Seefahrtserinnerungen – Anthologie. Jürgen Ruszkowski
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Offenes Geheimnis
Meistens waren diese von vielen fälschlicherweise als „Shanghaien“ bezeichnete Werbeaktionen von Erfolg gekrönt, denn es ist ein offenes Geheimnis, dass der in der Regel gutmütige Seemann ganz einfach nicht „nein“ sagen kann.
Ich selber machte da keine Ausnahme. Also packte ich meinen Seesack und fuhr mit dem Emder Matrosen Werner Voss zusammen mit der Bahn nach Kiel-Hotelnau, wo wir in der Schleuse auf dem Dampfer ELIZA NÜBEL einstiegen. Mit einem Matrosen namens Robby aus Eckernförde wurde ich zur 8-12-Wache eingeteilt.
Unser wachhabender Steuermann Ludwig Stühr kam ebenso aus Neermoor wie Kapitän Müller. Das Schiff kam von Stettin und hatte Kohle für Valencia im Bauch. Da das Franco-Regime zur damaligen Zeit keine Handelbeziehungen zu den Ostblockstaaten unterhielt, mussten in Holtenau erst einmal neue Ladungspapiere ausgestellt werden. Papier ist bekanntlich geduldig, und so löschten wir in Valencia Kohle, die nicht aus Polen, sondern aus Deutschland stammte.
Anschließend verholten wir nach Mellila, einem Hafen in Spanisch-Marokko, wo wir Erz für Stettin an Bord nahmen. Auf der Heimreise wurden wir im Oderhaff von einem russischen Eisbrecher auf den Haken genommen. Urplötzlich hatte der Winter zugeschlagen. Nach zwei Wochen Liegezeit in Stettin war die ELIZA NÜBEL wieder klar zum Auslaufen. 8.000 Tonnen Kohle für Barcelona hatten wir an Bord. Dieses Mal kamen in Holtenau nicht nur neue Frachtpapiere, sondern auch Passagiere an Bord. Es waren Kapitän a. D. Förschner, seine jüngere Tochter und Dr. med. Theo Eiben, ein bekannter Emder Arzt. Das Auto, mit dem sie von Barcelona aus die Heimreise antreten wollten, hievten wir in der Schleuse auf Luke Ill. Ich glaube, es war ein Opel Kapitän, den wir sorgfältig abdeckten, mit alten Schwimmwesten polsterten und seefest verzurrten.
Wie fast alle nach lern 2. Weltkrieg aus dem Ausland angekauften Kohlensteamer war auch die ELIZA NÜBEL ein gutes Seeschiff. Allerdings hatte der Dampfer eine Schwachstelle: die Ruderanlage. Das zeigte sich, als das Schiff in der Biscaya so richtig einen auf die Mütze kriegte. All hands an Deck! hieß es, als eines Nachts die Ruderanlage ausfiel, nachdem sich ein Bolzen aus dem Rudergestänge gelöst hatte. Immer wieder krachten Brecher über Deck, und wir standen bis zum Bauch im Wasser. Zwei Matrosen gelang es aber schließlich, mit dem auf dem Achterdeck installierten Notruder das Schiff wieder auf Kurs zu bringen.
Ausweichmanöver
Als sich das Wetter besserte, kamen auch die Passagiere wieder auf die Kommandobrücke. Besonders Dr. Eiben interessierte sich für alle Arbeiten, die mit dem Schiffsbetrieb zusammenhingen. Er kam auch schon mal nach achtern, um mit uns Skat zu spielen. Dr. Eiben war auch mit von der Partie, als wir eines Tages auf Wache den Steuermann veranlassten, Ausweichmanöver zu fahren, obwohl weit und breit kein Schiff in Sicht war. Wir hatten vorher seinen Kieker (Fernglas) mit einem kleinen Insekt präpariert. Als der Alte uns deswegen zur Rede stellte, nahm unser Doktor die Schuld auf sich.
Über diesen gelungenen Streich haben wir an Bord noch lange gelacht. Übrigens sind mit einem dünnen Faden präparierte Fernglaser seit eh und je fester Bestandteil einer jeden Äquatortaufe an Bord deutscher Schiffe. Altgedienten Fahrensleuten zufolge soll es in der Vergangenheit nicht wenige Täuflinge gegeben haben, die nach einem Blick durch ein solches Fernglas allen Ernstes behaupteten, die magische Äquatorlinie mit eigenen Augen gesehen zu haben.
In Barcelona verabschiedeten sich unsere Gäste, um mit dem Auto die Heimreise nach Old Germany anzutreten. Wir aber fuhren weiter nach Alicante. Voll abgeladen mit Erz nahmen wir dann ein weiteres Mal Kurs auf Stettin. Meine Fahrzeit auf ELIZA NÜBEL endete dort, wo sie angefangen hatte: in Kiel-Holtenau.
In der Folgezeit traf ich erste Vorkehrungen, den Hafen der Ehe anzulaufen. Vorbei war es nun mit meiner Freiheit auf den Weltmeeren. Aus dem Weltenbummler zur See wurde nun ein Seemann, der darauf bedacht war, in Küstennähe zu bleiben. So arbeitete ich eine Zeitlang als Matrose auf dem Kabelleger und Bergungsschiff „OTTAR HARMSTORF 3“. Wir verlegten Post- und Bundesbahnkabel im Emder Hafen und vom Festland nach Norderney. Bevor ich 1956 heiratete, heuerte ich ein letztes Mal auf einem Seeschiff an. Mit der „JOACHIM HENDRIK FISSER“ fuhren wir im Liniendienst von Hamburg nach Nordspanien. Wir fuhren in Charter der OIdenburg-Portugiesischen-Dampfschiffs-Reederei, deren Kürzel „OPDR“ (Ohne-Proviant-durch-Russland) sicherlich allen Fahrensleuten noch heute geläufig ist.
26 Jahre bei der EHUG
Nach meiner Heirat erwarb ich an der Seefahrtsschule in Leer das A1-Patent und fuhr dann mehrere Jahre als Schiffsführer auf Tankschiffen der Reederei Schulte & Bruns, die an der Küste und im Emder Hafen im Einsatz waren. Es folgte eine 26jährige Tätigkeit bei der Emder Hafenumschlagsgesellschaft (EHUG), bevor ich mit 58 Jahren in den Vorruhestand eintrat. Fünf Jahre lang war ich noch Museumsführer auf dem Seenotrettungskreuzer „GEORG BREUSING“. Heute bin ich nur noch als Handharmonikaspieler bei den Transvaaler Musikanten aktiv.
Frerich Schüler schrieb ein inzwischen antiquarisches Buch über den Bombenkrieg mit dem Titel: „Als Emden in Schutt und Asche fiel“
Hans-Gerorg Eurich – Seefahrtserinnerungen
Plötzlich war das Schiff weg
Vor wenigen Wochen habe ich mit großem Interesse in einer Serie der Emder Zeitung die Erzählung von Jakob Kromminga gelesen, der als Seemann auf den Weltmeeren unterwegs war. Besonders, weil ich 1958/59 ah Moses mit ihm zusammen für ein Jahr auf der „HARVEY S. MUDD“, dem damals modernsten Schiff der Reederei Fritzen, unterwegs war. Mit „Jacky“ habe ich die Äquatortaufe und vieles mehr erlebt. Als ich am 17. März in der 548. Folge dieser Serie seinen Bericht gelesen habe, kamen mir wieder viele eigene Erlebnisse in den Sinn, die sich zum Teil wie Seemannsgarn anhören, aber dennoch wahr sind...
Mein Vater war Tischlermeister und hatte eine Tischlerei in Aurich, wo ich auch zur Welt gekommen war. Die Jungen in unserer Nachbarschaft hatten sich nach und nach abgemeldet, um zur See zu fahren. Damals erwachte auch in mir der Wunsch, die weite Welt der Ozeane kennenzulernen.
Als 13jähriger Junge schrieb ich einen Brief an den Schulschiffverein Bremen, denn ein Vorausbildungslehrgang war Voraussetzung für das Deckspersonal, um an Bord eines Handelsschiffes zu kommen. Handelsschulschiffe liefen in der Terminologie der Schiffsleute unter dem Begriff „Mosesfabrik“.
Bereits 1957 bewarb ich mich bei dem Verband deutscher Reeder um einen Ausbildungsplatz für die seemännische Arbeit auf dem Segelschulschiff „DEUTSCHLAND“. Nach Durchführung aller notwendigen Untersuchungen zur Erlangung des Gesundheitspasses wurde mir mitgeteilt, dass ich mich am 12. Mai 1958 an Bord melden sollte. Voraussetzung war die Überweisung von 480 Mark für Verpflegung und für die Anschaffung einer seemännischen Ausrüstung