde schwerer, mit den Blondchen kurzen Prozess zu machen. Auf dem letzten Teilstück unserer Vatertagstour passierten wir – vorbei an Heckrindern, Wasserbüffeln und einem bunten Sortiment Wasservögel – das Naturschutzgebiet Höllengraben, bevor wir im prächtigen Biergarten der »Scheune« den Tag ausklingen ließen.

      Unsere beneidenswerten Frauen trafen dort kurz nach uns zum gemeinsamen Abendessen ein. Am Vatertag ein solches Privileg für sich in Anspruch nehmen zu dürfen, zeugte von dem einzigartigen Edelmut ihrer Männer. Nachdem der traditionelle Ochs am Spieß irgendwann der Bequemlichkeit zum Opfer gefallen war – nur Hornochsen waren zu solch einer Maßnahme fähig! – wurde ein Blick auf die Speisekarte nötig. Was gar nicht so einfach war, wenn der väterliche Autofokus nur noch mangelhaft funktionieren wollte. Dass der Brand zu diesem Zeitpunkt längst gelöscht war, wollten die Firefuckers nicht akzeptieren. Über kurz oder lang machten dann deren Chauffeusen deutlich, was sie von dem törichten Gelalle ihrer Fahrgäste hielten: »Fünf Kümmerlinge und die Rechnung, bitte!« Auch eine Tradition!

      Donnerklitchen, Teil eins

      Auf einer unserer jährlichen Wandertouren sollte dann etwas Unglaubliches geschehen, Heiner einen noch nie dagewesenen Geistesblitz zünden. Wir waren diesmal nur zu viert unterwegs und gerade beim Kneippen, als sich der denkwürdige Vorfall ereignete. Ronny fehlte, leider! Für alle völlig unerwartet, musste er drei Tage vor unserer Abreise operiert werden. Es war ihm schon länger anzumerken gewesen, dass mit seiner Gesundheit etwas im Argen lag. Aber damit hatte keiner gerechnet: defekte Herzklappen! Wer denkt denn gleich an so etwas? Gott sei Dank hatte Ulla die Lage gecheckt und ihren Mann gegen seinen Willen ins Krankenhaus verfrachtet. Es war höchste Eisenbahn. Ronny hatte Glück, dass der komplizierte Eingriff schon tags darauf in der Uniklinik Homburg von einer Koryphäe ihres Fachs durchgeführt werden konnte. Da wir unser Sorgenkind medizinisch bestens versorgt wussten, zogen wir donnerstags auch ohne es los …

      Das Frühstück in unserer Pension war dieses Mal erstaunlich reichhaltig gewesen. Da gab es nichts zu meckern. Hoss' Blicke am Morgen zuvor hatten gewirkt. Sogar ein köstlich schmeckender Apfelkuchen stand auf dem Tisch. Von der Wirtin selbst gebacken, was sie wie nebenbei erwähnte. Der ihren Worten mitschwingende Stolz entging uns nicht. Die Gute bekam ein dickes Lob spendiert, bevor wir mit prall gefüllten Energiespeichern gut gelaunt losliefen.

      »AB IN DIE WAND, SAARDÉROS!«

      Bereits im Ort durften die Anwohner Stimmproben dessen erleben, was uns im Laufe des Tages noch häufiger als Motivationsinstrument dienen sollte. Noch war unsere Tonlage keineswegs martialisch. Aber temperamentvoll genug, um Dutzende interessierter Blicke auf uns zu lenken. Speziell die fescher Mädels. Solche Naturburschen bekam man auch im Allgäu nicht jeden Tag vor die Optik. Wir absolvierten das Aufwärmprogramm zu unserer diesjährigen Königsetappe: von Wertach nach Jungholz und zurück. Vierundzwanzig Stunden später würden wir nach ein paar schweißtreibenden, aber herrlich entspannenden Tagen wieder nach Hause fahren. Hoss wusste, was ihm gleich bevorstand: eine nicht enden wollende Schinderei.

      »AB IN DIE WAND, SAARDÉROS!«

      Unser Schlachtruf war jetzt weithin vernehmbar. Wer nicht mit diesem Ritual vertraut war, konnte es mit der Angst zu tun bekommen. Beispielsweise die Tiere im Wald. Einen Haka tanzten wir zwar nicht, aber das Fortissimo unseres Gebrülls war auch so furchteinflößend genug. Zu wilder Plackerei entschlossen, gebärdeten wir uns wie die »All-Blacks« aus Neuseeland vor Beginn eines Rugbymatchs gegen die südafrikanischen »Springbokke«. Mit unserer Parole schrien wir uns vor jeder neuen Steigung Mut zu. Insbesondere Hoss konnte den gut gebrauchen. Das Streckenprofil war anspruchsvoll. Zudem stellte die Sonne ihre immense Kraft nachhaltig unter Beweis. Am strahlend blauen Himmel war nur hie und da mal ein Wölkchen auszumachen. Nachmittags führte uns das Schicksal zu einer traumhaft gelegenen Kneippe. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon reichlich Höhenmeter in den Beinen. Da kam uns die Möglichkeit, unseren geschundenen Füßen etwas Erholung zu verschaffen, gerade recht.

      Kneippen vorm Kneipen, das liebten wir. Aus langjähriger Praxis wussten wir, dass sich ein von den Fußsohlen bis zu den Waden beinahe schockgefrorener Unterschenkel beim Wiederauftauen enorm erhitzte. Das machte den durch das spätere Kneipen praktizierten Kühlungsprozess umso sinnvoller. Wir Saardéros waren ständig bemüht, unserem Tun ein Höchstmaß an Sinn beizumessen. Auch wenn dabei hin und wieder die Grenze zum Wahnsinn touchiert wurde. Stumpfsinn war uns ein Gräuel. Als Heiner, von uns auch Hein oder liebevoll Heinerle genannt, noch in einer Mischung aus Stechschritt und Storchenparade durch das eiskalte Wasser stolzierte, saßen Bodo, Hoss und ich bereits mit hochgezogenen Beinen auf einer der Buchenholzbänke und massierten uns die Frostbeulen von den Füßen. In Jungholz hatte der Kämmerer offensichtlich einen tollen Job gemacht. Die Kneippanlage war vom Allerfeinsten und nigelnagelneu. So etwas Edlem waren wir auf unseren Ausflügen noch nie begegnet. Nicht einmal in Ellmau, ein Jahr zuvor. Üblicherweise wateten wir barfuß durch verschlammte Natur, aber nicht durch ein Fünf-Sterne-Becken wie hier. »He, schaut mal, das sieht ja so aus, als wären die Fundamente aus Gummi!« Bodo hatte einen Blick für solche Dinge. Ein kurzes Klopfen mit den Fingerknöcheln bestätigte ihn in seiner Annahme.

      »Tatsächlich, die Össis haben die Bänke auf Gummifundamente gestellt. Die sind doch bekloppt. Die Chose hier war mit Sicherheit schweineteuer.«

      »Die

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