Oskar trifft die Todesgöttin. Jörgen Dingler
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Immer wenn der Papst die vatikanischen Gärten durchschritt, wurde aus Gründen der Diskretion und des Respektes vor dem Heiligen Vater die allumfassende elektronische Überwachungsanlage der Vatikanstadt teilweise abgeschaltet. Die innerhalb der Gärten installierten Kameras und Mikrofone begaben sich in den Ruhezustand. Darauf legte der Papst wert. Diese Maßnahme betraf nicht die Kameras und Mikrofone außerhalb der Gärten. Was sich ebenfalls nicht in den Ruhestand begab, waren die zahlreichen Wachleute, die sich in diskretem Abstand an verschiedenen Plätzen innerhalb der vatikanischen Gärten aufhielten. Unsichtbar, außerhalb menschlicher Hörweite (was normale Gesprächslautstärke betraf), aber stets präsent und bereit, sobald Gefahr in Verzug sein sollte.
Man sprach italienisch, neben Latein eine der beiden Amtssprachen der Vatikanstadt, damit der Malteser jedes Wort verstand, dass die beiden Deutschen miteinander wechselten.
»Heiliger Vater, niemand außer dem engsten Kreis weiß von dem Treffen«, versuchte Gänswein beruhigend einzuwirken.
»Lieber Georg, das war schon bei dem letzten Treffen so. Mehr als geheim ist nicht möglich. Auch das vorige Treffen, bei dem unser armer Lucchese sein Leben verlor, Gott sei seiner Seele gnädig«, der Papst und seine Privatsekretäre bekreuzigten sich, »war nur dem innersten Zirkel bekannt.«
Der Heilige Vater, der seine beiden Privatsekretäre beim Vornamen ansprach, wenn man unter sich war und in Anwesenheit Dritter ‚Monsignore Gänswein‘ beziehungsweise ‚Monsignore Xuereb‘ nannte, wischte den gut gemeinten Versuch einer Kalmierung mit seiner ureigenen Art vom Tisch. Ruhig, aber sehr bestimmt.
Xuereb ging die Sache analytischer und weniger emotional an.
»Wir haben es hier nicht nur mit einer außergewöhnlich gut informierten Person zu tun. Sie soll auch über außergewöhnliche physische Fähigkeiten verfügen«, stellte er klar.
»Sehr richtig, Alfred.« Benedikt sah abwechselnd zu beiden Vertrauten, die ihn flankierten. »Man sprach in diesem Zusammenhang sogar von überirdisch«, entließ der Papst, als würde ausgerechnet er – den man als Vorstandsvorsitzenden für Überirdisches bezeichnen konnte – über den Begriff ‚überirdisch‘ spotten. Wohl deswegen, weil es in Bezug auf eine Sterbliche wohl als Blasphemie zu bezeichnen war. Aber hatten nicht schon etliche Sterbliche nach Auffassung der katholischen Kirche geradezu Überirdisches bewirkt und wurden dafür nach ihrem Tod dann auch selig und noch später sogar heilig gesprochen?
Ja, aber diese angeblich überirdische Person bewirkte nichts Gutes. Sie tötete Menschen. Noch dazu aus vermeintlich niederen Gründen und konnte daher schon automatisch nichts Gutes bewirken. Das Argument, dass die katholische Kirche zum Erreichen ihrer Ziele – allen voran Machterhalt – jahrhundertelang genau nichts anderes tat, lassen wir bei der Betrachtung dieses Umstandes mal außen vor. Außerdem war diese Person auch in einer anderen Hinsicht quasi von der Konkurrenz. Monsignore Gänswein sprach es an.
»Man nennt sie ‚Kali‘, nach einer Göttin«, entließ der Papstvertraute mit merklicherem Spott als die vorhergehende Spitze seines Chefs es war. Offenen Spott hätte sich der Papst ohnehin niemals erlaubt. Der Papst war der Papst. Das galt nicht für seine Privatsekretäre.
Benedikt XVI. umfasste sein großes, vor der Brust getragenes Kreuz.
»Eine Göttin«, sinnierte er, »eine gedungene Mörderin ist sie.«
»Sehr richtig, Heiliger Vater, aber nicht irgendeine. Sondern die beste der Welt«, bekräftigte Monsignore Xuereb. »Ihre Fähigkeiten werden in sogenannten Fachkreisen in der Tat als überirdisch bezeichnet. Sie gilt als unbesiegbar.«
»So? Unbesiegbar?« Benedikt sah seine Vertrauten an. »Und das als Frau. Erstaunlich«, bemerkte der Stellvertreter Christi so gar nicht gendergerecht.
»Sie soll sogar recht zierlich sein. Hübsch obendrein«, bestärkte Gänswein.
»Ähm…«, räusperte sich sein Kollege Xuereb. »Insiderkreise schreiben den Mord in Mailand ebenfalls ihr zu. Es soll – wie man so sagt – ihre Handschrift tragen. Allein schon, weil es sich wieder um jemanden handelte, an den man eigentlich nicht herankommt.«
»Ist das wahr? Dann ist sie wohl wirklich eine Art Göttin. Zumindest eine ihrer Zunft. Im hinduistischen Glauben ist Kali die Göttin des Todes… und der Veränderung«, stieg der außerordentlich gebildete Heilige Vater mit seiner immer etwas nach Predigt gemahnenden Stimme auf diese Information ein.
»Sich den Namen einer Gottheit anzueignen… selbst bei einer heidnischen Gottheit könnte man das als Blasphemie bezeichnen. Erst recht, wenn es eine professionelle Mörderin tut«, bemerkte Gänswein verachtend.
Der Heilige Vater tappte mit einer Hand beschwichtigend dessen Arm, eine Geste, die mehr nach Segnung als nach einer verbindenden Geste aussah. Beim Papst wirkte irgendwie alles klerikal, wenn nicht ‚heilig‘.
»Nein, Georg, das sehe ich nicht so. Wir sprechen schließlich von einer Todesgöttin«, flüsterte Benedikt Überraschendes. »Ihr Wirken ist böse. Aber in der Ausführung wohl in der Tat überirdisch gut, wie man sagt.«
»Nicht nur, wie man sagt. Wir mussten es leider schon erleben, Heiliger Vater«, mischte sich Xuereb ein. »Glücklicherweise nicht miterleben«, fügte er an.
»Ja, das ist richtig. Daher sehe ich in dem Vergleich mit einer Todesgöttin weder Blasphemie noch Anmaßung. In uns allen steckt Göttliches… und leider auch Teuflisches.« Benedikt XVI. starrte vor sich hin. In seinen Augen blitzte die erschreckende Erkenntnis, mit welcher Art Gegner man es zu tun hatte. »Die Beste ihrer Zunft… bislang unbesiegt… ihre Qualität prädestiniert sie für derartige Aufgaben«, flüsterte er mehr zu sich selbst.
Gänswein atmete tief durch. Obwohl nur der berühmte kleine Kreis von dem bevorstehenden Treffen wusste, so war es doch ein gutes Dutzend Leute: außer dem Papst, beiden Privatsekretären, dem Camerlengo, sowie Leibarzt und Kammerdiener noch die potenziellen Nachfolger für den Posten des ermordeten Bankpräsidenten, sowie der Sicherheitschef des Papstes und dessen engste Mitarbeiter. Privatsekretär Nummer eins, Monsignore Gänswein bemühte eine menschliche Geste, er kratzte sich ratsuchend am Kopf.
»Irgendjemand in unserer Mitte muss ihr…«, hob er an.
Der Papst hob seine Hand, gebot ihm Einhalt. Die Dreiergruppe blieb stehen.
»Wir wollen uns nicht in denselben Spekulationen wie der gute Giani oder die Polizei ergehen«, spielte Benedikt auf seinen Sicherheitschef Domenico Giani an, der ebenfalls vermutete, die als ‚Kali‘ bekannte Superkillerin habe einen Insider im inneren Zirkel des Papstes, der sie mit Informationen versorgte. Eine naheliegende Vermutung. Der berühmte kleine Kreis war groß genug für die ein oder andere undichte Stelle.
»Spekulationen bringen uns in der Tat nicht weiter«, brachte sich Monsignore Xuereb nach einigen Minuten der Nachdenklichkeit wieder in das Gespräch ein. Papst Benedikt drehte seinen Kopf zu ihm.
»Ja, Alfred, weiter«, insistierte der Papst.
»Es könnte jeder von uns sein. Jeder von uns ist gleich unverdächtig und gleich verdächtig.«