Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Afrikanische Märchen auf 668 Seiten - T. von Held страница 27
den andern folgen wollte, schloß er sich geschwind
und hielt sie gefangen.
Die Mädchen nahmen nun von dem Felsen, was die
Damaras dort hatten liegen lassen; aber ehe sie weitergingen,
baten sie den Felsen:
»Gib uns unsre Schwester! Sie ist ein Kind und hat
gesprochen wie ein Kind; ihre Worte haben kein Gewicht.
«
Aber der Felsen öffnete sich nicht. So zogen denn
die Kinder weiter und kamen nach langem Wandern
dahin, wo ihre Eltern und Freunde sich niedergelassen
hatten. Große Freude herrschte, und Feste wurden
veranstaltet, weil die Mädchen und besonders die Älteste
wiedergekommen waren. Von nun an blieben sie
stets da, wo auch ihre Eltern waren.
Cavahandye, die in dem Felsen geblieben war,
weinte bitterlich und rief fortwährend:
»Öffne dich, öffne dich! Ich habe gesprochen, wie
ein Kind redet.«
Aber der Felsen erhörte sie nicht. Wenige Tage
darauf kam ein Löwe des Weges, der rief den Felsen
an:
»Öffne dich!«
Da gehorchte der Felsen. Als Cahavandye aus der
Offnung heraustrat, verfolgte sie der Löwe; doch das
Mädchen rannte, so schnell es konnte, und erreichte
beinahe den Platz, wo es seine Mutter und Schwestern
zu finden hoffte. Da es aber vom Laufen ermattet war
und in der Schnelligkeit nachließ, wurde es doch noch
eine Beute des Löwen, der es verschlang. Als die Damaraleute
zu dem Felsen kamen und ihre Schilder und
Speere fort waren, wußten sie, daß es die Hereromädchen
gewesen waren, welche sie genommen hatten;
deshalb folgten sie ihren Spuren, aber sie erreichten
sie nicht und kehrten wieder zurück.
Fußnoten
1 Die Herero sind ein Nomadenvolk, daher in dieser
Erzählung die Rede davon ist, daß sie, sobald ihr
Vieh die Weide abgegrast hat, weiterziehen. Die älteste
Tochter genießt in jeder Hererofamilie eine besonders
bevorzugte Stellung und heißt allgemein »das
große Mädchen«. – Mit den in dieser Sage angegebenen
Lauten »grrrr, grrrr« und »pfuh, pfuh« sind jedenfalls
die Schnarchlaute, die wir mit »sägen« und »blasen
« bezeichnen, gemeint. – Eiserne Schmuckgegenstände
tragen Hereroweiber oft an ihren Röcken;
wenn sie kein Geräusch machen wollen, müssen diese
befestigt werden. Eine kleine Glockenart trägt oft die
Älteste einer Familie. – Die Herero und Damara stehen
sich stets feindlich gesinnt gegenüber; der Herero
betrachtet den Damara als tief unter sich stehend. –
Neger gehen stets einer hinter dem anderen, und es ist
rätselhaft, wie sie imstande sind, Unterhaltungen aufrecht
zu erhalten, in denen z.B. der erste und siebente
und der zweite und achte miteinander reden. In Familien
wird bei dieser Art des Gehens das Alter innegehalten.
Der kluge Schakal.1
Ein Hottentottenmärchen.
In einem Lande war eine sehr große Trockenheit;
denn es hatte lange nicht geregnet. Alle Flußbetten
waren ausgetrocknet und alle Quellen versiegt.
Da beschloß der Löwe, den Tieren vorzuschlagen,
einen Damm zu bauen, der später in der Regenzeit
das Wasser sammeln und aufbewahren sollte.
Die Tiere, welche er zu diesem Zwecke berief,
waren der Hundsaffe, der Leopard, der Schakal, die
Hyäne, der Hase und die Schildkröte.
Sie alle kamen überein, daß der Vorschlag des
Löwen ein sehr guter sei, und daß am folgenden Tage
die Arbeit begonnen werden müsse.
Am nächsten Morgen suchten sie sich einen Platz
aus, der günstig schien für ihr Unternehmen, und gingen
sofort an ihr Werk. Nur der Schakal schlich träge
umher und erklärte lachend, ihm fiele es nicht ein,
seine Nägel zu zerkratzen, um Löcher für Wasser zu
graben.
Als der Damm fertig war, fing es an zu regnen, und
nach wenigen Tagen hatten die Arbeiter die Freude,
daß das Wasser sich in großen Mengen gesammelt
hatte.
Der erste, welcher kam, um davon zu trinken, war
der Schakal. Nachdem er seinen Durst gelöscht hatte,
schwamm er in dem Wasser auf und nieder und warf
Schmutz und Schlamm hinein.
Als der Löwe davon erfuhr, wurde er sehr böse und
befahl dem Hundsaffen, am nächsten Tage den Damm
zu bewachen und