Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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Mann, der sich gegen Menschen und Tiere so freundlich
gezeigt hatte, festnehmen und seine Hände binden;
dann ließ er ihn in das Gefängnis werfen. Als er
so gebunden und seiner Freiheit beraubt in dem Kerker
saß, kam die große Schlange aus dem Brunnen
und bedrohte die Stadt. Da fürchteten sich die Menschen
und sagten zu dem Gefangenen:
»Sage der Schlange, sie soll uns verlassen!« Und
sie ließen ihn frei und nahmen die Fesseln von ihm.
Er ging zur Schlange und befahl ihr, fortzugehen. Die
sprach:
»Nun du frei bist, werde ich gehen. Versprich aber,
daß du mich rufst, sobald dir jemand ein Leid zufügen
will.«
Das versprach der Mann.
Fortan wurde er hochgehalten und geehrt im ganzen
Lande. Und man fragte ihn:
»Warum hat der, dessen Gast du warst, dir Übles
getan?«
Er erwiderte:
»Die Schlange, der Löwe und der Affe haben mich
gewarnt vor den Wohltaten, die ich einem Menschen
erweisen würde. Sie haben recht gehabt und die
Wahrheit gesprochen, wenn sie sagten, daß von allen
lebenden Wesen der Mensch das undankbarste ist.
Diesem Manne tat ich Gutes, und er hat es mir mit
Bösem gelohnt.«
Der Sultan, da er diese Worte erfuhr, befahl, daß
man den Mann, der sie gesprochen hatte, zu ihm
brächte. Und er befragte ihn um die Meinung dessen,
was er gesagt hatte. Als er nun erfuhr, wie sich alles
verhielt, wurde er sehr böse und sprach:
»Dieser Undankbare verdient, daß man ihn in eine
Schlafmatte lege und er ertränkt werde; denn er hat
Gutes mit Bösem belohnt.«1
Fußnoten
1 Eine Matte, deren sich die Suahelis und die Araber
an der Küste Ostafrikas bedienen, um darin zu schlafen,
heißt Tumba. Sie hat die Form eines Sackes, der
an einer Längsseite offen ist. Um sie während der
Nacht zu benutzen und vor Kälte und Insekten geschützt
zu sein, kriecht man vollständig in sie hinein,
wickelt sie fest um den Körper und liegt schließlich
auf der offenen Seite. Tumbas werden häufig als
Särge benutzt, indem man den Leichnam in sie
einnäht.
Der träge Mahomed.1
Ein Sansibarmärchen.
Eines Tages kam zu dem Sultan Harun al Raschid ein
junger Sklave, der sprach:
»Meine Herrin Zubede sendet dir durch mich ihre
Grüße und läßt dir sagen, sie habe eine Krone gefertigt,
zu der ihr noch ein Stein fehle. Sie fragt bei dir
an, ob du ihr den fehlenden geben kannst.«
Da suchte Harun al Raschid in seinen Schatzkammern;
aber wie sehr er auch suchte, es fand sich kein
Stein, der groß genug gewesen wäre.
Endlich sagte Harun zu dem Sklaven:
»Bringe mir die Krone, damit ich selber sehe, ob
ich das Gewünschte nicht herbeischaffen kann.«
Als die Krone gebracht wurde, sah er, daß sie aus
kostbaren Steinen gefertigt war. Er zeigte sie allen
Großen des Reiches und sprach zu ihnen:
»Sucht in euren Schätzen, bis ihr einen Stein findet,
der groß genug ist, um das Mittelstück dieser Krone
zu bilden.«
Sie taten, wie ihnen befohlen war; aber vergebens.
Da berief Harun al Raschid alle Kaufleute seines
Reiches, versprach ihnen viel Gold und Silber, konnte
aber auch von ihnen keinen Stein bekommen, der
groß genug gewesen wäre.
Fast verzweifelte er daran, je zu erlangen, was er so
eifrig suchte, als ein Mann zu ihm kam, der sprach:
»In der Nähe von Bagdad wirst du nicht finden,
was du suchst. Aber sende nach Bassara; dort lebt ein
Jüngling Namens Mohamed, mit Beinamen der Träge,
der kann dir einen Stein geben, welcher groß genug
ist, um die Mitte der Krone zu zieren.«
Da berief der Sultan seinen Vertrauten Mesruri
Sayafi. Zu dem sprach er:
»Nimm diesen Brief und reise nach Bassara; dort
gehe zu meinem Minister Mohamed Zabidi.«
Mesruri Sayafi machte sich alsbald auf den Weg
und nahm ein großes Gefolge mit sich. Sein Weg
führte ihn durch eine weite Wüste; als er die durch-
reist hatte, kam er nach Bassara. Da begab er sich sofort
in das Haus Mahomed Zabidis; dem gab er den
Brief, und er las ihn. Sobald er gelesen hatte, bat er
Mesruri Sayafi in sein Haus zu kommen und